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Brandenburgs Jobcenter klagen gegen Niedriglöhne

Jeder Fünfte bekommt nicht mal 8,50 Euro

Saubermachen, Pizza ausfahren oder im Laden aushelfen für weniger als zwei Euro die Stunde? In Brandenburg landen solche Dumpinglöhne jetzt immer öfter vor dem Arbeitsgericht. Am Dienstag wurde in Eberswalde (Barnim) erneut die Klage eines Jobcenters gegen sittenwidrige Niedriglöhne verhandelt.
Potsdam. Beklagt war ein Pizzaservice in Templin (Uckermark), der seinen Beschäftigten Stundenlöhne unter zwei Euro gezahlt hatte. Weil sie davon nicht leben konnten, haben sie vom Jobcenter aufstockend Hartz IV erhalten. Per Vergleich wollte die Behörde erreichen, dass der Verdienst auf die ortsübliche Höhe angehoben und Sozialleistungen zurückgezahlt werden. Aber der Einigungsversuch scheiterte am Dienstag, sodass das Gericht in einer Folgesitzung entscheiden muss, sagte Gerichtssprecher Andre von Ossowski auf MAZ-Anfrage.
Als sittenwidrig gelten Löhne, die mehr als ein Drittel unter dem Tariflohn oder dem ortsüblichen Lohn in einer Branche liegen. Die bisher verhandelten Fälle wurden zugunsten der Jobcenter entschieden. Im August war ein Pizzaservice aus Schwedt (Uckermark) zu Nachzahlungen verurteilt worden. Dort hatten Hilfskräfte teilweise nur 1,59 Euro pro Stunde verdient. Im September hatte das Arbeitsgericht Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) zwei Unternehmer aus dem Spreewald zur Nachzahlung von 1560 Euro verurteilt, weil sie einem Verkäufer nur 2,84 Euro pro Stunde bezahlt hatten. Der Lohn hätte doppelt so hoch sein müssen, befanden die Richter. Am kommenden Freitag wird erneut in Senftenberg ein Fall verhandelt. Dabei geht es um einen Anwalt, der seine beiden Bürokräfte mit 1,70 Euro pro Stunde abgespeist hat.
Jobcenter prüfen flächendeckend die Lohnhöhe
Die Gerichtsverfahren sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs, sagt Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit. „99 Prozent der Unternehmen, bei denen sittenwidrige Löhne bemängelt werden, ändern die Verträge“, sagte er. Bei Hilfeempfängern, die aufstockend zu ihrem Lohn Hartz IV erhalten, prüfen die Jobcenter inzwischen flächendeckend die Lohnhöhe. In Brandenburg erhalten aktuell etwa 60.000 Menschen solche aufstockenden Leistungen. Jeder fünfte Beschäftigte in Brandenburg verdient weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Der Durchschnittslohn im ostdeutschen Niedriglohnsektor liegt bei 6,52 Euro.
Landesweite Zahlen zur Prozesswelle wegen sittenwidriger Löhne gibt es bisher nicht. Aber bei der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit wurde dazu eine Arbeitsgruppe gebildet, an der Vertreter aller Jobcenter teilnehmen, sagt Möller. Bis Ende des Jahres werde man eine Übersicht haben.
Für Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) sind die Klagen ein richtiger Schritt. „Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, verdienen anständige Löhne“, sagte er. Der Staat dürfe nicht länger Lohndumping von Unternehmen durch ergänzende Sozialleistungen subventionieren. Wer so wenig zahle, schade nicht nur den Beschäftigten, sondern auch Konkurrenten mit fairer Entlohnung.
Von Ulrich Nettelstroth
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Landesweit werden Arbeitsverträge überprüft

  • Bei den Jobcentern im Bereich der Arbeitsagentur Cottbus gibt es derzeit mindestens acht offene Klagefälle.
  • Im Potsdamer Raum brachten die Jobcenter bisher fünf Fälle vor Gericht, alle noch ohne Entscheidung. Durch außergerichtliche Einigung ist es gelungen, schon über 30 000 Euro einzutreiben.
  • In der Prignitz hat das Jobcenter bisher 111 Verdachtsfälle geprüft. In 16 Fällen wurde Sittenwidrigkeit festgestellt, Klagen gibt es bisher aber noch nicht.
  • In Oberhavel liegen ebenfalls noch keine Klagen vor. Eine Prüfung auf Sittenwidrigkeit gibt es, eine Statistik darüber fehlt bisher, so Kreissprecher Ronny Wappler.
 Quelle: MAZ online

Kommentare

  1. Herr Zimmermann ,da müßen Sie sich für ihre Kollegen schämen ,die ihre Bürokräfte nur sittenwidrigen Stundenlohn mit 1,70 € die Std abspeisen .
    Die machen die Ganze Berufsgruppen der Anwälte kaputt.
    Soweit sind wir mitlerweile ,das Leute sich für 1,70 € ausbeuten lassen .
    Sprachlos und entsetzt .
    Gruß aus Hamburg.

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