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Anspruch eines behinderten Menschen mit schwerer Hirnschädigung auf das Merkzeichen a.G.



 
Das SG Mannheim hat entschieden, dass ein behinderter Mensch mit schwerer Hirnschädigung Anspruch auf das Merkzeichen a.G. (außergewöhnliche Gehbehinderung) hat, wenn er vom ersten Schritt an geführt, gezogen oder im Rollstuhl gefahren werden muss.
Der 1962 geborene Kläger leidet an einer Hirnschädigung infolge eines Impfschadens. Bei ihm sind ein GdB von 100 und die Merkzeichen G (erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), B (ständige Begleitung), H (Hilflosigkeit) und RF (Ermäßigung der Rundfunkgebühren) festgestellt. Nach zwei Bandscheiben-OPs stellte der Beklagte 2013 das Merkzeichen a.G. fest, da nach ärztlichen Befunden die Gehfähigkeit auf fünf Meter eingeschränkt war. Die Nachprüfung 2015 ergab eine deutliche Besserung der Rückenbeschwerden und ein aus orthopädischer Sicht nicht außergewöhnlich stark eingeschränktes Gehvermögen. Der Kläger klagte gegen den Entzug des Merkzeichens. Dieses sei weiterhin gerechtfertigt aufgrund der Vorerkrankungen unabhängig von der Bandscheiben-OP.
Das SG Mannheim hat im Sinne des Klägers entschieden.
Nach Auffassung des Sozialgerichts durfte das Merkzeichen nicht entzogen werden, weil sich der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – wie in der gesetzlichen Grundlage gefordert – wegen der Schwere seines Leidens dauernd und vom ersten Schritt an nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Nach den Bekundungen der Mutter und des Bruders des Klägers sei die Hälfte der Zeit der Rollstuhl von Anfang an erforderlich, weil er sich weigere zu gehen. An guten Tagen müsse er von Anfang an an der Hand geführt bzw. gezogen werden und setze sich unter Umständen auf die Straße, weil er nicht weitergehen wolle.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Berufung des Beklagten ist beim LSG Stuttgart unter dem Az. L 8 SB 3481/17 anhängig.


Gericht/Institution:SG Mannheim
Erscheinungsdatum:07.08.2018
Entscheidungsdatum:12.07.2017
Aktenzeichen:S 2 SB 3303/15
Quelle: Pressemitteilung des SG Mannheim v. 07.08.2018 juris

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