Direkt zum Hauptbereich

Termintipp des BSG Nr. 1/12 - Umfang des Datenschutzes bei Bezug von Arbeitslosengeld II

Das BSG wird am 25.01.2012 über den Umfang des Datenschutzes bei Bezug von Arbeitslosengeld II zu entscheiden haben.


Das LSG Baden-Württemberg hatte mit Urteil vom 13.10.2010, - L 3 AS 1173/10 - entschieden , dass das Sozialgeheimnis nach § 35 Abs. 1 SGB I nicht verletzt wird, wenn die für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erforderlichen Daten nur bei Dritten erhoben werden können.


http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=LSG+Baden-W%FCrttemberg&Art=en&sid=bff543c63da643fa4601157895d37ac6&nr=13494&pos=0&anz=1



Das BSG - B 14 AS 65/11 R - wird nun folgende Frage beantworten müssen:


Darf der Grundsicherungsträger nach SGB 2 im Wege der Amtsermittlung ohne vorherige Zustimmung des Leistungsempfängers Daten bei Dritten (hier ua beim Ehemann der Vermieterin zwecks Rückzahlung einer Mietkaution) mit der Folge erheben, dass Sozialdaten - wie der Leistungsbezug - offenbart werden?


Sachverhalt: Die Kläger, ein 1957 und 1966 geborenes Ehepaar, das Arbeitslosengeld II bezieht, macht eine Verletzung datenschutzrechtlicher Regelungen durch das beklagte Jobcenter geltend.

Die Kläger bewohnten zusammen mit mehreren Kindern und weiteren Familienangehörigen bis Ende Februar 2008 ein 125 qm großes Haus im Landkreis Emmendingen. Das Mietverhältnis wurde von der Vermieterin, vertreten durch den Haus- und Grundbesitzerverein, gekündigt. Die Kläger hatten hierfür eine von ihnen selbst aufgebrachte Kaution in Höhe von 2.611,78 Euro hinterlegt. Im Dezember 2007 unterzeichneten sie einen Mietvertrag für ein Haus in B. im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Das Mietverhältnis begann am 15.2.2008; der Vermieter forderte eine Mietkaution in Höhe von 1.700 Euro. Den Antrag der Kläger, die Mietkaution darlehensweise zu übernehmen, lehnte der Beklagte ab und verwies auf die Mietkaution für das bislang bewohnte Haus, die zur Begleichung der neuen Kaution eingesetzt werden könne. Die Kläger machten geltend, die hinterlegte Mietkaution für das bislang bewohnte Haus stehe voraussichtlich erst mit Ablauf der sechsmonatigen Prüfungsfrist der Vermieterin und daher weit nach Fälligkeit der Mietkaution für das neue Haus zur Verfügung. Mit Schreiben vom 12.2.2008 wandte sich der Beklagte daraufhin wegen der Auszahlung der Kaution an den Haus- und Grundbesitzerverein E. unter dem Betreff "Leistungen nach dem SGB II im Mietverhältnis …" mit Angabe der bisherigen Adresse und des Namens der Kläger und bat unter anderem um Mitteilung des Auszahlungstermins und der Höhe der Kaution. In der Folgezeit telefonierten Bedienstete des Beklagten mehrmals mit dem Haus- und Grundbesitzerverein E. und erkundigten sich nach dem Sachstand. Ende Februar 2008 beantragten die Kläger bei dem Beklagten außerdem je einen Schrank für ihre Kinder, weil diese über keine Schränke verfügten, da in dem bisherigen Haus Einbauschränke gewesen seien. Am 19.3.2008 telefonierte ein Bediensteter des Beklagten wegen dieser Angelegenheit mit dem Ehemann der Vermieterin.

Im Rahmen ihrer auf die Bewilligung der Mietkaution gerichteten Klage haben die Kläger u.a. die Verletzung ihres Sozialdatenschutzes durch das Schreiben des Beklagten vom 12.2.2008 geltend gemacht. Erst durch dieses Schreiben habe die Vermieterin von ihrem Leistungsbezug erfahren und sie - die Kläger - seien nunmehr dem Hohn und Spott der Familie der ehemaligen Vermieterin ausgesetzt. Das Sozialgericht hat den Antrag der Kläger, festzustellen, dass der Beklagte durch sein Verhalten unbefugt Sozialgeheimnisse offenbart habe, abgewiesen. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen.



Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 35 Abs 1 SGB I und ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Der Beklagte habe nicht im Wege der Amtsermittlung ohne ihre vorherige Zustimmung Daten bei Dritten mit der Folge erheben dürfen, dass Sozialdaten, wie ihr Bezug von Leistungen nach dem SGB II offenbart würden. Eine Rechtsgrundlage für die vorgenommene Offenbarung ihrer Sozialdaten sei nicht ersichtlich.


http://www.bsg.bund.de/cln_115/nn_138250/DE/03__Medien/01__Termin__Tipp/Termin__Tipp__Texte/1__12.html



Anmerkung: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.04.2011, -    L 2 AS 10/11 B ER -


Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis).


Nach § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten im Sinne des § 35 SGB I zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Soweit es notwendig ist, leistungsrechtlich erhebliche Angaben der Antragsteller durch Ermittlungen bei Dritten (nicht von § 67a Abs. 2 Nr.1 SGB X erfassten Stellen) nachzuprüfen, etwa bei trotz Nachfrage bei den Leistungsempfängern unaufklärbaren Lücken oder begründetem Anlass für Zweifel an den Angaben der Betroffenen, besteht insbesondere kein unverhältnismäßiger Aufwand bzw. ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen im Sinne des § 67a Abs. 2 Nr. 2 SGB X (vgl. VGH Bayern v. 20.08.2007 - 12 ZB 06.2658 – Juris).


https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=142230&s0=§ 35 SGB I&s1=&s2=&words=&sensitive=



Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Zur Frage, wer für die Kosten der Entrümpelung, Grundreinigung und Renovierung der Wohnung eines Messie zuständig ist

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.03.2012, - L 13 AS 22/12 B ER - 1. Der Bedarf eines Hilfesuchenden, der aus einem Fehlgebrauch der Wohnung herrührt (Messie), gehört nicht zum Bedarf für Unterkunft und Heizung iSd § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. 2. Ebenso ist eine notwendige Grundreinigung und Renovierung einer Messie - Wohnung eher nicht auf der Grundlage von §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu regeln. 3. Als Anspruchsgrundlage für das Aufräumen einer Messie-Wohnung kommt § 67 SGB XII i.V.m. § 4 der Verordnung zu § 69 SGB XII in Betracht, wobei die Entscheidung über Art und Maß der Hilfeleistung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers steht. http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=445EF403A69158C8FFF6888A88310D59.jp84?doc.id=JURE120006139&st=null&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint