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An den Rand gedrängt - Sozial schwache Familien ziehen vermehrt aus den teuren Innenstadtbezirken Berlins in die Peripherie

Ein Beitrag von Eva Kalwa

Berlin - Nie hätte der 13-jährige Kenan erwartet, dass seine Familie mal aus Kreuzberg wegzieht. Doch als die Aufforderung vom Jobcenter kam, innerhalb eines halben Jahres die Wohnkosten zu senken, gab es keinen Ausweg. Plötzlich fand sich Kenan am Rande Berlins wieder, in der Spandauer Großwohnsiedlung Falkenhagener Feld. Hier vermisst er nicht nur seine gewohnte Umgebung, sondern vor allem seine Freunde. Die würden mit Bus und Bahn fast anderthalb Stunden brauchen, bis sie bei ihm seien. „Das haben sie ein paar Mal gemacht, dann blieben sie weg“, erzählt Kenan traurig.


Rund 330 000 sogenannte Bedarfsgemeinschaften, die Hartz IV, und rund 60 000 Bedarfsgemeinschaften, die Sozialhilfe beziehen, leben derzeit in Berlin. Rund 14 000 dieser Haushalte wurden 2011 nach Angabe des Berliner Mietervereins aufgefordert, ihre Wohnkosten zu senken. „Und das trotz stetig steigender Mieten“, kritisiert der Geschäftsführer des Vereins, Reiner Wild.


Etwa 30 000 der Berliner Transferleistungsbezieher, ein Drittel mehr als noch 2010, würden die Differenz zwischen der vom Land Berlin als angemessen festgesetzten Bruttowarmmiete und den tatsächlichen Wohnkosten aus eigener Tasche bezahlen und so meist unter dem staatlich zugesicherten Existenzminimum leben müssen, sagt Wild.


Wer das nicht leisten könne, müsse umziehen. Häufig aus den immer teureren Wohnungen in Kreuzberg, Friedrichshain und Mitte in bezahlbare Großwohnsiedlungen in Spandau, Hellersdorf oder Hohenschönhausen.

 Dort, wo nach dem neuen Schuldneratlas bereits besonders viele stark verschuldete Menschen leben, könnten sich so weitere „negative Quartierseffekte“ entwickeln.

Denn wo der Zuzug der Armen das soziale Gleichgewicht ins Wanken bringt, wächst die Benachteiligung, sagen Soziologen.

http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/601682/


Anmerkung: Zitat aus Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 34 AS 9/11 NZB 04.11.2011 rechtskräftig


Die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes sind hier nicht erfüllt. Nach Auffassung der Kläger hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, weil zu klären sei, "ob das von dem Sozialgericht Berlin in ständiger Rechtsprechung angewandte Konzept" zur Ermittlung der angemessenen KdUH im Sinne des SGB II den Vorgaben des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – entspricht.


Hierbei handelt es sich indes nicht um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Kläger zitieren zutreffend die einschlägige Rechtsprechung des BSG zur Ermittlung der angemessenen KdUH im Land Berlin. Aufgrund dieser Rechtsprechung ist diese Rechtsfrage aber höchstrichterlich geklärt und damit nicht mehr klärungsbedürftig.

Im Weiteren verkennen die Kläger aber die Vorgaben des BSG in diesem Urteil. Anders als die Kläger ausgeführt haben, hat das BSG entschieden, dass es in erster Linie Aufgabe der kommunalen Träger ist, zu prüfen, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen.

Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden könnten, müssen, so das BSG, gerichtlich überprüfbar sein. Dies gelte erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet seien, wie dies in Berlin mit den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen) der Fall sei.

Nur für den Fall, dass sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen ließen, biete es sich an, so das BSG, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden.

- Abgesehen davon, dass der kommunale Träger entsprechende Daten bisher nicht vorgelegt hat und wohl auch nicht vorlegen wird?????????

, also an den Werten der AV-Wohnen im Kern festhält, das Sozialgericht also entsprechend den Vorgaben des BSG berechtigt war, quasi hilfsweise, die Angemessenheit der KdUH aufgrund gewichteter Mietspiegelwerte zu ermitteln


https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146495&s0=arithmetischen Mittelwert&s1=&s2=&words=&sensitive=


Hinweis: Jedem Berliner Hartz - IV - Empfänger kann nur angeraten werden, seine Kosten der Unterkunft und Heizung gerichtlich überprüfen zu lassen!



Denn die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Baualtersklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokaltvergleichsmiete erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht(BSG, Urteil vom 13.04.2011, - B 14 AS 85/09 R - ).

Die Bildung eines arithmetischen Mittelwertes bietet zum anderen bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet (im Einzelnen bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 30).

Weil die Werte der einzelnen Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen.

Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles

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