Direkt zum Hauptbereich

Auch Eheleute, die sich übereinstimmend dazu entschlossen haben in getrennten Wohnungen zu leben, können eine Bedarfsgemeinschaft bilden, wenn kein Trennungswille nach außen manifestiert wird.

Brand aktuell hat das LSG Hamburg heute ein Urteil veröffentlicht, wonach auch Eheleute, die sich übereinstimmend dazu entschlossen haben in getrennten Wohnungen zu leben,eine Bedarfsgemeinschaft bilden können, wenn kein Trennungswille nach außen manifestiert wird.


Gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a SGB II gehört auch der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Bedarfsgemeinschaft.


Bei der Auslegung des Begriffs des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf diejenigen Grundsätze zurückzugreifen, die im Bereich des Familienrechts entwickelt worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 18.2.2010, B 4 AS 49/09 R).


Denn auch das SGB II geht davon aus, dass eine Bedarfsgemeinschaft bei Eheleuten (noch) bestehen kann, wenn diese, beispielsweise wegen des Aufenthalts eines pflegebedürftigen Ehegatten in einem Heim, räumlich voneinander getrennt leben.


Der Grundgedanke der Bedarfsgemeinschaft beruht auf der Annahme, dass in dieser Gemeinschaft alle Mitglieder füreinander Verantwortung auch im finanziellen Sinne übernehmen. Erst nachrangig, wenn die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ihren Bedarf nicht gemeinsam decken können, sind Grundsicherungsleistungen zu gewähren (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I –; § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II).


Die Vermutung einer gegenseitigen Bedarfsdeckung hat der Gesetzgeber dabei nicht vorrangig mit dem Vorhandensein von Unterhaltsansprüchen verknüpft (vgl. BSG, Urteil vom 15.4.2008, B 14/7b AS 58/06 R).


Bei Eheleuten verlangt er – im Unterschied etwa zur Konstellation der eheähnlichen Lebensgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II) – gerade das gemeinsame Leben in einem Haushalt nicht. Hierauf hat das Sozialgericht zutreffend hingewiesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 18.2.2010, a.a.O.) kommt es vor dem Hintergrund der familienrechtlichen Grundsätze für das Vorliegen einer dauerhaften Trennung darauf an, ob einer der Partner die bisherige Form der Lebensgemeinschaft ohne gemeinsamen Lebensmittelpunkt nicht mehr aufrecht erhalten, das Eheband also lösen will.


Anmerkung: Das Gericht hat hier festgestellt, dass eine Bedarfsgemeinschaft mit dem im fraglichen Zeitraum in einem Wohnstift lebenden Ehemann bestehe, da kein Getrenntleben im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – festgestellt werden könne.  Es fehle an dem dafür erforderlichen Trennungswillen. Der Ehemann der Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen in das Wohnstift umgezogen.


Landessozialgericht Hamburg Urteil vom 24.11.2011, - L 5 AS 205/10 -
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=147657&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .

Kommentare

  1. Wie begründet der Gesetzgeber 10% Einsparung bei zwei Haushalten und nicht Zusammenwohnen pro Person.

    Meint er ehrlich, wir würden auch da noch auf ein Reichsgesetzblatt von 1941 reinfallen, nach dem die 2. Personen im Haushalt nur noch 0% benötigt?

    Die Benachteiligung von Eheleuten Art. 3 GG und Art 6 GG gegenüber unverheirateten in 2 getrennten Wohnungen ist nicht gemäß Art. 20 Absatz 3 GG rechtlich fundiert zu halten.

    Werder Richter noch deren Urteile oder gar Rechtskommentare können das geltende GG ändern. Interessierte können dazu mal den Artikel 79 GG lesen.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist