Anmerkung zu: Frau Prof. Dr. jur. Helga Spindler in info also 2011, 270 zu Entscheidungen zur schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung bei Sanktionen
Auszug Berlit a.a.O.:
Rechtsfolgenkenntnis statt Belehrung
Der schriftlichen Belehrung über die Rechtsfolgen eines Pflichtverstoßes ist deren »Kenntnis« gleichgestellt; der Nachweis über eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung muss in diesem Fall nicht geführt werden.(21) Die Regelung ist in der Anhörung zum Gesetzentwurf(22) zu Recht - auch als unpraktikabel - kritisiert worden. Verfassungswidrig ist sie - bei verfassungskonform einschränkender Auslegung - nicht.
Die Gesetzesbegründung verschweigt sich zu den genauen Anforderungen, die an diese Kenntnis zu stellen sind. Maßstab hat der vom Gesetzgeber gewollte Gleichrang von schriftlicher Rechtsfolgenbelehrung und Kenntnis der Rechtsfolgen zu sein. Schon nach dem Wortlaut ist eine positive Kenntnis erforderlich; nicht ausreichend ist ein »Kennenmüssen«, also die zurechenbare, (grob) fahrlässige Unkenntnis der Rechtsfolgen, oder ein »Kennenkönnen« (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Wegen des Gleichrangs reicht auch nur eine (positive) Kenntnis aus, die hinsichtlich der potentiell handlungsleitenden Wirkungen, insb. der Warn- und Signalfunktion, der einzelfallbezogenen schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung gleichwertig ist. Erforderlich ist eine positive, aktuelle Kenntnis des jeweiligen Leistungsberechtigten von den konkreten Rechtsfolgen, die ein bestimmter Pflichtenverstoß in einer konkreten Situation haben wird.
Der Leistungsberechtigte muss - zumindest im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre - erfasst und verstanden haben, dass und welche Rechtsfolgen sich bei einem bestimmten Verhalten ergeben werden. Erforderlich ist neben einem klaren Wissen um die differenzieren Rechtsfolgen auch die Fähigkeit, dieses Wissen in einer bestimmten Handlungs- oder Konfliktsituation abrufen und intellektuell verarbeiten zu können. Eine abstrakt mögliche Kenntnis aus der Vergangenheit muss bei dem Leistungsberechtigten noch aktuell wirken (können) und so in dessen Bewusstsein verankert sein, dass es in der aktuellen Situation noch handlungsleitend wirken kann. Allgemeine Belehrungen in Formblättern und Vordrucken sowie schriftliche Rechtsfolgenbelehrungen reichen nicht aus.
Die Kenntnis kann sowohl durch frühere Hinweise/Rechtsfolgenbelehrungen als auch durch mündliche Belehrungen vermittelt worden sein. Schriftliche Rechtsfolgenbelehrungen in der Vergangenheit sind für die Kenntnis unbeachtlich, wenn beachtliche Gründe (z.B. Sprachschwierigkeiten, Analphabetismus) dafür sprechen, dass sie nicht zur Kenntnis genommen oder verstanden worden sind.
Fehler einer schriftlich erteilten Rechtsfolgenbelehrung können regelmäßig nicht durch eine (positive) Kenntnis ausgeglichen werden. Auch wenn die schriftliche Rechtsfolgenbelehrung falsch, unzureichend, in sich widersprüchlich oder fehlerhaft ist, darf sich der Leistungsberechtigte regelmäßig auf diese verlassen und muss nicht davon ausgehen, dass seine Rechtskenntnis besser ist als die des Leistungsträgers. Nur in seltenen Ausnahmefällen wird der Leistungsberechtigte aktuell über so klare, differenzierte und sichere Rechtskenntnisse verfugen, dass er deswegen auch die Fehlerhaftigkeit der Rechtsfolgenbelehrung erkennt.
Die - differenzierte - Kenntnis ist vom Leistungsträger darzulegen und ggf. zu beweisen.
21 BT-Drs. 17/3404, 111.
22 BT - Ausschuss für Arbeit und Soziales -, Sachverständigenanhörung vom 22.11.2010,; dazu Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen (Ausschussdrucksache 17(11)309 v. 16.11.2010) und das Anhörungsprotokoll (Prot. 17/41).
Vgl. auch z.B. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 31Rn 79 ff; Herold-Tews in Löns-Herold/Tews, SGB II, 3. Aufl., § 31Rn 5 ff.; Geiger in Leitfaden zum Arbeitslosengeld II, 8. Aufl., S. 613, Kenntnis der Rechtsfolgen.
Rechtsfolgenkenntnis statt Belehrung
Der schriftlichen Belehrung über die Rechtsfolgen eines Pflichtverstoßes ist deren »Kenntnis« gleichgestellt; der Nachweis über eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung muss in diesem Fall nicht geführt werden.(21) Die Regelung ist in der Anhörung zum Gesetzentwurf(22) zu Recht - auch als unpraktikabel - kritisiert worden. Verfassungswidrig ist sie - bei verfassungskonform einschränkender Auslegung - nicht.
Die Gesetzesbegründung verschweigt sich zu den genauen Anforderungen, die an diese Kenntnis zu stellen sind. Maßstab hat der vom Gesetzgeber gewollte Gleichrang von schriftlicher Rechtsfolgenbelehrung und Kenntnis der Rechtsfolgen zu sein. Schon nach dem Wortlaut ist eine positive Kenntnis erforderlich; nicht ausreichend ist ein »Kennenmüssen«, also die zurechenbare, (grob) fahrlässige Unkenntnis der Rechtsfolgen, oder ein »Kennenkönnen« (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Wegen des Gleichrangs reicht auch nur eine (positive) Kenntnis aus, die hinsichtlich der potentiell handlungsleitenden Wirkungen, insb. der Warn- und Signalfunktion, der einzelfallbezogenen schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung gleichwertig ist. Erforderlich ist eine positive, aktuelle Kenntnis des jeweiligen Leistungsberechtigten von den konkreten Rechtsfolgen, die ein bestimmter Pflichtenverstoß in einer konkreten Situation haben wird.
Der Leistungsberechtigte muss - zumindest im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre - erfasst und verstanden haben, dass und welche Rechtsfolgen sich bei einem bestimmten Verhalten ergeben werden. Erforderlich ist neben einem klaren Wissen um die differenzieren Rechtsfolgen auch die Fähigkeit, dieses Wissen in einer bestimmten Handlungs- oder Konfliktsituation abrufen und intellektuell verarbeiten zu können. Eine abstrakt mögliche Kenntnis aus der Vergangenheit muss bei dem Leistungsberechtigten noch aktuell wirken (können) und so in dessen Bewusstsein verankert sein, dass es in der aktuellen Situation noch handlungsleitend wirken kann. Allgemeine Belehrungen in Formblättern und Vordrucken sowie schriftliche Rechtsfolgenbelehrungen reichen nicht aus.
Die Kenntnis kann sowohl durch frühere Hinweise/Rechtsfolgenbelehrungen als auch durch mündliche Belehrungen vermittelt worden sein. Schriftliche Rechtsfolgenbelehrungen in der Vergangenheit sind für die Kenntnis unbeachtlich, wenn beachtliche Gründe (z.B. Sprachschwierigkeiten, Analphabetismus) dafür sprechen, dass sie nicht zur Kenntnis genommen oder verstanden worden sind.
Fehler einer schriftlich erteilten Rechtsfolgenbelehrung können regelmäßig nicht durch eine (positive) Kenntnis ausgeglichen werden. Auch wenn die schriftliche Rechtsfolgenbelehrung falsch, unzureichend, in sich widersprüchlich oder fehlerhaft ist, darf sich der Leistungsberechtigte regelmäßig auf diese verlassen und muss nicht davon ausgehen, dass seine Rechtskenntnis besser ist als die des Leistungsträgers. Nur in seltenen Ausnahmefällen wird der Leistungsberechtigte aktuell über so klare, differenzierte und sichere Rechtskenntnisse verfugen, dass er deswegen auch die Fehlerhaftigkeit der Rechtsfolgenbelehrung erkennt.
Die - differenzierte - Kenntnis ist vom Leistungsträger darzulegen und ggf. zu beweisen.
21 BT-Drs. 17/3404, 111.
22 BT - Ausschuss für Arbeit und Soziales -, Sachverständigenanhörung vom 22.11.2010,; dazu Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen (Ausschussdrucksache 17(11)309 v. 16.11.2010) und das Anhörungsprotokoll (Prot. 17/41).
Vgl. auch z.B. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 31Rn 79 ff; Herold-Tews in Löns-Herold/Tews, SGB II, 3. Aufl., § 31Rn 5 ff.; Geiger in Leitfaden zum Arbeitslosengeld II, 8. Aufl., S. 613, Kenntnis der Rechtsfolgen.
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