Freitag, 18. Oktober 2013

Auch Umschüler haben einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis

Wird eine Umschulung auf der Grundlage eines Berufsbildungsvertrags durchgeführt, hat der Umschüler einen Zeugnisanspruch aus § 630 BGB.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass es sich bei einem Umschulungsverhältnis um ein Dienstverhältnis i. S. d. § 611 BGB handelt und die Vorschrift des § 630 BGB (Zeugnisanspruch) ist auf solche Dienstnehmer anwendbar, die einem Arbeitnehmer vergleichbar beschäftigt werden und deswegen auf eine Beurteilung ihrer Tätigkeit angewiesen sind. Dies ist bei einem Umschüler der Fall, denn auch der Umschüler unterliegt den Weisungen seines Dienstherrn.
Die Möglichkeit, ein Zeugnis über das Umschulungsverhältnis, dessen Dauer und ggf. über das Verhalten und die Leistung des Umschülers im Umschulungsverhältnis vorzulegen, ist in einer Bewerbungssituation von wesentlicher Bedeutung (BAG, Urteil vom 12.2.2013, 3 AZR 120/11).
Quelle: BAG

Der Zeugnisanspruch:
Arbeitsrecht: Nach § 109 Gewerbeordnung ist dem Beschäftigten bei Ende des Arbeitsverhältnisses ein Endzeugnis auszustellen, das auf sein Verlangen hin sich auch auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis bezieht, sog. qualifiziertes Zeugnis.
Auszubildende erhalten nach § 16 Berufsbildungsgesetz ein Zeugnis. Ihm ist nach der Ausbildung auch ein Zeugnis über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung, die erworbenen beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse, auf sein Verlangen zudem auch über Verhalten und Leistung während der Ausbildung auszustellen.
Mitarbeiter, die keine Arbeitnehmer sind, aber Dienstleistungen erbracht haben, erhalten ein Zeugnis gem. § 630 Bürgerliches Gesetzbuch.

Die Regelungen in den unterschiedlichen Gesetzen haben weitestgehend den gleichen Inhalt. Deshalb sind die Entscheidungen der Arbeitsgerichte auf alle Arten von Arbeitszeugnissen anzuwenden.

V. Munz, Rechtsanwältin im Sozialrechtsexpertenteam

Donnerstag, 17. Oktober 2013

"Hartz-IV" auch für EU-Bürger


Das LSG München hat entschieden, dass der Ausschluss von Hartz-IV-Leistungen für Arbeit suchende EU-Bürger europarechtswidrig ist.

Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben im Wesentlichen alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die sich berechtigt in Deutschland aufhalten. Die Staatsangehörigkeit spielt dabei keine Rolle. Um zu vermeiden, dass ausländische Staatsbürger nach Deutschland einreisen, nur um hier Leistungen als Arbeitssuchende nach dem SGB II zu erhalten, enthält § 7 SGB II für diese Fälle einen Anspruchsausschluss. Bürger der Europäischen Union genießen Freizügigkeit und haben ein Recht auf Gleichbehandlung in allen Staaten der Union. Wie lassen sich diese Grundsätze mit dem genannten Leistungsausschluss in Einklang bringen? Dazu war in der Vergangenheit keine einheitliche Rechtsprechung ergangen.
Ein italienischer Staatsbürger hatte vor Jahren in Deutschland gearbeitet, war 2003 in seine Heimat zurückgekehrt und hatte dort bei seiner Schwester gelebt. Anfang 2011 kehrte er nach Deutschland zurück und beantragte Hartz-IV. Zunächst erhielt er diese Leistung. Als jedoch umfangreiche Krankenbehandlungen anfielen, wurde ihm die weitere Leistung versagt unter Berufung auf den Leistungsausschluss des § 7 SGB II.
Nach erfolglosem Widerspruchs- und Klageverfahren verurteilte das LSG München den beklagten Leistungsträger zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Kläger sei nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Ausschlussgrund sei nicht von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38 EG gedeckt.
Weil in vergleichbaren Fällen andere Landessozialgerichte gegenteilig entschieden hatten, hat das LSG München – um eine einheitliche Rechtspraxis herzustellen – die Revision zum BSG zugelassen (Revision anhängig, Az: B 14 AS 51/13).


Gericht/Institution:Bayerisches Landessozialgericht
Erscheinungsdatum:11.10.2013
Entscheidungsdatum:19.06.2013
Aktenzeichen:L 16 AS 847/12
Quelle: juris

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Zuständigkeit der Sozialleistungsträger bei Beschäftigung

Die Zuständigkeit für die einzelnen Sozialleistungen ist nicht immer einfach zu bestimmen. Da gibt es die Arbeitsagentur und das Jobcenter, die Kranken- und Pflegekassen, die Rentenversicherung und auch noch eine gesetzliche Unfallversicherung. Sie alle sind sog. Träger der Sozialversicherung. Wer ist für sie zuständig und kann ihnen Auskunft geben?

Grundsätzlich kann und muss jede Behörde allgemeine Auskünfte erteilen. Und zwar auch dann, wenn er eigentlich gar nciht für diese Frage zuständig ist. 
Wenn ihre Fragen komplizierter sind, wenden sie sich besser an die zuständige Sachbehörde. Sie kann ihnen verbindlich Auskunft erteilen. D.h. sie können sich auf diese Auskunft verlassen.

Erste Auskunftsstelle ist ihre Krankenkasse
Die Krankenkasse (Einzugsstelle) ist der zentrale Anlaufpunkt für sie, denn dort werden die Sozialversicherungsmeldungen für die Arbeitnehmer eingereicht und die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber eingezahlt. Dies gilt auch für Beschäftigte in der Gleitzone, Praktikanten, Werkstudenten. Nur bei geringfügigen Beschäftigungen nimmt die Minijobzentrale diese Aufgabe wahr. Die Krankenkassen geben Auskunft zum 
- Arbeitsentgelt
- Höhe der Gesamtsozialversicherungsbeiträgen 
- wer den Beitrag zahlen muss
- wer das Beschäftigungsverhältnis melden muss 
- ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt.

Ob Sie selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt sind, ist entscheidend für die Frage, wer die Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss: sie selbst oder teilweise ihr Arbeitgeber. Die Feststellung erfolgt durch die Krankenkasse oder die sog. Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund). Vorsicht : nur die Clearingstelle entscheidet mit bindender Wirkung auch für die Bundesagentur für Arbeit (BA). D.h. wollen sie irgendwann einmal Arbeitslosengeld o.ä. beziehen, ist das Arbeitsamt an die Entscheidung gebunden. 
Sie können die Entscheidung im sog. Statusfeststellungsverfahren jederzeit bei der DRV Bund beantragen. Es wird automatisch bei Beschäftigungsverhältnissen zwischen Eheleuten, Lebenspartnern, mit Kindern und geschäftsführenden Gesellschaftern einer GmbH eingeleitet.

Befreiung von der Rentenversicherungspflicht  
  
Wenn sie in einem sog. Kammerberuf - also Ärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Architekten u.a.- beschäftigt und in einem berufsständischen Versorgungswerk Mitglied sind, können sie sich auf Antrag von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Den Befreiungsantrag müssen sie bei der Deutschen Rentenversicherung Bund stellen. Das Bundessozialgericht hat erst kürzlich entschieden, dass der Antrag auch bei einem Wechsel der Beschäftigung ssogar bei demselben Arbeitgeber gestellt werden muss. 

Wenn sie geringfügig beschäftigt sind, sind sie seit dem 01.01.2013 Minijobber grundsätzlich versicherungspflichtig in der Rentenversicherung. Sie können sich mit schriftlichem Antrag bei ihrem Arbeitgeber befreien lassen. Einzelheiten erfahren sie bei der Minijobzentrale.

Möchten sie gezahlte Beiträge zurückerhalten, wenden sie sich an die Stelle, an die sie gezahlt haben. In der Regel ist das die Krankenkasse als Einzugsstelle. Sie leitet den Erstattungsantrag dann für die Rentenversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger oder für die Arbeitslosenversicherungsbeiträge an die Agentur für Arbeit weiter.

Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung werden vom Arbeitgeber unmittelbar an die zuständige Unfallkasse gezahlt. In den Meldungen an die Krankenkasse sind die Daten zur Unfallversicherung enthalten. Fragen hierzu beantwortet die Krankenkasse. Ansonsten wenden sie sich an die Unfallkasse, zB hinsichtlich des Gefahrtarifs.
 
Die Betriebsprüfungen werden von der Rentenversicherung durchgeführt. Der Betriebsprüfbescheid wird von ihr erlassen. Muss der Arbeitgeber zB nach einer Betriebsprüfung Beiträge nachzahlen, so kann er den Antrag auf Aussetzung der Vollziehungdirekt an den zuständigen Betriebsprüfdienst der Rentenversicherung stellen. Die Krankenkassen als Einzugsstellen sind überwachen nur den Zahlungseingang und die Nachmeldungen.

 V. Munz, Rechtsanwältin im Sozialrechtsexpertenteam

Montag, 14. Oktober 2013

Scheidung nach Alzheimererkrankung


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein an einer Demenz vom Typ Alzheimer Erkrankter geschieden werden kann, wenn die Eheleute seit mehr als einem Jahr getrennt leben, der Erkrankte im Zusammenhang mit der Trennung einen natürlichen Willen zur Scheidung und Trennung gefasst hat und er die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft abgelehnt hat.

Der an einer Demenz vom Typ Alzheimer erkrankte, über 60 Jahre alte Antragsteller heiratete die ca. 20 Jahre jüngere Antragsgegnerin im Frühjahr des Jahres 2011. Ende des Jahres kam es nach rund achtmonatigem ehelichen Zusammenleben zur Trennung der Eheleute. Die in der Folgezeit für den Antragsteller bestellte Betreuerin reichte im Jahre 2012 einen Scheidungsantrag ein, dem die Antragsgegnerin mit der Begründung, dass der Antragsteller an der Ehe festhalten wolle, entgegengetreten ist.
Das zuständige Amtsgericht hatte die Scheidung ausgesprochen.
Das OLG Hamm hat die vom Familiengericht ausgesprochene Scheidung bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Ehe gescheitert. Die Scheidung sei von dem durch seine Betreuerin vertretenen Antragsteller wirksam beantragt, der Antrag durch das zuständige Betreuungsgericht genehmigt worden. Aus Sicht des Antragstellers sei die Ehe zerrüttet, eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten. Nachdem die Eheleute länger als ein Jahr getrennt lebten, lägen die gesetzlichen Scheidungsvoraussetzungen vor, auch wenn die Antragsgegnerin an der Ehe festhalten wolle. Dass sich der Antragsteller mit einer Trennungs- und Scheidungsabsicht von der Antragsgegnerin getrennt habe, habe die vom Familiengericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Bei einer im Frühjahr 2012 im Rahmen seines Betreuungsverfahren durchgeführten richterlichen Anhörung habe der Antragsteller seinen Willen zur Trennung und Scheidung klar geäußert und zu diesem Zeitpunkt trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch wirksam äußern können. Das habe eine fachärztliche Stellungnahme bestätigt. Im Zeitpunkt seiner Anhörung im familiengerichtlichen Verfahren sei die Erkrankung zwar schon so weit fortgeschritten, dass der Antragsteller die Bedeutung der Ehe und die einer Scheidung nicht mehr habe erfassen können. Das verbiete jedoch nicht die Scheidung, nachdem sich der Antragsteller aufgrund des Fortschritts seiner Erkrankung bereits in einem Zustand äußerster Eheferne befinde und sein zuvor gefasster Scheidungswille sicher feststellbar sei.

Gericht/Institution:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:14.10.2013
Entscheidungsdatum:16.08.2013
Aktenzeichen:3 UF 43/13
Quelle: juris

Mehrbedarf bei Hartz IV durch krankhaftes Untergewicht

  
SG Gießen hat entschieden, dass eine Erkrankung, die aus medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung erfordert, auch eine Unterernährung einen mehrbedfarf für Ernährung begründet.
Danach besteht bei dem Kläger eine pulmonale Kachexie, aus der sich das Erfordernis ergibt, hochkalorische Kost zu sich zu nehmen. Der Kläger ist auch als untergewichtig anzusehen. Bei einer Körpergröße von 184 cm wiegt er noch 55 kg. Dies stellt eine Krankheit dar. Dem – lediglich aus einem Satz bestehenden – Gutachten vom 28.07.2009 misst das erkennende Gericht dem gegenüber keine entscheidende Bedeutung zu. Die Feststellungen des Dr. X.. aus dem Jahr 2009 dürften durch die neueren Feststellungen des Pflegegutachtens vom Mai 2011 überholt sein.
Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass der Kläger die von ihm geltend gemachte Ernährung benötigt, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Dies verdeutlicht auch ein Blick auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostenzulagen in der Sozialhilfe (Stand 01.10.2008). Hier heißt es auf Seite 12:
"Bei verzehrenden (konsumierenden) Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen, wie zum Beispiel fortschreitendem/fortgeschrittenem Krebsleiden, HIV/Aids, multiple Sklerose (degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems) sowie schweren Verläufen entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus crohn und Colitis ulcerosa, kann im Einzelfall ein erhöhter Ernährungsbedarf vorliegen. Gleiches gilt für andere Erkrankungen, die mit einer gestörten Nährstoffaufnahme oder Nährstoffverwertung – Malabsorption/Maldigestion – einhergehen. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Mehrbedarf besteht, ist im Einzelfall auf der Grundlage des Krankheitsverlaufs und des körperlichen Zustands der leistungsberechtigten Person zu beurteilen. Bei den beispielhaft genannten Erkrankungen ist Vollkost ebenfalls die allgemein empfohlene Ernährungsform. Ein krankheitsbedingter Mehrbedarf ist regelmäßig nur bei schweren Verläufen zu bejahen oder wenn besondere Umstände vorliegen, zum Beispiel gestörte Nährstoffaufnahme. Wenn (1) der BMI unter 18,5 liegt und das Untergewicht Folge der Erkrankung ist und/oder (2) ein schneller krankheitsbedingter Gewichtsverlust (über 5 % des Ausgangsgewichts in den vorausgegangenen 3 Monaten; nicht bei willkürlicher Abnahme bei Übergewicht zu verzeichnen ist, kann regelmäßig von einem erhöhten Ernährungsbedarf ausgegangen werden."
Beim Kläger liegt erkennbar eine solche oder vergleichbare Situation vor. Wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.07.2013 überzeugend dargelegt hat, ist die Ursache für die Untergewichtigkeit (noch nicht) erkennbar. Dies ist auch unschädlich, weil bei den Empfehlungen des DV es sich lediglich um eine beispielhafte, nicht eine endgültige Aufzählung handelt. Des Weiteren liegt der BMI des Klägers aktuell bei 16,2 und somit unter 18,5. Das Gericht geht auch davon aus, dass das Untergewicht Folge der Erkrankung ist. Des Weiteren liegt ein schneller, krankheitsbedingter Gewichtsverlust vor. Aus dem Pflegegutachten geht hervor, dass ein Gewichtsverlust von 5 Kilo seit der letzten Begutachtung am 31.01.2011 zu verzeichnen war. Dies bedeutet, dass der Kläger 60 Kilo wog und 5 Kilogramm innerhalb von 4 Monaten abgenommen hat. Bereits 3 Kilogramm Gewichtsverlust würden einen Verlust von über 5 % des Ausgangsgewichts bedeuten. Insgesamt sieht das Gericht damit die gesetzlichen Voraussetzungen als erfüllt an.

Quelle:  http://openjur.de/u/645978.html

Samstag, 12. Oktober 2013

Frau erstreitet Versicherungspflicht wegen umfangreicher Pflege ihrer Mutter

Wer einen Pflegebedürftigen mit Anspruch auf Pflegeversicherungsleistungen in seiner häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegt, ist rentenversicherungspflichtig. Die Beiträge zahlt die Pflegeversicherung. 

Voraussetzung ist allerdings ein Pflegeumfang von wenigstens 14 Wochenstunden. Hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) den erforderlichen Umfang der häuslichen Pflege nicht im Einzelfall festgestellt, ist auf die schlüssigen und glaubhaft gemachten Angaben der Pflegeperson oder des Pflegebedürftigen abzustellen. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Pflegende Frau beantragt Rentenversicherungspflicht

Eine Frau aus dem Main-Kinzig-Kreis pflegte ihre mittlerweile verstorbene Schwiegermutter, die Pflegegeld nach Pflegestufe I bezog. Sie beantragte die Prüfung ihrer Rentenversicherungspflicht und die Zahlung von Versicherungsbeiträgen durch die Pflegekasse. Die Rentenversicherung lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass der wöchentliche Pflegeaufwand unter 14 Stunden liege. Die 62-jährige Frau hingegen berief sich darauf, dass der MDK keine individuellen Feststellungen getroffen habe, um den konkreten tatsächlichen Pflegeaufwand zu ermitteln. Zum Beleg, dass dieser Aufwand über 14 Stunden liege, legte sie ein Pflegetagebuch sowie eine Aufstellung über die hauswirtschaftliche Versorgung vor.

Hilfebedarf ist individuell zu ermitteln

Die Darmstädter Richter gaben der Frau Recht und bejahten die Rentenversicherungspflicht. Nach den Begutachtungsrichtlinien seien der tatsächlich anfallende individuelle Hilfebedarf zu bewerten und der Zeitaufwand in Stunden abzuschätzen. Dennoch habe der MDK keine eigenen Feststellungen zur tatsächlichen Hilfeleistung im Rahmen des medizinisch und pflegerisch Notwendigen getroffen. Stattdessen habe er nicht maßgebliche Pauschalen herangezogen. Daher seien die Angaben der klagenden Frau – soweit schlüssig - heranzuziehen. Neben dem unstreitigen Grundpflegebedarf von täglich 51 Minuten seien danach mindestens 1 Stunde und 16 Minuten täglich für die Hauswirtschaft nötig gewesen. Damit habe der Pflegebedarf von mehr als 14 Stunden wöchentlich vorgelegen.


(AZ L 1 KR 72/11 – Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil wird unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt.)

Quelle: Hessisches Landessozialgericht Pressemitteilung vom 08.10.2013 L-1-KR-72/11

Hinweise zur Rechtslage
§ 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)
Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, (…)
1a) in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 des Elften Buches nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat; dies gilt auch, wenn die Mindeststundenzahl nur durch die Pflege mehrerer Pflegebedürftiger erreicht wird, (…). Nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, die daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig sind, sind nicht nach Satz 1 Nr. 1a versicherungspflichtig.

§ 14 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)
(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (…) der Hilfe bedürfen.

(4) Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen (…) sind:
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung,
2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,
3. im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung,
4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.

§ 44 SGB XI
(1) Zur Verbesserung der sozialen Sicherung der Pflegepersonen (…) entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pflichtversicherung durchgeführt wird, (…) Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als dreißig Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. (…) Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung stellt im Einzelfall fest, ob und in welchem zeitlichen Umfang häusliche Pflege durch eine Pflegeperson erforderlich ist, und erfragt in den Fällen, in denen die Pflege des Pflegebedürftigen die Dauer von 14 Stunden unterschreitet, ob die Pflegeperson weitere Pflegebedürftige pflegt. Der Pflegebedürftige oder die Pflegeperson haben darzulegen und auf Verlangen glaubhaft zu machen, dass Pflegeleistungen in diesem zeitlichen Umfang auch tatsächlich erbracht werden.



Freitag, 11. Oktober 2013

Hartz IV-Erhöhung gebilligt


Der Bundesrat hat am 11.10.2013 der Erhöhung der Regelsätze für die rund 6,1 Mio. Empfänger von Hartz IV-Leistungen zugestimmt.

Vorgesehen ist ein Anstieg um 2,27%. Alleinstehende erhalten somit ab Januar 2014 einen Betrag von 391 Euro und damit neun Euro mehr als bisher. Nach einer Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2010 (BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) sind die Regelsätze an die Entwicklung von Preisen und Nettolöhnen gekoppelt.

Weitere Informationen
PDF-Dokument Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach §28a SGB XII maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu §28 SGB XII für das Jahr 2014 - Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2014, RBSFV 2014 (BR-Drs. 673/13) (PDF, 569 KB)
 Quelle: juris

Kostenübernahme von Medizinal-Cannabis nur bei "Mindestevidenz"

Das SG Nürnberg hat entschieden, dass ein Patient nicht allein deswegen einen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis ha...