Direkt zum Hauptbereich

Hartz IV-Empfänger musste 4 Jahre warten auf die Entscheidung des Gerichts, in denen eine Fahrkostenerstattung in Höhe von insgesamt 42,06 EUR streitig war - Zur Entschädigung wegen ungemessener Verfahrensdauer - Wiedergutmachung auf andere Weise

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.03.2013 - L 15 SF 10/12 EK AS


1. Eine Verfahrensdauer von mehr als vier Jahren und drei Monaten bzw. drei Jahren und elf Monaten für zwei verbundene Verfahren, in denen eine Fahrkostenerstattung in Höhe von insgesamt 42,06 EUR streitig war, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere im Hinblick auf längere Zeiten der - nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigten - Untätigkeit des Gerichts, unangemessen i. S. des § 198 Abs. 1 GVG.

2. Angesichts der geringfügigen Höhe der in den Ausgangsverfahren streitigen Geldleistung ist gemäß § 198 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 4 S. 1 GVG Wiedergutmachung durch Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer ungemessen war, ausreichend.

3. Bei der nach billigem Ermessen zu trefffenden Kostenentscheidung nach § 201 Abs. 4 GVG ist die schlichte Festellung der überlangen Verfahrensdauer als Teilerfolg der Entschädigungsklage zu berücksichtigen.

Anmerkung:


Nach dem gemäß § 202 Satz 2 SGG auf das sozialgerichtliche Verfahren entsprechend anwendbaren § 198 Abs. 1 GVG wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt.

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Ob nach dieser Vorschrift der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Artikel 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Artikel 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) zu beurteilen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/3802, Seite 18; Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg, Urteile vom 21. November 2012 - L 2 SF 436/12 EK - Rdnr. 82 und vom 20. Februar 2013 - L 2 SF 1495/12 - Rdnr. 57, jeweils m. w. N.; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. November 2012 - L 10 SF 5/12 ÜG - Rdnr. 191 m. w. N.; OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Januar 2013 - 4 EntV 9/12 - Rdnr. 53).

Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock- Sozialberater des RA L. Zimmermann.

Kommentare

  1. Was ich da im Urteil lese:
    "Mein lieber Bedürftiger!
    Du hast jetzt 4 Jahre warten müssen.
    Das war viel, viel viel zu lange...
    Also sprechen wir ein fundiertes, absolutes, Dir Genugtuung gebendes Machtwort:
    Du erhältst die schriftliche Zusicherung, dass die Verfahrensdauer zu lange gedauert hat.
    Amen."

    AntwortenLöschen
  2. es wird immer schlimmer

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe...

Zur Frage, wer für die Kosten der Entrümpelung, Grundreinigung und Renovierung der Wohnung eines Messie zuständig ist

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.03.2012, - L 13 AS 22/12 B ER - 1. Der Bedarf eines Hilfesuchenden, der aus einem Fehlgebrauch der Wohnung herrührt (Messie), gehört nicht zum Bedarf für Unterkunft und Heizung iSd § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. 2. Ebenso ist eine notwendige Grundreinigung und Renovierung einer Messie - Wohnung eher nicht auf der Grundlage von §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu regeln. 3. Als Anspruchsgrundlage für das Aufräumen einer Messie-Wohnung kommt § 67 SGB XII i.V.m. § 4 der Verordnung zu § 69 SGB XII in Betracht, wobei die Entscheidung über Art und Maß der Hilfeleistung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers steht. http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=445EF403A69158C8FFF6888A88310D59.jp84?doc.id=JURE120006139&st=null&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint

Guthaben aus Nebenkostenrückerstattungen sind auch bei Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel SGB XII Einkommen

Sozialgericht Karlsruhe,Beschluss vom 21.08.2012,- S 1 SO 2516/12 - Guthaben aus Nebenkostenrückerstattungen sind im Monat des Zuflusses auf dem Konto des Hilfeempfängers in vollem Umfang als Einkommen zu berücksichtigen, soweit dadurch die Hilfebedürftigkeit nicht vollständig entfällt. Der Kläger macht im Hauptsacheverfahren gegen den beklagten Sozialhilfeträger einen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel SGB XII für den Monat Juni 2012 geltend. Streitig ist dabei zwischen den Beteiligten die Anrechnung einer in diesem Monat dem Konto des Hilfeempfängers gutgeschriebenen Nebenkostenrückerstattung seines Vermieters als Einkommen auf seinen Bedarf. Hierdurch ergab sich ein geringerer Zahlbetrag der Hilfeleistung als in den Monaten zuvor. Das Sozialgericht Karlsruhe hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung, die Ausgangsentscheidung der Behörde sei nach der Rechtsprechung des B...