Direkt zum Hauptbereich

Aktuelle Entscheidungen des Bundessozialgerichts und des Landessozialgerichts Berlin zum Thema Hartz IV

1. BSG, Urteil vom 27.09.2011, - B 4 AS 155/10 R -

Erstattung von Kosten im Vorverfahren in sozialrechtlichen Angelegenheiten - Rechtsanwaltsvergütung - Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern auch bei Beauftragung des Rechtsanwalts nur durch ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach § 38 SGB 2

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2011&nr=12244&pos=4&anz=185

2. BSG, Urteil vom 24.11.2011, - B 14 AS 15/11 R -

Kosten einer Auszugsrenovierung können als Kosten der Unterkunft zu übernehmen sein.

Voraussetzung dafür ist jedoch nicht die soziale Wirksamkeit der Forderung des Vermieters, sondern die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen.

Die Ablehnung der Übernahme solcher Kosten als unangemessen wegen der Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag stellt besondere Anforderungen an das vom Grundsicherungsträger durchzuführende Kostensenkungsverfahren.

 Der Träger der Grundsicherung muss seinen Rechtsstandpunkt und das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter in einer Weise verdeutlichen, die den Leistungsempfänger in die Lage versetzt, seine Rechte gegenüber dem Vermieter durchzusetzen.

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2011&nr=12237

3. BSG, Urteil vom 24.11.2011, - B 14 AS 201/10 R -

Vom Erwerbseinkommen nicht erwerbsfähiger Sozialgeldbezieher kann kein Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II a. F. in Höhe von 100 Euro abgesetzt werden.

Der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II steht nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Erwerbseinkommen zu.

Auf nicht erwerbsfähige Leistungsbezieher ist jedoch § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII entsprechend anzuwenden, wonach ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen ist, höchstens jedoch 50 vom Hundert des Eckregelsatzes.

Da in beiden Existenzsicherungssystemen für die Anrechnung von Erwerbseinkommen Freibeträge vorgesehen sind, kann die Klägerin nicht nur deshalb schlechter behandelt werden, weil sie als Nichterwerbsfähige in das Leistungssystem des SGB II einbezogen wird.

Sie steht - als nicht erwerbsfähige Sozialgeldbezieherin - der vom SGB XII erfassten Personengruppe aber näher als der Gruppe der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2011&nr=12237

4. BSG, Urteil vom 24.11.2011, - B 14 AS 151/10 R -

Bei einer Pauschal- bzw Inklusivmiete, die laut Mietvertrag mangels Feststellbarkeit des tatsächlichen Verbrauchs auch die Stromkosten in unbezifferter Höhe umfasst, ist ein Abschlag in Höhe des in der Regelleistung gem § 20 SGB 2 enthaltenen Haushaltsenergieanteils von den Unterkunfts-und Heizkosten nach § 22 SGB 2 nicht vorzunehmen.

Das Leistungssystem des SGB II lässt eine individuelle Bedarfsermittlung bei den in der Regelleistung enthaltenen Bedarfen grundsätzlich nicht zu. Die von der Rechtsprechung entwickelte Behandlung der Kosten der Warmwasserbereitung, die der Gesetzgeber mit § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II nF ("... ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile ...") fortentwickelt hat, ist auf die Stromkosten als Bestandteil einer Inklusivmiete nicht übertragbar.

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2011&nr=12237

5. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 20.10.2011, - L 5 AS 1546/09 , Revision zugelassen

Rückzahlungen aus Heiz- und Betriebskostenabrechnungen eines Vermieters mindern gemäß § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II a. F. auch die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung eines Leistungsempfängers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Solche Rückzahlungen fallen nicht in die Insolvenzmasse, da sie entsprechend § 54 Abs. 4 SGB I Pfändungsschutz genießen.

Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 SGB II a. F. findet keine Anwendung, wenn nicht mit gebotener Sicherheit festzustellen ist, in welchem Umfang die tatsächlich entstandenen Kosten der Wärmeversorgung einerseits auf die Heizung, andererseits auf die Warmwasserbereitung entfallen sind.

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146393&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

6. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 20.10.2011, - L 5 AS 1973/10 -

Ein Verwaltungsakt ist nur dann unbestimmt, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Dezember 2010, B 14 AS 92/09 R; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 20/09 R; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 30/09 R).

Die Außerachtlassung eines Merkblattes begründet grundsätzlich den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit (Bundessozialgericht, Urteil vom 20. September 1977, 8/12 RKg 8/76).

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146394&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

7. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 11.10.2011, - L 34 AS 1382/11 NZB -

Die Frage, ob es sich bei einer Kostensenkungsaufforderung um einen Verwaltungsakt handelt, der in Bestandskraft erwachsen kann, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil diese Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt ist.

Die Kostensenkungsaufforderung ist ein Hinweis auf die Rechtslage und kein der Bestandskraft zugänglicher, feststellender oder Leistungen für die Zukunft ablehnender Verwaltungsakt (Urteile des BSG vom 7. November 2007 – B 7b AS 10/06 R -, 19. März 2008 – B 140/06 BR – und B 11b AS 43/06 R -).

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146491&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

8. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.09.2011, - L 14 AS 1533/11 B ER -

Gründe für einen - unangemessenen -  Stromverbrauch sind in einem einstweiligen Anordnungsverfahren glaubhaft zu machen.

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146485&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe...

Zur Frage, wer für die Kosten der Entrümpelung, Grundreinigung und Renovierung der Wohnung eines Messie zuständig ist

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.03.2012, - L 13 AS 22/12 B ER - 1. Der Bedarf eines Hilfesuchenden, der aus einem Fehlgebrauch der Wohnung herrührt (Messie), gehört nicht zum Bedarf für Unterkunft und Heizung iSd § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. 2. Ebenso ist eine notwendige Grundreinigung und Renovierung einer Messie - Wohnung eher nicht auf der Grundlage von §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu regeln. 3. Als Anspruchsgrundlage für das Aufräumen einer Messie-Wohnung kommt § 67 SGB XII i.V.m. § 4 der Verordnung zu § 69 SGB XII in Betracht, wobei die Entscheidung über Art und Maß der Hilfeleistung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers steht. http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=445EF403A69158C8FFF6888A88310D59.jp84?doc.id=JURE120006139&st=null&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint

Guthaben aus Nebenkostenrückerstattungen sind auch bei Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel SGB XII Einkommen

Sozialgericht Karlsruhe,Beschluss vom 21.08.2012,- S 1 SO 2516/12 - Guthaben aus Nebenkostenrückerstattungen sind im Monat des Zuflusses auf dem Konto des Hilfeempfängers in vollem Umfang als Einkommen zu berücksichtigen, soweit dadurch die Hilfebedürftigkeit nicht vollständig entfällt. Der Kläger macht im Hauptsacheverfahren gegen den beklagten Sozialhilfeträger einen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel SGB XII für den Monat Juni 2012 geltend. Streitig ist dabei zwischen den Beteiligten die Anrechnung einer in diesem Monat dem Konto des Hilfeempfängers gutgeschriebenen Nebenkostenrückerstattung seines Vermieters als Einkommen auf seinen Bedarf. Hierdurch ergab sich ein geringerer Zahlbetrag der Hilfeleistung als in den Monaten zuvor. Das Sozialgericht Karlsruhe hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung, die Ausgangsentscheidung der Behörde sei nach der Rechtsprechung des B...