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Krankenkassenprämie mindert nicht Sonderausgabenabzug


Das FG Neustadt hat als bundesweit erstes Finanzgericht entschieden, dass der für Krankenversicherungsbeiträge vorzunehmende Sonderausgabenabzug nicht um Zahlungen zu kürzen ist, die von den Krankenkassen im Rahmen eines "Bonusprogramms" geleistet werden.
Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2012 Arbeitnehmerbeiträge der Klägerin zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (Basisabsicherung) als Sonderausgaben geltend (2.663 Euro). Im Einkommensteuerbescheid wurden diese Beiträge vom beklagten Finanzamt gekürzt, weil die Klägerin im Rahmen eines Bonusprogramms von ihrer Krankenkasse 150 Euro erhalten hatte. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein und machten geltend, bei der Zahlung handle es sich nicht um eine Beitragsrückerstattung. Es handle sich vielmehr um einen Zuschuss der Krankenkasse, weil die Klägerin an dem Bonusmodell "Vorsorge PLUS" teilgenommen habe. Danach erhalte derjenige, der bestimmte Vorsorgemaßnahmen (z.B. Krebsvorsorgeuntersuchung) durchgeführt habe, am Jahresende einen Zuschuss der Krankenkasse von bis zu 150 Euro jährlich zu seinen Kosten für Gesundheitsmaßnahmen, die privat zu zahlen und nicht im Versicherungsumfang enthalten seien (z.B. Massagen, homöopathische Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel, Gesundheitsreisen, Eigenleistungen zur Gesundheitsvorsorge wie z.B. Fitness-Studio oder Sportverein).
Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20.02.2014 als unbegründet zurück.
Das FG Neustadt hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben.
Nach Auffassung des Finanzgerichts sind die Krankenversicherungsbeiträge der Klägerin zur Basisabsicherung in voller Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig und dürfen nicht um den von der Krankenkasse gezahlten Bonus gekürzt werden. Nach der seit Januar 2010 geltenden Neuregelung zur Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen seien die Beiträge zur privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung für eine Absicherung auf sozialhilfegleichem Versorgungsniveau (Basisabsicherung) in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar. Zwar dürften nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sei. Eine Verrechnung von Krankenversicherungsbeiträgen mit Erstattungen oder Zuschüssen setze allerdings deren "Gleichartigkeit" voraus. Eine solche "Gleichartigkeit" bestehe zwischen den Krankenversicherungsbeiträgen der Klägerin und der Bonuszahlung der Krankenkasse nicht. Die Krankenversicherungsbeiträge dienten der Absicherung des Risikos, Kosten im Krankheitsfall selbst tragen zu müssen, allerdings nur in Bezug auf solche Kosten, die die Basisversorgung betreffen würden, weil nur diese versichert sei. Mit diesem (begrenzten) Versicherungsschutz stehe die Bonuszahlung nicht im Zusammenhang. Da nämlich alle Versicherungsmitglieder – ob sie nun an dem Bonusmodell teilnehmen würden oder nicht – Anspruch auf sämtliche Versicherungsleistungen (zur Basisversorgung) hätten, sei der Versicherungsschutz (Basisabsicherung) unabhängig von der Teilnahme am Bonusprogramm gegeben. Es fehle daher an der erforderlichen "Gleichartigkeit" zwischen der Bonuszahlung und den Beiträgen der Klägerin zu ihrer Basis-Krankenversicherung, weil die Bonuszahlung nicht der Erlangung des Versicherungsschutzes diene. Außerdem könnten die Bonuszahlungen der Krankenkasse auch deshalb nicht als Rückerstattung von Beiträgen zur Basis-Krankenversicherung qualifiziert werden, weil mit dieser Zahlung lediglich solche Krankheitskosten erstattet worden seien, die außerhalb des Versicherungsschutzes angefallen und daher von der Klägerin selbst zu tragen gewesen seien. Eine Gleichartigkeit von solchen Bonuszahlungen mit Sonderausgaben würde voraussetzen, dass der Versicherungsschutz auch die selbst getragenen Aufwendungen umfasst hätte. Dies sei hier nicht der Fall. Im Übrigen sei auch das Bundesministerium der Finanzen der Auffassung, dass Basis-Krankenversicherungsbeiträge nur durch Beitragsrückerstattungen bzw. Bonuszahlungen gemindert werden könnten, "soweit sie auf die Basis-Absicherung entfallen" würden. Da die Bonuszahlung im vorliegenden Fall allerdings keine Aufwendungen erstattet habe, die von der Basis-Absicherung umfasst würden, könnten die Bonuszahlungen die abziehbaren Basis-Krankenversicherungsbeiträge nicht mindern.
Das FG Neustadt hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil noch keine Entscheidung des BFH dazu vorliegt, ob der Sonderausgabenabzug für Beiträge eines Steuerpflichtigen zur Basis-Krankenversicherung um Bonuszahlungen der hier vorliegenden Art (Zahlung der Krankenkasse im Rahmen eines "Bonusprogramms") gekürzt werden darf.
Quelle: Pressemitteilung des FG Neustadt v. 22.06.2015


Gericht/Institution:Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Erscheinungsdatum:22.06.2015
Entscheidungsdatum:28.04.2015
Aktenzeichen:3 K 1387/14
Quelle: juris

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