Dienstag, 5. November 2013

Bedrohungen über Facebook rechtfertigen Anordnungen nach GewSchG

Das OLG Hamm hat entschieden, dass mittels Facebook übermittelte Drohungen ein Verbot der Kontaktaufnahme und Näherung nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) rechtfertigen können.

Die Antragsteller, eine Mutter und ihr 7-jähriger Sohn, leben in Gladbeck. Mit der Antragsgegnerin aus Oberhaching sind sie bekannt. Weil die Antragsgegnerin annahm, von einem Bruder der Antragstellerin betrogen worden zu sein, bezeichnete sie die Antragstellerin im Dezember 2011 über Facebook als "Mongotochter" und ihren Sohn als "dreckigen" Jungen. Dabei kündigte sie an, den Jungen bzw. ein Mitglied der Familie der Antragstellerin "kalt zu machen", den Antragstellern "aufzulauern" und dem Jungen "einen Stein an den Kopf zu werfen".
Aufgrund dieser Facebook-Einträge hatte AG – Familiengericht – Gladbeck der Antragsgegnerin verboten, sich der Wohnung der Antragsteller näher als 100 m zu nähern, sich der Antragstellerin und ihrem Sohn näher als 30 m zu nähern und mit den Antragstellern Kontakt aufzunehmen, insbesondere über E-Mail oder Facebook.
Das OLG Hamm hat auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hin die Anordnungen des Familiengerichts bestätigt und sie aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bis zum November 2014 befristet.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sind die von der Antragsgegnerin unter ihrem Facebook-Profil an die Antragstellerin übermittelten Nachrichten rechtswidrige Drohungen. Sie kündigten eine Verletzung des Lebens des Antragstellers in der Weise an, dass die Antragsgegnerin auf den Eintritt der Rechtsgutverletzung Einfluss zu haben vorgebe. Die Antragsteller hätten die angekündigte Rechtsgutverletzung ernst genommen. Die Drohungen seien rechtswidrig, eine von einem Dritten gegen die Antragsgegnerin verübte Straftat legalisiere sie nicht. Die Drohungen rechtfertigten das nach § 1 GewSchG ausgesprochene Näherungs- und Kontaktverbot, das notwendig sei, um die angekündigten Rechtsgutverletzungen zu verhindern. Die Anordnungen seien zu befristen, nachdem nicht feststellbar sei, dass die Antragsgegnerin nach Dezember 2011 noch Drohungen ausgestoßen habe.
Der Beschluss ist rechtskräftig.

Gericht/Institution:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:04.11.2013
Entscheidungsdatum:23.04.2013
Aktenzeichen:2 UF 254/12
Quelle: juris

Kein Kostenvorschuss mehr bei Streit ums Kindergeld


Das FG Saarbrücken fordert seit dem 01.08.2013 für Klagen in Kindergeldangelegenheiten keinen "Gebührenvorschuss" mehr.

Diejenigen, die vor dem Finanzgericht klagen, müssen normaler Weise hierfür einen Vorschuss zahlen. Dieser beträgt seit 01.08.2013 284 Euro. Eine gesetzliche Neuregelung hatte die Frage aufkommen lassen, ob dies künftig auch weiterhin in Kindergeldangelegenheiten gelten sollte.
Das FG Saarbrücken will aufgrund der unklaren gesetzlichen Ausgangslage für Klagen in Kindergeldangelegenheiten seit dem 01.08.2013 keinen "Gebührenvorschuss" mehr anfordern. Damit können Kindergeldberechtigte, die gegen eine aus ihrer Sicht unzutreffende Versagung von Kindergeld durch die Familienkasse klagen wollen, im Saarland ohne eine Gebührenvorauszahlung zu ihrem Recht kommen.
In allen anderen Steuerstreitigkeiten verbleibt es jedoch dabei, dass bei Klageeinreichung ein Gebührenvorschuss in der eingangs genannten Höhe angefordert wird.

Gericht/Institution:FG Saarbrücken
Erscheinungsdatum:13.09.2013
Quelle: juris

Sonntag, 3. November 2013

Gesellschaft muss arme Kinder mehr fördern


Der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge hat eine verstärkte Förderung für arme Kinder in Deutschland gefordert.

Dortmund/Köln. 
1,62 Millionen Kinder unter 15 Jahren lebten auf Sozialhilfe-Niveau in sogenannten Hartz-IV-Haushalten, sagte der Armutsforscher der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Bei etwa 10,5 Millionen Kindern insgesamt in dieser Altersgruppe sei das eine erschreckend hohe Zahl.

Unsere Gesellschaft hat Verpflichtungen

«Wenn eine Gesellschaft so reich ist wie unsere, hat sie die Verpflichtung, allen ihren Mitgliedern, besonders den jüngsten, optimale Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Dazu gehören materielle Ressourcen, die nicht zuletzt nötig sind, um kulturelle Angebote nutzen zu können», sagte Butterwegge.
Arm zu sein bedeute mehr als nur wenig Geld zu haben. Armut bedeute für Kinder und Jugendliche, nicht teilzuhaben am gesellschaftlichen Leben, nicht an Sport- und Kulturveranstaltungen teilnehmen zu können und die Freizeitaktivitäten einschränken zu müssen. Butterwegge verlangte eine bessere finanzielle Ausstattung der Familien und eine Verstärkung von kulturellen Angeboten, etwa Vorlesen für Kinder.
Artikel vom 02.11.2013, 14:19 Uhr (letzte Änderung 02.11.2013, 17:43 Uhr) 
Quelle: 

Freitag, 1. November 2013

Jeder dritte Hartz IV Empfänger psychisch krank

Schlagzeilen macht zur Zeit eine Studie des IAB : 

Jeder dritte  ALG II-Empfänger ist psychisch krank, 20 % nehmen Psychopharmaka, das sind mehr als doppelt soviel wie bei den Berufstätigen.

Die Jobcenter sind überfordert: es fehlen die Grundlagen, um die Situation der erkrankten Menschen überhaupt wahrzunehmen. Hilfe und Unterstützung werden durch die Fallmanager nicht geleistet: Die kommunalen Eingliederungsleistungen in § 16 a SGB II sehen zwar eine psychosoziale Betreuung, Sucht- und Schuldnerberatung vor, aber nur dann, wenn dadurch eine Eingliederung in Arbeit erfolgt und auch nur für Erwerbsfähige. 
Die Realität sieht anders aus: Die Chance auf einen Arbeitsplatz für einen psychisch erkrankten Hartz IV Empfänger ist denkbar schlecht. Oft ist er gar nicht mehr dauerhaft zur Arbeit fähig. Reha-Maßnahmen und Therapien nach den neusten medizinischen Erkenntnissen werden zu selten wahrgenommen. Schleichende Verschlimmerung und das Gleiten in die vorzeitige Rente wegen voller Erwerbsminderung sind die Folge.
BA und Jobcenter sind jetzt gefordert. 

"Der Forschungsbericht beruht auf einer explorativen Studie, die die Universität Halle und die Aktion Psychisch Kranke e.V. in Bonn für das IAB durchgeführt haben. Literaturstudien und die Sekundärauswertung von Krankenkassendaten zeigen ein hohes Vorkommen von psychiatrischen Diagnosen bei Alg-II-Beziehern. Expertengespräche an fünf Standorten offenbaren unterschiedliche Standards der Betreuung dieses Personenkreises und unterschiedliche Formen der Kooperation zwischen Jobcentern und den jeweiligen Unterstützungsangeboten für psychisch Kranke. Standardangebote im SGB II sind kaum in der Lage, den besonderen Anforderungen des Personenkreises an längerfristiger, verlässlicher und individueller Unterstützung gerecht zu werden." (Autorenreferat, IAB-Doku)


Vera Munz, Rechtsanwältin im Sozialrechtsexpertenteam 

Neue Begutachtungsrichtlinie des GKV-SV in Kraft getreten

Die neue Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit ist Anfang August seitens des BMG genehmigt worden und nachträglich zum 16.04.2013 in Kraft getreten.

Die neue Richtlinie beinhaltet deutliche Verbesserungen und stärkt die Rechte der betroffenen Antragsteller: 
Ihm muss neben dem Datum der Pflegebegutachtung die Dauer (max. 2 Stunden), der Name des Gutachters sowie Grund und Art der Begutachtung beaknntgegeben werden. Zudem "wird der Antragsteller gleichzeitig gebeten, eventuell vorhandene Berichte von betreuenden Diensten, Pflegetagebücher, ärztliche Unterlagen, derzeitige Medikamente sowie Gutachten und Bescheide anderer Sozialleistungsträger– soweit sie für die Begutachtung erforderlich sind – bereitzulegen.“

Der Antragstellers hat ein Recht auf barrierefreie Kommunikation.
Nur in Ausnahmefällen und bei begründeten Zweifeln hat sich der Antragsteller mit einem Identifikationsausweis auszuweisen. "Ausnahmefälle und begründete Zweifel müssen im Formulargutachten hinreichend erläutert werden. Mit Einverständnis des Antragstellers sollen auch pflegende Angehörige, Lebenspartner oder sonstige Personen oder Dienste, die an der Pflege des Antragstellers beteiligt sind, befragt werden. Ein fehlender Identifikationsnachweis führt jedoch nicht zum Abbruch des Begutachtungsverfahrens. Sofern die Begutachtung wegen Verständigungsschwierigkeiten abgebrochen werden muss, wird ein neuer zeitnaher Begutachtungstermin vereinbart.“ 

Eine ganz wesentliche Verbesserung ist die Aufklärungspflicht des Gutachters gegenüber dem Antragsteller, dessen Angehörige und Lebenspartner, dass ein Anspruch auf Übermittlung des MDK-Gutachtens besteht. Der Gutachter ist nun verpflichtet der Pflegekasse mitzuteilen, ob der Versicherte die Zusendung des Gutachtens wünscht.
 Die Richtlinie ist auf der Homepage des  GKV-Spitzenverband  .

V. Munz, Rechtsanwältin im Sozialrechtsexpertenteam

Pflege : Unterstützung für Angehörige

Die Pflegekassen bieten pflegenden Angehörigen zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten bei der Pflege zu Hause:
Mehr als zwei Drittel der pflegebedürftigen Personen werden von ihren Angehörigen zu Hause betreut. Da heißt es die oft zeitintensive Pflege mit der Familie und dem Beruf zu vereinbaren. Die Belastung ist hoch und nur wenige nehmen sich Zeit um ihre Kräfte aufzutanken. So gerät auch der pflegende Angehörige in eine Belastung, der pflegebedürftige Mensch und seine Angehörigen leiden.
Die Pflegekassen bieten als Unterstützung der pflegenden Angehörigen Entlastung durch unterschiedliche Leistungen:
  • Tagespflege:
Sie ist für berufstätige Angehörige eine Hilfe. Die Betreuung übernimmt am Tage eine Einrichtung mit therapeutischen Angeboten. Sie holt den Pflegebedürftigen ab und bringt ihn am Abend wieder nach Hause. So verbringt der Pflegebedürftige die Nacht in seiner vertrauten Umgebung und nimmt am gemeinsamen Frühstück im Kreis der Familie teil. Tagsüberhat er einen eigenen geschützten Bereich. Die Leistungen werden von den Pflegekassen, Ländern und Kommunen gefördert.
  • Nachtpflege:
Für besonders nachtaktive Pflegebedürftige kommt eher die Nachtpflege in Betracht. Sie gewährleistet die ununterbrochene Betreuung während der nachtzeit durch eine Pflegeperson. Die Angehörigen können beruhigt schlafen und sich für den kommenden Tag erholen. Die Leistungen werden von den Pflegekassen, Ländern und Kommunen gefördert.
  • Verhinderungspflege:
Sind Angehörige durch Urlaub, Krankheit oder andere zB. berufliche Verpflichtungen verhindert,  stellt die Pflegekasse für 4 Wochen eine professionelle Pflegekraft oder eine Pflegeperson bis zu 1.550 EUR pro Jahr zurVerfügung.
  • Kurzzeitpflege:
Der Pflegebedürftige kann im Wege der Kurzzeitpflege für ebenfalls maximal vier Wochen in einem Pflegeheim betreut werden. Die Pflegekassen zahlen bis zu 1.550 EUR pro Jahr.


V. Munz, Rechtsanwältin im Sozialrechtsexpertenteam

AOK gewährt Abtretung des Anspruchs auf einen Wohngruppenzuschlag an Pflegeanbieter

Pflegebedürftige einer ambulant betreuten Wohngruppe können nach § 38a SGB XI seit dem 30.10.2012 zur Finanzierung einer den ambulanten Pflegedienst ergänzenden Präsenzkraft, einen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 200? bei der Pflegeversicherung beantragen.

Dieser Zuschlag ist zweckgebunden an die Organisation sowie zur Sicherstellung der Pflege in der Wohngemeinschaft und wird zusätzlich zu den Pflegeleistungen bzw. zum Pflegegeld gewährt.
Derzeit zahlen die Pflegekassen den Zuschlag an die Pflegebedürftigen direkt, obwohl die Betreuungskraft nicht von diesen selber finanziert, sondern vom Pflegedienst gestellt wird. Der Transfer des Geldes von der Pflegekasse über die Pflegebedürftigen zum Pflegedienst bedeutet bürokratischen Aufwand. Dieser könnte umgangen werden, wenn die Pflegebedürftigen ihre Forderung gegenüber der Pflegeversicherung an den Pflegedienst abtreten könnten. Diese Abtretung hielten die Pflegeversicherungen bisher jedoch für unwirksam und zahlten daher weiter an die Pflegebedürftigen aus.
Nun akzeptiert mit der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland die erste Pflegekasse die Abtretung und sagte zu, ihre Kundencenter über das geänderte Verfahren zu informieren. Es bleibt zu hoffen, dass sich weitere Kassen der AOK anschließen, um allen Beteiligten ein einheitliches Verfahren und Teilhabe an der geminderten Bürokratie zu ermöglichen.

Kostenübernahme von Medizinal-Cannabis nur bei "Mindestevidenz"

Das SG Nürnberg hat entschieden, dass ein Patient nicht allein deswegen einen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis ha...