Direkt zum Hauptbereich

Sanktionssystem beim ALG II auf dem Prüfstand



 
In einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 04.06.2018 waren die Experten der Ansicht, dass das Sanktionssystem beim Arbeitslosengeld II (ALG II) überarbeitet werden sollte.
Von diesem Minimalkonsens ausgehend, bewegten sich die Vorschläge jedoch von einer stärkeren Flexibilisierung des Systemes bis hin zu seiner kompletten Abschaffung. Die Kritik an den oft standardisierten Eingliederungsvereinbarungen zwischen Jobcenter und Arbeitslosen kam von fast allen Seiten, ebenso wie die Forderung nach einer besseren Vermittlungstätigkeit durch die Jobcenter. Gegenstand der Anhörung waren zwei Anträge der Fraktionen Die Linke (BT-Drs. 19/103 – PDF, 149 KB) und von Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 19/1711 – PDF, 142 KB). Beide Fraktionen fordern, Sanktionen im ALG-II-System und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe abzuschaffen und die Beratung der ALG-II-Beziehenden zu verbessern.
Grundsätzlich positiv bewerteten die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der Deutsche Landkreistag und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft das Sanktionssystem. So betonte Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerkes, das Prinzip des Förderns und Forderns habe noch immer Gültigkeit und Sanktionen seien unentbehrlich, um eine schnelle Integration der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Markus Mempel vom Landkreistag nannte sie ebenfalls ein "wichtiges Hilfsmittel", ohne das viele Leistungsberechtigte nicht erreicht würden. Eine vollkommene Abschaffung sei "schwierig", wenn man ein System aufrechterhalten wolle, das auf Pflichtverletzungen reagieren will, sagte Joachim Wolff vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Er verwies zugleich darauf, dass ein vereinfachtes Sanktionsrecht auch dadurch erreicht werden könne, dass man die verschärften Sonderregeln für unter 25-Jährige abschafft. Diesem Gedanken stimmte auch Markus Mempel zu. Er betonte darüber hinaus, dass die Jobcenter unbedingt mehr Kapazitäten bräuchten, um sich auf ihre Vermittlungsaufgabe zu konzentrieren. Jan Dannenbring kritisierte, dass es nicht sein könne, dass Leistungsbescheide mit bis zu 100 Seiten verschickt würden. Die Vermittler müssten dringend von bürokratischen Lasten befreit werden, forderte er.
Deutliche Kritik an den Sanktionen kam dagegen u.a. vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und vom Deutschen Caritasverband. Eine bessere Beratungspraxis würde das Sanktionssystem sogar überflüssig machen, prognostizierte deren Vertreterin Birgit Fix. Derzeit würden die Eingliederungsvereinbarungen häufig mit standardisiertem Muster verschickt. Wichtig sei aber, dass diese wirklich "gemeinsam vereinbart" werde. Doch dafür reichten die Kapazitäten der Jobcenter derzeit nicht aus, so Fix. Martin Künkler vom DGB kritisierte: "Die Eingliederungsvereinbarungen werden den Leistungsempfängern oft einseitig aufoktroyiert. Nötig ist aber eine Vereinbarung auf Augenhöhe." Rahel Schwarz betonte für den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, dass gesonderte Regeln für unter 25-Jährige gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen und nicht zu deren besseren Integration in den Arbeitsmarkt beitragen. Das Gegenteil sei der Fall, viele Jugendliche würden dadurch den Kontakt zum Jobcenter komplett verweigern. Für den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband bezeichnete Tina Hofmann die Sanktionen als "unverhältnismäßiges Regelwerk". Es gebe bessere Alternativen, um eine Kooperation zu erreichen, betonte sie ebenso wie Expertin Birgit Fix.
Quelle: hib - heute im bundestag Nr. 365 v. 04.06.2018 - juris

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist