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Hartz IV - Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts kommen nur für Minderjährige in Betracht

Am gestrigem Tage hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bekannt gegeben, dass die Auffassung des SG Düsseldorf, Beschluss vom 18.08.2011, - S 25 AS 2324/11 ER - , die Bildung einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft sei nicht nur auf die Zeit der Minderjährigkeit, sondern unter Berücksichtigung der Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres möglich, vom Senat nicht geteilt wird.

Denn die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b 14/06 R) zur Wahrnehmung des Umgangsrechts ist auf Besuchszeiten eines volljährigen Kindes beim Umgangsberechtigten nicht anzuwenden. Das BSG hat die Annahme einer temporären Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bei minderjährigen Kindern mit der besonderen Förderungspflicht des Staates gemäß Art 6 Abs. 1 GG begründet (BSG, a.a.O, Rn. 27).

Die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums müssten im Ergebnis die Ausübung des Umgangsrechts bei Bedürftigkeit ermöglichen. Wie dies im Einzelnen zu erfolgen habe, sei abhängig von der einfachrechtlichen Ausgestaltung, die im Licht des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 auszulegen sei (BSG, a.a.O. Rn. 21).


Die besondere Förderungspflicht des Staates nach Art. 6 GG zur Gewährleistung des Umgangsrechts entfällt mit der Volljährigkeit.

Mit der Volljährigkeit des Kindes (§ 2 BGB) endet die elterliche Sorge (Palandt, Kommentar zum BGB, 70. Auflage 2011, § 1626 Rn. 26). Nach § 1626 Abs. 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minder-jährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 BGB). Zum Wohl des Kindes gehört gemäß 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 BGB).


Dass Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts nur für Minderjährige in Betracht kommen, lässt sich auch der Vorschrift des § 36 SGB II (örtliche Zuständigkeit) entnehmen. Nach § 36 Satz 3 SGB II ist für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 an Minderjährige, die Leistungen für die Zeit der Ausübung des Umgangsrechts nur für einen kurzen Zeitraum beanspruchen, der jeweilige Träger an dem Ort zuständig, an dem die umgangsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.


 In Satz 3 hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG zur örtlichen Zuständigkeit bei der Ausübung des Umgangsrechts Minderjähriger umgesetzt (vgl. Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 36 Rn. 17).


Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 24.11.2011, - L 7 AS 1656/11 B ER -


https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=147453&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=


Anmerkung: Vorinstanz : Sozialgericht Düsseldorf ,Beshluss vom 18.08.2011, - S 25 AS 2324/11 ER -


Eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft zu bilden, ist nicht auf die Zeit der - Minderjährigkeit der Kinder - beschränkt- Nicht das Zivilrecht entscheidet über das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/eine-zeitweise-bedarfsgemeinschaft-zu.html


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .

Kommentare

  1. "Annahme einer temporären Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bei minderjährigen Kindern mit der besonderen Förderungspflicht des Staates gemäß Art 6 Abs. 1 GG begründet (BSG, a.a.O, Rn. 27)."

    Hätte das BSG damals diese Gelder zusätzlich zum normalen ALG gezahlt und keine Aufteilung auf beide BG vorgenommen, könnte man dem Vortrag beinahe Glauben schenken und drauf reinfallen.

    Wer nun allerdings öffentlich den besonderen Schutz der Familie und Kinder bei Armut vom Alter der Familienmitglieder abmacht aber Mietzahlpflichten der Kinder via BG bis zum 25 LJ einfordert trägt wohl noch verfassungsfernes Gedankengut im Haupt. Kind oder nicht Kind, dann wird 25 Jahre willkürlich, warum nicht doch 27 wie bei denen die Studieren?

    Schon der zusätzliche Begriff "Ehe und Familie" mit besonderem Schutz im Art. 6 GG zeigt, daß dort Kinder nicht getrennt anders berücksichtigt werden sollten und es dort um Familie auch incl. Großeltern geht.

    Wer zur vermientlich legalen Umgehung der Verfassung sich dann auf Kommentare zurückzieht hat den Art. 79 GG nicht so recht verstanden.

    Es wäre dann ernsthaft Anzudenken, derartigen öffentlichen Äußerungen über das BVerfG wegen Art. 18 GG Einhalt zu gebieten.

    Frau Zypries hatte in ihrem Buch auch schon so Verständnisprobleme mit Art. 19 GG Absatz 1 Satz 2 und meinte das BVerfG könnte das GG so einfach aussetzen.

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