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SG Mainz: Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses bei einer Lebensversicherung ist keine Pflichtverletzung im Sinne des SGB II

SG Mainz, Beschl. v. 13.11.2012 - S 4 AS 466/11
SG Mainz: Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses bei einer Lebensversicherung ist keine Pflichtverletzung im Sinne des SGB II

Das Job-Center darf bei einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB II keine Leistungskürzung vornehmen, wenn dieser bei seiner Lebensversicherung nachträglich einen Verwertungsausschluss vereinbart und erst auf diese Weise die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen erfüllt. Dies hat das Sozialgericht Mainz am 13.11.2012 entschieden (Az.: S 4 AS 466/11).

Sachverhalt

Das Job-Center hatte dem 53 Jahre alten und damals arbeitslosen Kläger die Gewährung von Leistungen versagt, weil er über eine Lebensversicherung im Wert von knapp 20.000 Euro verfüge, die er zuerst kündigen und verwerten müsse. Es handelte sich um eine Kapital-Lebensversicherung, die der Kläger 1992 zum Zwecke der Altersvorsorge abgeschlossen hatte. Der Kläger vereinbarte mit der Versicherung einen Verwertungsausschluss gemäß § 168 Abs. 3 VVG und beantragte bei dem Job-Center umgehend erneut Leistungen. Diesmal wurden ihm zwar die Leistungen bewilligt, jedoch erhielt er für die ersten drei Monate um 10% gekürzte Beträge. Zur Begründung verwies das Job-Center darauf, dass er eine Pflichtverletzung begangen habe, als er durch die Vereinbarung des Verwertungsausschlusses absichtlich sein Vermögen verringert habe, um einen Anspruch zu erhalten.

Verwertungsausschluss keine Pflichtverletzung

Das Sozialgericht gab dem Kläger Recht. Zwar werde das Verhalten des Klägers vom Wortlaut der Sanktionsvorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II erfasst. Der Kläger habe durch sein Verhalten tatsächlich sein anrechenbares Vermögen gemindert, mit der Absicht einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, dennoch handele es sich nicht um eine «Pflichtverletzung» im Sinne dieser Vorschrift. Die Richter wiesen darauf hin, dass im SGB II nicht nur die staatlich geförderten Altersvorsorgeformen («Riester-Rente»), sondern auch sonstige geldwerte Ansprüchen, die der Altersvorsorge dienen, geschützt seien, solange sie vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht verwertet werden können.

Hinweispflicht des Job-Centers auf möglichen Verwertungsausschluss

Das Bundessozialgericht habe in einem Urteil aus dem Jahr 2008 sogar ausgeführt, dass die Job-Center die Antragssteller mit älteren Lebensversicherungen auf die Möglichkeit eines solchen Verwertungsausschlusses hinweisen müssten. Wenn dann aber ein Antragssteller diese vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Möglichkeit ausnutze beziehungsweise die Hinweise des Job-Centers umsetze, könne dies nicht gleichzeitig eine «Pflichtverletzung» im Sinne einer anderen Vorschrift des Gesetzes darstellen und eine Leistungskürzung begründen. Der Behördenvertreter schloss sich dieser Ansicht an und hob die Sanktionsbescheide auf.
Quelle: SG Mainz: Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses bei einer Lebensversicherung ist keine Pflichtverletzung im Sinne des SGB II | beck-aktuell

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