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Gewährung von PKH, denn beweisbelastet für den Zugang und damit die Bekanntgabe der Meldeaufforderung ist das Jobcenter, § 37 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SGB X

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,Beschluss vom 08.08.2012,- L 19 AS 1239/12 B -



Bei der Meldeaufforderung handelt es sich nach herrschender Auffassung um einen Verwaltungsakt (vgl. dazu etwa Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 32 Rn 7 m.w.N.; Sonnhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 32 Rn 21;a.A. Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 31 Rn 26).


Damit ist die Meldeaufforderung in analoger Anwendung des § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dann bekannt gegeben, wenn sie dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen (BSG Urteil vom 03.06.2004 - B 11 AL 71/03 R, Rn 24; BSG Urteil vom 02.09.1977 - RAr 46/76 , Rn 13; BVerwG Beschluss vom 22.02.1994 - 4 B 212/93 , Rn 3; BGH Urteil vom 03.11.1976 - VIII ZR 140/75, Rn 13 BAG Urteil vom 11.11.1992 - 2 AZR 328/92 , Rn 33; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 37 Rn. 4).


Die tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich.


Beweisbelastet für den Zugang und damit die Bekanntgabe der Meldeaufforderung ist das Jobcenter, § 37 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SGB X.


Ausweislich der Dokumentation der X Post GmbH ist der Zugang eines Einwurfeinschreibens am 20.10.2011 bewirkt worden, wobei es sich - nach dem Vortrag des Beklagten - um die Meldeaufforderung zum 31.10.2011 gehandelt habe. In den Verwaltungsakten findet sich ein korrespondierender Vermerk, dass die Meldeaufforderung vom 31.10.2011 per Einwurfeinschreiben versandt wurde.


Dass in der fraglichen Zeit andere Einwurfeinschreiben an den Kläger verschickt worden sein könnten, lässt sich der Verwaltungsakte nicht entnehmen, weswegen im Rahmen der summarischen Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei dem in der Dokumentation benannten Einwurfeinschreiben um die Meldeaufforderung zum 31.10.2011 gehandelt hat.


In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es sich bei der durch die X Post GmbH bewirkte Zustellung nicht um eine förmliche Zustellung im Sinne der Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeszustellungsgesetz - LZG NRW) gehandelt hat.


Anders als etwa eine Postzustellungsurkunde spricht die Dokumentation der X Post GmbH nicht bereits für sich für die Richtigkeit der Angaben (vgl. zur Postzustellungsurkunde bspw. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil vom 14.09.2000 - 23 B 00.30313 = juris Rn 14).


In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 130 BGB kommt die Dokumentation allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises in Betracht, wenn das ordnungsgemäße Zustellverfahren (Bestätigung der Zustellung nach Einwurf durch Unterschrift und Datumsangabe) von dem Zusteller eingehalten worden ist (Reichold in: jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 130 BGB Rn 41 unter Bezugnahme auf Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil vom 20.03.07 - 4 U 83/06 = juris Rn 58; vgl. auch Oberlandesgericht Koblenz Beschluss vom 31.01.2005 - 11 WF 1013/04 = juris Rn 10 vgl. auch Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 14.08.2009 - 10 Sa 84/09 = juris Rn 34 ff - auch zum Streitstand).


 Demgegenüber wird teilweise vertreten aus dem Vorliegen eines Auslieferungsbeleges lasse sich nicht folgern, dass eine solche Auslieferung auch stattgefunden habe (vgl. Landesarbeitsgericht Hamm Urteil vom 05.08.2009 - 3 Sa 1677/08 = juris Rn 107; LG Potsdam Urteil vom 27.07.2000 - 11 S 233/99 = juris Rn 8; AG Kempen Urteil vom 22.08.2006 - 11 C 432/05 = juris Rn 11).


Ein Verlust von Postsendungen während des Zustellvorgangs sei nach der Lebenserfahrung ebenso wenig auszuschließen sei wie das Einstecken in den falschen Briefkasten durch den Zusteller (Potsdam Urteil vom 27.07.2000 - 11 S 233/99 = juris Rn 8; AG Kempen Urteil vom 22.08.2006 - 11 C 432/05 = juris Rn 11).


Der Kläger trägt vor, er habe das Schreiben - anders als zahlreiche andere Schreiben des Beklagten - nicht erhalten. Woran dies liege wisse er nicht. Es könne daran liegen, dass der Briefkasten so beschaffen sei, dass auch Dritte Zugriff auf diesen nehmen könnten. Hierüber habe er sich bereits bei seinem Vermieter und bei der Hausverwaltung beschwert. Allerdings seien bislang im Übrigen Schreiben des Beklagten regelmäßig bei ihm angekommen.


Nach Auffassung des Senats kann das Sozialgericht bei dieser Sach- und Rechtslage den Nachweis des Zugangs des Schreibens nicht als ohne Weiteres geführt ansehen (so auch SG Duisburg Beschluss vom 21.02.2012 - S 17 AS 157/12 ER).


Vor diesem Hintergrund war Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

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