So die Rechtsauffassung des Sozialgericht Aachen, Urteil vom 13.12.2011, - S 20 SO 79/11 - ,Berufung zugelassen .
Nach der Anlage zu § 28 SGB XII und § 8 Abs. 1 RBEG gilt die Regelbedarfsstufe 3 für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt. Dies trifft auf den im entscheidungserheblichen Zeitraum 19jährigen, mithin erwachsenen leistungsberechtigten Kläger zu; er führt keinen eigenen Haushalt, sondern lebt im Haushalt der Eltern. Die Höhe des Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe 3 beträgt 80 % des Regelbedarfes der Regelbedarfsstufe 1 (Eckregelsatz).
Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass dem Anteil von 80 % keine spezielle Sonderauswertung der EVS 2008 zugrunde liegt. Dies hat der Gesetzgeber ausdrücklich in der Begründung zu den Regelbedarfsstufen angemerkt (BT-Drucksache 17/3404, S. 130).
Er hat jedoch seine Erwägungen zur Regelbedarfsstufe 3 in der weiteren BT-Drucksache 17/4095 (S. 40, 41) ausführlich wie folgt dargelegt: "Zur Regelbedarfsstufe 3 Die Abgrenzung der Regelbedarfsstufe 3 wird dahingehend konkretisiert, dass sie für Erwachsene gilt, die keinen eigenen Haushalt führen, weil sie im Haushalt anderer Personen leben und. weder Ehegatte oder Lebenspartner anderer im Haushalt lebender erwachsener Personen sind. noch mit diesen in einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft leben. Demnach kann für diese Leistungsberechtigten weder Regelbedarfsstufe 1 noch Regelbedarfsstufe 2 gelten.
Der Unterschied zwischen Regelbedarfsstufe 3 und Regelbedarfsstufe 2 liegt darin, dass Regel- bedarfsstufe 2 nur für Paare gilt, bei denen von der gemeinsamen Tragung der anfallenden Ausgaben auszugehen ist. Konsequenz ist die Aufteilung der Regelbedarfe auf beide Partner zu gleichen Teilen. Mit Regelbedarfsstufe 3 sind hingegen Personenkonstellationen umfasst, in denen es keine gemeinsame Tragung von Ausgaben zu gleichen Teilen gibt. Deshalb wird der bisherige Regelsatzanteil von 80 Prozent für einen Haushaltsangehörigen mit der Regelbedarfsstufe 3 beibehalten.
Im Unterschied zum geltenden Recht gilt die sich daraus ergebende Regelbedarfsstufe 3 in Höhe von 80 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (ergibt 291 Euro) nur für Erwachsene, während der bisherige Regelsatzanteil von 80 Prozent nach § 3 Absatz 2 Regelsatzverordnung für Personen ab Vollendung des 14. Lebensjahres gilt.
Für Jugendliche zwischen 14 und bis unter 18 Jahren ergibt sich zukünftig jedoch die Regelbedarfsstufe 4 (nach der Bestandsschutzregelung in § 8 Absatz 2 Nummer 4 RBEG in der Fassung des Gesetzentwurfs: 287 Euro). Da die Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche aus den Kindern und Jugendlichen zuzurechnenden Verbrauchsausgaben von Familienhaushalten ermittelt werden, ist die Übertragung der Regelbedarfsstufe 4 auf erwachsene Haushaltsangehörige aus systematischen Gründen nicht möglich. Deshalb wird mit der Regelbedarfsstufe 3 eine eigene Regelbedarfsstufe eingeführt.
Dahinter steht folgende Konzeption:
Eine alleinstehende oder alleinerziehende erwachsene Person muss neben Ernährung und Kleidung auch alle für ihren Haushalt anfallenden Kosten allein finanzieren. Dem wird mit der Regelbedarfsstufe 1 Rechnung getragen, die dem Eckregelsatz im geltenden Recht entspricht.
Die Regelbedarfsstufe 1 beläuft sich nach dem Gesetzentwurf auf 364 Euro monatlich und ergibt sich aus den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte.
Ein Teil der für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Verbrauchsausgaben fällt in Haushalten mit mehreren erwachsenen Personen für jeden Erwachsenen unabhängig von deren Anzahl im Haushalt in gleicher Höhe an.
Dies gilt insbesondere für Ernährung und Kleidung. Dabei werden mangels statistischer Grundlagen mögliche Einspareffekte des gemeinsamen Einkaufs in Mehrpersonenhaushalten bei den genannten Bedarfen nicht berücksichtigt. Daneben gibt es aber Verbrauchsausgaben, die mit der Führung eines Haushalts verbunden sind und nur unterproportional von der Zahl der Personen, die in dem Haushalt leben, abhängig sind (haushaltsgebundene Verbrauchsausgaben).
Dies gilt nicht nur für Strom- oder Wasserkosten, sondern auch für die Ausstattung der Wohnung. So erfordert es das menschenwürdige Existenzminimum nicht, dass bei Mehrpersonenhaushalten für jede Person eigene elektrische Großgeräte wie Fernseher, Computer, Kühlschrank oder Herd vorgesehen sind. Gleiches gilt für die Kommunikationsausstattung mit einer Flatrate für jede erwachsene Person.
Der zusätzliche Bedarf eines Haushalts, der durch eine hinzukommende zweite erwachsene Person per Saldo entsteht, muss also niedriger sein als der Bedarf einer alleinstehenden Person.
Damit muss für eine zusätzliche erwachsene Person im Haushalt, die in keiner Paarbeziehung zu einer anderen Person in diesem Haushalt steht, vor dem Hintergrund der Regelung für Paare und der Regelbedarfsermittlung für Einpersonenhaushalte gelten, dass diese sozialhilferechtlich nicht als alleinstehende Person betrachtet werden kann. Stattdessen muss der Bedarf dieser erwachsenen Person im Haushaltszusammenhang gesehen werden, weshalb anfallende relative Einsparungen zu berücksichtigen sind.
Da der zusätzliche Bedarf eines Partners im Haushalt geringer ist als der Bedarf einer alleinstehenden Person, ist davon auszugehen, dass dies auch für den Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einem Haushalt gilt. Voraussetzung ist, dass die weitere erwachsene Person sich die vorhandene Ausstattung und Einrichtung der Wohnung mit den anderen Personen im Haushalt weitestgehend teilt und sich an den für Anschaffung, Wartung und so weiter anfallenden Kosten nicht oder nur teilweise, in der Gesamtschau aber nur mit einem sehr geringen Anteil beteiligt. Im Ergebnis tragen weit überwiegend die übrige oder die übrigen erwachsenen Personen im Haushalt die Kosten der Haushaltsführung.
Diese Fallkonstellation liegt unter anderem dann vor, wenn eine erwachsene Person die Haushaltsführung nicht mitbestimmt.
Dies trifft beispielsweise auf einen Untermieter zu, dessen Beteiligung an Nutzungskosten der Haushaltsausstattung üblicherweise in pauschaler Form über die zu zahlende Miete erfolgt. In diesem Fall ist eine solche indirekte Kostenbeteiligung, sofern die angemessene Höhe der Miete nicht überschritten wird, im Rahmen der Unterkunftskosten zu übernehmen.
Eine weitere Fallkonstellation sind haushaltsführende Eltern oder haushaltsführender Elternteil, wenn ein erwachsenes Kind im elterlichen Haushalt lebt, oder ein haushaltsführender Erwachsener – eventuell mit seinem Partner – einen Elternteil in den Haushalt aufnimmt. In diesen beiden Fällen ist bei einer Leistungsberechtigung nach dem SGB XII regelmäßig davon auszugehen, dass das Kind oder der Elternteil einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) hat. Der Leistungsanspruch besteht bei den genannten Personen, die im Haushalt anderer Personen leben, deshalb nur, weil die in der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel SGB XII) geltende Unterhaltsvermutung nicht anwendbar ist.
Diese besagt, dass eine Person dann keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hat, wenn sie mit Personen in einer Wohnung zusammenlebt und aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der übrigen Personen unterstellt werden kann, dass diese den Lebensunterhalt der bei ihnen lebenden Person gewährleisten.
Folglich führt erst die Nichtanwendbarkeit der Unterhaltsvermutung zu einem Leistungsanspruch nach dem SGB XII. Damit war seitens des Gesetzgebers beabsichtigt, insbesondere von Geburt und früher Kindheit dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen einen elternunabhängigen Anspruch auf ein Mindesteinkommen zu ermöglichen. Die Einsatzgemeinschaft zwischen Eltern und erwachsenem Kind wurde in diesen Fällen also weitestgehend aufgehoben.
Allerdings war mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht die Absicht verbunden, diesen im Haushaltszusammenhang lebenden Personen einen Anspruch einzuräumen, wie er Alleinstehenden in Höhe des Eckregelsatzes oder Paaren in Höhe des später eingeführten Partnerregelsatzes zusteht, sondern einen Anspruch in Höhe des Regelsatzanteils eines erwachsenen Haushaltsangehörigen (80 Prozent des Eckregelsatzes).
Die Zuordnung weiterer erwachsener Personen im Haushalt zur Regelbedarfsstufe 3 beruht auf einer dem Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität möglichen Typisierung von Sachverhalten. Im Sozialhilferecht gilt allerdings ergänzend der Grundsatz, dass sich die Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu richten haben (§ 9 Abs. 1 SGB XII).
Dies bedeutet konkret, dass der zuständige Sozialhilfeträger die Besonderheiten des Einzelfalles bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen hat.
Um den tatsächlichen Verhältnissen in einem Haushalt Rechnung zu tragen ist im Zuge der Ermessensausübung auch eine abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27a Absatz 4 Satz 1 SGB XIII in der Fassung des Gesetzentwurfs möglich."
Der Bemessung des Regelsatzes in der Regelbedarfsstufe 3 liegen also schlüssige und nachvollziehbare Erwägungen des Gesetzgebers zugrunde. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Urteile des BSG vom 19.05.2009 (B 8 SO 8/08 R) und 23.03.2010 (B 8 SO 17/09 R) meint, die Reduzierung des Regelsatzes auf einen Anteil von 80 % in der Regelbedarfsstufe 3 habe bei Verabschiedung des Gesetzes nicht mehr der Rechtslage entsprochen, weshalb die genannte Begründung unrichtig sei, verkennt er , dass die beiden BSG-Urteile ausschließlich eine Auslegung des bis 31.12.2010 geltenden Rechts beinhalten.
Mit der Neuregelung des SGB II und des SGB XII und der Einführung des RBEG mit den verschieden Regelbedarfsstufen hat der Gesetzgeber jedoch eine vollständige Neuregelung getroffen, wie sie nach der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 geboten war, und insbesondere eine gesetzgeberische Entscheidung getroffen, die sich verfassungsgemäß noch innerhalb des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums bewegt.
Die Regelbedarfsstufe 3 beinhaltet auch keine gegen Artikel 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderung.
Allerdings besteht, worauf der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/4095, S. 27) ausdrücklich hingewiesen hat, als Unterschied zwischen dem SGB XII und dem SGB II, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte im SGB II mit Vollendung des 25. Lebensjahres unabhängig von der Haushaltszugehörigkeit eine eigenständige Bedarfsgemeinschaft bilden und demnach für das Arbeitslosengeld II ein Regelbedarf von 364,00 EUR berücksichtigt wird.
Ein voll erwerbsgeminderter Erwachsener, der leistungsberechtigt nach dem SGB XII ist, erhält hingegen auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres nur den Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 3 (291,00 EUR).
Diese unterschiedliche Behandlung beinhaltet jedoch keinen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG verbietet es, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich, wesentlich Ungleiches ohne solche Gründe gleich zu behandeln.
Damit enthält Artikel 3 Abs. 1 GG über ein Willkürverbot hinaus die an Gesetzgeber und Rechtsprechung gerichtete Verpflichtung, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders zu behandeln, falls zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (BVerfGE 55, 72, 88; ständ. Rspr.).
Wie bereits dargelegt ist dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen Leistungsberechtigten nach dem SGB XII und solchen nach dem SGB II, die älter als 25 Jahre sind, bewusst gewesen. Er hat jedoch nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Ungleichbehandlung unterschiedliche Normadressaten trifft und deshalb gerechtfertigt ist. So heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/4095, S. 27:
"Dieser Unterschied ergibt sich aus den Systemunterschieden zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe und erfordert zur Einordnung eine Gesamtbetrachtung.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wendet sich ihrer Zielrichtung nach vornehmlich an einen dem Grunde nach erwerbsfähigen Personenkreis, der nur vorübergehend der Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen bedarf. Aus der Erwerbsfähigkeit ergeben sich im SGB II Pflichten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Diese gelten insbesondere auch für im Haushalt der Eltern lebende Erwachsene ab 25 Jahren, die Arbeitslosengeld II beziehen.
Von ihnen ist deshalb ein erhöhtes Maß an Eigenverantwortung und wirtschaftlicher Beweglichkeit einzufordern, woraus sich auch die Anerkennung wirtschaftlicher Eigenständigkeit durch einen Regelbedarf entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 ableitet.
Die Systemunterschiede zwischen SGB II und SGB XII – und hier insbesondere bei einer Leistungsberechtigung nach dem Vierten Kapitel SGB XII – zeigen sich auch in der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen und –erwartungen gegenüber den Eltern bei dem haushaltsangehörigen Leistungsberechtigten. Während nach dem Vierten Kapitel SGB XII Unterhaltsansprüche insbesondere gegenüber den Eltern grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (§ 43 Absatz 2 SGB XII), sind sie im SGB II zu berücksichtigen.
Besteht hingegen bei einer Leistungsberechtigung nach dem SGB II eine Haushaltsgemeinschaft zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und ihren Eltern, wird unter den Voraussetzungen des § 9 Absatz 5 SGB II der tatsächliche Unterhalt vermutet. Weitere Systemunterschiede ergeben sich aus den genannten Gründen auch beim Einsatz von Vermögen oder der Anrechnung von Erwerbseinkommen."
Diese Erwägungen bewegen sich noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Vertretbaren (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.10.2011 – L 8 SO 275/11 B ER).
Nur am Rande merkt die Kammer an, dass der Kläger ohnehin zu keiner der beiden Vergleichsgruppen zählt, da er das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Die Kammer ist nicht zuletzt auch aus folgendem Grund der Überzeugung, dass die Neuregelung des Regelbedarfs, speziell die Regelbedarfsstufe 3 und die ihr zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften nicht verfassungswidrig sind.
Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 09.02.2010 anerkannt, dass der Gesetzgeber den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken kann; er muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen. Dem trägt die Vorschrift des § 27a Abs. 4 SGB XII Rechnung. Nach dieser Vorschrift wird nämlich der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Damit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, dass der Sozialhilfeträger über zusätzliche Bedarfe nach den §§ 30 bis 36 SGB XII hinaus einem laufenden individuellen Bedarf, der über den maßgeblichen Regelsatz hinaus geht, durch die Festsetzung eines (ggf. höheren) individuellen Bedarfs Rechnung trägt.
Damit ist gewährleistet, dass auch in einem vom Gesetzgeber im Rahmen der pauschalierenden Regelungen nicht bedachten höheren Bedarfsfall das menschenwürdige Existenzminimum gewährleistet werden kann.
Hat nach alledem die Kammer keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bemessung des Regelbedarfs des Klägers für den streitbefangenen Zeitraum mit monatlich 291,00 EUR auf der Grundlage der Regelbedarfsstufe 3, so besteht kein Anlass für eine Vorlage der Rechtssache gemäß Artikel 100 GG an das Bundesverfassungsgericht.
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Anmerkung: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 24.10.2011, - L 8 SO 275/11 B ER -
Lebt ein 44 - jähriger Leistungsbezieher der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII mit seiner nicht leistungsberechtigten Mutter in einem Haushalt, hat er nach Regelbedarfsstufe 3 nur Anspruch auf einen Regelsatz in Höhe von 291,00 EUR.
Anhaltspunkte dafür, dass die Regelbedarfssätze nach dem Regelbedarfsermittlungsgesetz nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen wären, sind nicht ersichtlich. Zum einen stellt das dem RBEG zugrundeliegende Statistikmodell, das heißt die Bedarfsermittlung auf Basis von Sonderauswertungen, die das statistische Bundesamt auf der Grundlage der von ihm erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2008 durchgeführt hat, eine vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums dar. Zum anderen muss eine etwaige Klärung verfassungsrechtlicher Fragen einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. April 2011 L 20 SO 133/11 B ER , dort Rdnr 15ff).
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Freitag, 16. Dezember 2011
Hartz IV - Baden - Württembergische Hartz - IV - Empfängerin scheitert - erneut - mit ihrer Regelsatzklage vor dem LSG Baden- Württemberg
Der Senat ist weiterhin der Auffassung, dass die aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2011 vorgenommene Neuregelung der existenzsichernden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. bereits Senatsurteil vom 10. Juni 2011 - L 12 AS 1077/11 -).
Der Senat hat bei Anwendung dieser Grundsätze keine Bedenken, dass die maßgebliche Vorschrift des § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II den Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG entspricht (so bspw. auch Groth/Siebel-Huffmann, NJW 2011, 1105/1110; Mogwitz, ZFSH/SGB 2011, 323 ff.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 10. August 2011 - L 16 AS 305/11 NZB -; SG Aachen, Urteil vom 20. Juli 2011 - S 5 AS 177/11 -; SG Oldenburg, Urteil vom 27. Juni 2011 - S 48 AS 664/11 -; Kritik u.a. bei Kötter, info also 2011, 99 ff.; Lenze, NVwZ 2011, 1104 ff., Münder in: Spellbrink, Verfassungsrechtliche Probleme im SGB II, 2011, S. 15 ff.; Rothkegel, ZfSH/SGB 2011, 69 ff.).
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil anerkannt (Rdnr. 147 ff.), dass der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, zutreffend definiert hat. Mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat der Gesetzgeber ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen, das nach seiner Zielrichtung sämtlichen Bedarfslagen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins gedeckt werden müssen, Rechnung tragen soll (vgl. § 1 Abs. 1 SGB II n.F.).
Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II n.F. sowohl dazu, die physische Seite des Existenzminimums sicherzustellen, als auch dazu, dessen soziale Seite abzudecken, denn die Regelleistung umfasst in vertretbarem Umfang auch eine Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Anderen von der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums umfassten Bedarfslagen wird im SBG II durch weitere Ansprüche und Leistungen neben dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts Rechnung getragen.
Die Absicherung gegen die Risiken von Krankheit und Pflegebedürftigkeit wird durch die Einbeziehung von ALG II- und Sozialgeldempfängern in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a und § 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und § 25 SGB XI und die Leistungen zur freiwilligen bzw. privaten Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II n.F. gewährleistet.
Besondere Mehrbedarfe werden zum Teil nach § 21 SGB II n.F. gedeckt. § 22 Abs. 1 SGB II n.F. stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung einschließlich der Kosten für die Erzeugung von Warmwasser (vgl. auch § 21 Abs. 7 SGB II) nach dem individuellen Bedarf sicher. § 24 SGB II n.F. ermöglicht in bestimmten Fällen die abweichende Erbringung von Leistungen.
Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber unregelmäßig anfallende Bedarfe durch den monatlichen Regelbedarf decken will und der Leistungsberechtigte den entsprechenden Anteil für den unregelmäßig auftretenden Bedarf zurückhalten soll (a.a.O. Rdnr. 150; § 20 Abs. 1 S. 3 und 4 SGB II n.F.).
Der im Berufungsverfahren geltende Regelbedarf von monatlich 364,- EUR für - wie die Klägerin - alleinstehende Personen kann zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht als evident unzureichend angesehen werden.
So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (Rdnr. 152) den dort zur Überprüfung gestellten Betrag der Regelleistung von monatlich 345,- EUR unter Berufung auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (3. Aufl. 2008) und die Anlehnung an die Regelsätze des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden BSHG nicht als evident verfassungswidrig angesehen, so dass diese Überlegungen erst recht auf den auf monatlich 364,- EUR angehobenen Regelbedarf übertragbar sind.
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 21.10.2011, - L 12 AS 3445/11 -, im Hinblick auf das beim BSG anhängige Revisionsverfahren B 14 AS 153/11 R ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen .
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146246&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: Beim Bundessozialgericht anhängende Verfahren:
1. B 14 AS 131/11 R
Vorinstanz: SG Oldenburg, S 48 AS 664/11
Begegnen die Höhe der Regelbedarfe nach den §§ 20, 23 Nr 1 und 77 Abs 4 SGB 2 in der seit dem 1.1.2011 geltenden Fassung und das Verfahren zur Ermittlung dieser Regelbedarfe verfassungsrechtlichen Bedenken?
BSG-Revisionsbegründung im RL-Verfahren B 14 AS 131/11 R
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/search?q=verfassungswidrig
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles
Der Senat hat bei Anwendung dieser Grundsätze keine Bedenken, dass die maßgebliche Vorschrift des § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II den Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG entspricht (so bspw. auch Groth/Siebel-Huffmann, NJW 2011, 1105/1110; Mogwitz, ZFSH/SGB 2011, 323 ff.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 10. August 2011 - L 16 AS 305/11 NZB -; SG Aachen, Urteil vom 20. Juli 2011 - S 5 AS 177/11 -; SG Oldenburg, Urteil vom 27. Juni 2011 - S 48 AS 664/11 -; Kritik u.a. bei Kötter, info also 2011, 99 ff.; Lenze, NVwZ 2011, 1104 ff., Münder in: Spellbrink, Verfassungsrechtliche Probleme im SGB II, 2011, S. 15 ff.; Rothkegel, ZfSH/SGB 2011, 69 ff.).
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil anerkannt (Rdnr. 147 ff.), dass der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, zutreffend definiert hat. Mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat der Gesetzgeber ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen, das nach seiner Zielrichtung sämtlichen Bedarfslagen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins gedeckt werden müssen, Rechnung tragen soll (vgl. § 1 Abs. 1 SGB II n.F.).
Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II n.F. sowohl dazu, die physische Seite des Existenzminimums sicherzustellen, als auch dazu, dessen soziale Seite abzudecken, denn die Regelleistung umfasst in vertretbarem Umfang auch eine Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Anderen von der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums umfassten Bedarfslagen wird im SBG II durch weitere Ansprüche und Leistungen neben dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts Rechnung getragen.
Die Absicherung gegen die Risiken von Krankheit und Pflegebedürftigkeit wird durch die Einbeziehung von ALG II- und Sozialgeldempfängern in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a und § 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und § 25 SGB XI und die Leistungen zur freiwilligen bzw. privaten Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II n.F. gewährleistet.
Besondere Mehrbedarfe werden zum Teil nach § 21 SGB II n.F. gedeckt. § 22 Abs. 1 SGB II n.F. stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung einschließlich der Kosten für die Erzeugung von Warmwasser (vgl. auch § 21 Abs. 7 SGB II) nach dem individuellen Bedarf sicher. § 24 SGB II n.F. ermöglicht in bestimmten Fällen die abweichende Erbringung von Leistungen.
Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber unregelmäßig anfallende Bedarfe durch den monatlichen Regelbedarf decken will und der Leistungsberechtigte den entsprechenden Anteil für den unregelmäßig auftretenden Bedarf zurückhalten soll (a.a.O. Rdnr. 150; § 20 Abs. 1 S. 3 und 4 SGB II n.F.).
Der im Berufungsverfahren geltende Regelbedarf von monatlich 364,- EUR für - wie die Klägerin - alleinstehende Personen kann zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht als evident unzureichend angesehen werden.
So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (Rdnr. 152) den dort zur Überprüfung gestellten Betrag der Regelleistung von monatlich 345,- EUR unter Berufung auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (3. Aufl. 2008) und die Anlehnung an die Regelsätze des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden BSHG nicht als evident verfassungswidrig angesehen, so dass diese Überlegungen erst recht auf den auf monatlich 364,- EUR angehobenen Regelbedarf übertragbar sind.
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 21.10.2011, - L 12 AS 3445/11 -, im Hinblick auf das beim BSG anhängige Revisionsverfahren B 14 AS 153/11 R ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen .
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146246&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: Beim Bundessozialgericht anhängende Verfahren:
1. B 14 AS 131/11 R
Vorinstanz: SG Oldenburg, S 48 AS 664/11
Begegnen die Höhe der Regelbedarfe nach den §§ 20, 23 Nr 1 und 77 Abs 4 SGB 2 in der seit dem 1.1.2011 geltenden Fassung und das Verfahren zur Ermittlung dieser Regelbedarfe verfassungsrechtlichen Bedenken?
BSG-Revisionsbegründung im RL-Verfahren B 14 AS 131/11 R
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Donnerstag, 15. Dezember 2011
Hartz - IV - Empfänger müssen sich nicht mit einer Standard-Beerdigung zufriedengeben
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 25. August 2011 entschieden, dass erforderliche Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger nicht nach Maßgabe pauschal ermittelter Vergütungssätze zu übernehmen sind, sondern dass die Angemessenheit der einzelnen geltend gemachten Kosten sowie des Gesamtpakets zu ermitteln sind.
Es ist mithin eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung zu treffen (§ 9 Abs 1 SGB XII); grundsätzlich ist dabei auch angemessenen Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs 2 SGB XII) und ggf des Verstorbenen (§ 9 Abs 1 SGB XII) sowie religiösen Bekenntnissen (Art 4 Grundgesetz) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde (vgl dazu nur: BVerwG Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr 41; BSGE 100, 131 ff RdNr 22 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3) Rechnung zu tragen.
Fehlinformationen des Sozialhilfeträgers bzw eine Weigerung, sich zur Höhe der angemessenen Kosten der Bestattung gem. § 74 SGB XII zu äußern, kann im Einzelfall dazu führen, dass auch objektiv unangemessene Kosten subjektiv erforderlich sind.
Die Klägerin, die Arbeitslosengeld II bezog, machte vom Sozialhilfeträger Bestattungskosten geltend, die ihr anlässlich des Todes ihres Ehemannes entstanden sind; dabei hat der Sozialhilfeträger die Rechnung des Bestattungsunternehmens um über 950 Euro insgesamt gekürzt.
Das Landessozialgericht hat die Klage auf Zahlung dieses Betrages abgelehnt, weil mit den vom Beklagten gewährten Mitteln eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende, würdige, aber einfache Bestattung durchführbar sei und die vom Beklagten hierzu entwickelten Vergütungssätze nachvollziehbar und plausibel seien. Die über die Vergütungssätze des Beklagten hinausgehenden Kosten seien nicht erforderlich im Sinne des Gesetzes (§ 74 SGB XII).
Dieser Argumentation ist das Bundessozialgericht nicht gefolgt; vielmehr sind die Erforderlichkeit der Einzelleistungen des Bestattungsunternehmers und die Höhe der dafür im Einzelnen angesetzten Kosten sowie eine Gesamtbetrachtung der Summe auf den örtlichen Verhältnissen entsprechende Angemessenheit zu überprüfen.
Dabei ist insbesondere zu beachten, dass erstattungspflichtige Privatpersonen in der Regel vertragsmäßig ungünstigeren Konditionen unterliegen als die Sozialhilfeträger und dem Bestattungspflichtigen, der sich ohnedies in einer besondern Belastungssituation befindet, bis zur Beerdigung regelmäßig nicht die Zeit bleiben dürfte, unterschiedliche Angebote bei Bestattungsunternehmern einzuholen, um das billigste auszuwählen.
Gerade deshalb sind sie in besonderer Weise auf Beratung durch den Sozialhilfeträger angewiesen, soweit sie bei diesem wegen der Höhe der angemessenen Kosten nachfragen.
Fehlinformationen des Sozialhilfeträgers bzw eine Weigerung, sich zur Höhe der angemessenen Kosten zu äußern, kann deshalb im Einzelfall dazu führen, dass auch objektiv unangemessene Kosten subjektiv erforderlich sind, wenn die tatsächlichen Kosten zu den angemessenen Kosten nicht in einem derart auffälligen Missverhältnis stehen, dass dies dem Bestattungspflichtigen ohne weiteres hätte auffallen müssen.
Allerdings erfasst die Norm nur die Bestattungskosten selbst. Zu übernehmen sind im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs, aber auch nach dem Wortlaut, deshalb nur die Kosten, die unmittelbar der Bestattung (unter Einschluss der ersten Grabherrichtung) dienen bzw mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind, nicht jedoch solche für Maßnahmen, die nur anlässlich des Todes entstehen, also nicht final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind (etwa Todesanzeigen, Danksagungen, Leichenschmaus, Anreisekosten, Bekleidung).
Bestattungskosten sind mithin von vornherein all die Kosten, die aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften resultierend notwendigerweise entstehen, damit die Bestattung überhaupt durchgeführt werden kann oder darf, sowie die, die aus religiösen Gründen unerlässlicher Bestandteil der Bestattung sind.
Zumutbar ist die Tragung der Kosten ,wenn die Klägerin über Einkommen oder Vermögen verfügte (Sterbegeld, Bestattungsvorsorge, Erbschaft), das für die Bestattung vorgesehen (Berlit in LPK-SGB XII, § 74 SGB XII RdNr 8 mwN) oder nach Sinn und Zweck des § 74 SGB XII dafür zu verwenden ist (s für den Fall der Erbschaft § 1968 BGB).
Dies entspricht nicht zuletzt den Kriterien der §§ 85 bis 91 SGB XII; denn auch § 88 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII ermöglicht die Berücksichtigung von Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze (Gutzler in jurisPK-SGB XII, § 88 SGB XII RdNr 42), und eine Erbschaft fällt nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr 2) jedenfalls nicht unter § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII, ist somit als solche nicht unter diesem Gesichtspunkt privilegiertes Vermögen.
Etwas anderes kann für einzelne Gegenstände der Erbschaft gelten (etwa ein nach § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII privilegiertes Hausgrundstück). Ist Einkommen oder Vermögen im bezeichneten Sinne vorhanden, steht es in Höhe des Bestattungsbedarfs nicht für den Lebensunterhalt zur Verfügung; es handelt sich insoweit nicht um bereite Mittel.
BSG, Urteil vom 25.08.2011, - B 8 SO 20/10 R -
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2011&nr=12257&pos=15&anz=191
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles
Es ist mithin eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung zu treffen (§ 9 Abs 1 SGB XII); grundsätzlich ist dabei auch angemessenen Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs 2 SGB XII) und ggf des Verstorbenen (§ 9 Abs 1 SGB XII) sowie religiösen Bekenntnissen (Art 4 Grundgesetz) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde (vgl dazu nur: BVerwG Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr 41; BSGE 100, 131 ff RdNr 22 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3) Rechnung zu tragen.
Fehlinformationen des Sozialhilfeträgers bzw eine Weigerung, sich zur Höhe der angemessenen Kosten der Bestattung gem. § 74 SGB XII zu äußern, kann im Einzelfall dazu führen, dass auch objektiv unangemessene Kosten subjektiv erforderlich sind.
Die Klägerin, die Arbeitslosengeld II bezog, machte vom Sozialhilfeträger Bestattungskosten geltend, die ihr anlässlich des Todes ihres Ehemannes entstanden sind; dabei hat der Sozialhilfeträger die Rechnung des Bestattungsunternehmens um über 950 Euro insgesamt gekürzt.
Das Landessozialgericht hat die Klage auf Zahlung dieses Betrages abgelehnt, weil mit den vom Beklagten gewährten Mitteln eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende, würdige, aber einfache Bestattung durchführbar sei und die vom Beklagten hierzu entwickelten Vergütungssätze nachvollziehbar und plausibel seien. Die über die Vergütungssätze des Beklagten hinausgehenden Kosten seien nicht erforderlich im Sinne des Gesetzes (§ 74 SGB XII).
Dieser Argumentation ist das Bundessozialgericht nicht gefolgt; vielmehr sind die Erforderlichkeit der Einzelleistungen des Bestattungsunternehmers und die Höhe der dafür im Einzelnen angesetzten Kosten sowie eine Gesamtbetrachtung der Summe auf den örtlichen Verhältnissen entsprechende Angemessenheit zu überprüfen.
Dabei ist insbesondere zu beachten, dass erstattungspflichtige Privatpersonen in der Regel vertragsmäßig ungünstigeren Konditionen unterliegen als die Sozialhilfeträger und dem Bestattungspflichtigen, der sich ohnedies in einer besondern Belastungssituation befindet, bis zur Beerdigung regelmäßig nicht die Zeit bleiben dürfte, unterschiedliche Angebote bei Bestattungsunternehmern einzuholen, um das billigste auszuwählen.
Gerade deshalb sind sie in besonderer Weise auf Beratung durch den Sozialhilfeträger angewiesen, soweit sie bei diesem wegen der Höhe der angemessenen Kosten nachfragen.
Fehlinformationen des Sozialhilfeträgers bzw eine Weigerung, sich zur Höhe der angemessenen Kosten zu äußern, kann deshalb im Einzelfall dazu führen, dass auch objektiv unangemessene Kosten subjektiv erforderlich sind, wenn die tatsächlichen Kosten zu den angemessenen Kosten nicht in einem derart auffälligen Missverhältnis stehen, dass dies dem Bestattungspflichtigen ohne weiteres hätte auffallen müssen.
Allerdings erfasst die Norm nur die Bestattungskosten selbst. Zu übernehmen sind im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs, aber auch nach dem Wortlaut, deshalb nur die Kosten, die unmittelbar der Bestattung (unter Einschluss der ersten Grabherrichtung) dienen bzw mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind, nicht jedoch solche für Maßnahmen, die nur anlässlich des Todes entstehen, also nicht final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind (etwa Todesanzeigen, Danksagungen, Leichenschmaus, Anreisekosten, Bekleidung).
Bestattungskosten sind mithin von vornherein all die Kosten, die aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften resultierend notwendigerweise entstehen, damit die Bestattung überhaupt durchgeführt werden kann oder darf, sowie die, die aus religiösen Gründen unerlässlicher Bestandteil der Bestattung sind.
Zumutbar ist die Tragung der Kosten ,wenn die Klägerin über Einkommen oder Vermögen verfügte (Sterbegeld, Bestattungsvorsorge, Erbschaft), das für die Bestattung vorgesehen (Berlit in LPK-SGB XII, § 74 SGB XII RdNr 8 mwN) oder nach Sinn und Zweck des § 74 SGB XII dafür zu verwenden ist (s für den Fall der Erbschaft § 1968 BGB).
Dies entspricht nicht zuletzt den Kriterien der §§ 85 bis 91 SGB XII; denn auch § 88 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII ermöglicht die Berücksichtigung von Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze (Gutzler in jurisPK-SGB XII, § 88 SGB XII RdNr 42), und eine Erbschaft fällt nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr 2) jedenfalls nicht unter § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII, ist somit als solche nicht unter diesem Gesichtspunkt privilegiertes Vermögen.
Etwas anderes kann für einzelne Gegenstände der Erbschaft gelten (etwa ein nach § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII privilegiertes Hausgrundstück). Ist Einkommen oder Vermögen im bezeichneten Sinne vorhanden, steht es in Höhe des Bestattungsbedarfs nicht für den Lebensunterhalt zur Verfügung; es handelt sich insoweit nicht um bereite Mittel.
BSG, Urteil vom 25.08.2011, - B 8 SO 20/10 R -
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2011&nr=12257&pos=15&anz=191
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Durch die Einbehaltung der Tilgungsrate für eine Mietkaution in Höhe von 10% der Regelleistung wird das soziokulturelle Existenzminimum von Hartz - IV- Empfängern in verfassungswidriger Weise - nicht - beschnitten!
So die Rechtsauffassung des Sozialgerichts Marburg, Beschluss vom 08.12.2011, - S 8 AS 349/11 ER - .
Gemäß § 22 Abs. 6 S. 1, 2. Halbsatz SGB II kann eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Nach § 22 Abs. 6 S. 3 SGB II soll eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden.
Die Tilgung von Darlehen regelt § 42 a SGB II. Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 42 a Abs. 2 SGB II ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt.
Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären (§ 42 a Abs. 2 S. 2 SG II).
Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, durch die Tilgungsrate werde ihr soziokulturelles Existenzminimum unterschritten, ist festzustellen, dass die Regelung des § 42 a SGB II eine zeitliche Begrenzung der Tilgungsraten nicht vorsieht.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass zwar nach § 42 a SGB II die Tilgung eines Darlehens nur in Höhe von 10 % des maßgeblichen Regelsatzes erfolgen kann, der Gesetzgeber scheint deshalb davon auszugehen, dass durch die Tilgung das soziokulturelle Existenzminimum weiterhin gedeckt ist.
Bei der Bewertung der Frage, ob das soziokulturelle Existenzminimum unterschritten wird, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nur eine Regelung hinsichtlich der Höhe der Tilgungsrate, nicht aber hinsichtlich der Tilgungsdauer getroffen hat.
Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Tilgung über einen längeren Zeitraum im Auge hatte. Dafür spricht auch die Regelung des § 42 a Abs. 6 SGB II.
Denn der Gesetzgeber bringt mit dieser Regelung zum Ausdruck, dass einem Hilfebedürftigen mehrere Darlehen gewährt werden können, die nacheinander und damit über einen längeren Zeitraum getilgt werden.
Die Kammervorsitzende stimmt dem SG Berlin im Beschluss vom 30.09.2011 (Az.: S 37 AS 24431/11 ER) vertretenen Auffassung dahingehend zu, dass nach alter Rechtslage die Tilgung eines Mietkautionsdarlehens unzulässig war.
Durch die Neuregelung hat der Gesetzgeber nunmehr mit § 42 a SGB II eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen.
Ebenfalls geteilt wird die Ansicht der 37. Kammer des SG Berlins, dass das BVerfG in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 die Darlehenskonzeption des § 23 SGB II nicht beanstandet hat (BVerfG, Entscheidung vom 09.02.2010, Az.: 1 BvL 1/09, Rn. 150).
Nicht geteilt wird jedoch die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass die Leistungskürzung über mehrere Monate (im Fall des SG Berlins: 23 Monate) mit dem Ansparkonzept des SGB II nicht zu vereinbaren sei.
Denn zum einen handelt es sich bei einer Mietkaution um einen einmaligen und nicht dauerhaften Bedarf und nicht, wie vom SG Berlin vertreten, um einen dauerhaften Mehrbedarf, vergleichbar dem für kostenaufwendige Ernährung oder Hygienemehrbedarf.
Denn der Bedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung fällt jeden Monat an, während der Bedarf "Mietkaution" einmalig anfällt. In der Argumentation des SG Berlin werden die Entstehung des Bedarfes, die Bedarfsdeckung und die Tilgung vermischt. Es wird nicht hinreichend zwischen der Bedarfsdeckung einmaliger und laufender Bedarfe unterschieden.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach Tilgung des Darlehens die Mietkaution der Antragstellerin zusteht. Insofern ist dem Antragsgegner zuzustimmen, dass es gerade die Antragstellerin als Mieterin in der Hand hat, durch ihren Umgang mit der Mietsache, die Mietkaution nach Auszug zurückzuerhalten.
Die Systematik des SGB II spricht eher dafür, dass erst bei einer Unterschreitung des Regelbedarfes von 30 % von der Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums auszugehen ist. Denn für diese Fälle hat der Gesetzgeber in § 31a Abs. 3 SGB II und § 43 Abs. 2 S. 3 SGB II Sonderregelungen geschaffen.
Aus diesen Gründen teilt die Kammervorsitzende nicht die Ansicht der Antragstellerin, wonach durch die Einbehaltung der Tilgungsraten ihr soziokulturelles Existenzminimum in verfassungswidriger Weise beschnitten werde.
Anmerkung: Diese Rechtsauffassung wird von uns nicht geteilt, denn sie ist mit dem Ansparkonzept des SGB 2 nicht zuvereinbaren. Die seit 2011 geltenden Regelbedarfe sind auch nicht im Hinblick auf starre Darlehenstilgungen in Höhe von 10%(§ 42a SGB II) aufgestockt worden.Bedarfspositionen, die zu § 22 SGB II gehören, wie die Kaution, sind überhaupt nicht im Regelbedarf nach § 20 SGB II enthalten.
Hinweis: Hartz IV - Eine Leistungskürzung über 23 Monate wegen der Tilgung eines Mietkautionsdarlehens ist verfassungswidrig.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/hartz-iv-eine-leistungskurzung-uber-23.html
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Gemäß § 22 Abs. 6 S. 1, 2. Halbsatz SGB II kann eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Nach § 22 Abs. 6 S. 3 SGB II soll eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden.
Die Tilgung von Darlehen regelt § 42 a SGB II. Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 42 a Abs. 2 SGB II ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt.
Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären (§ 42 a Abs. 2 S. 2 SG II).
Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, durch die Tilgungsrate werde ihr soziokulturelles Existenzminimum unterschritten, ist festzustellen, dass die Regelung des § 42 a SGB II eine zeitliche Begrenzung der Tilgungsraten nicht vorsieht.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass zwar nach § 42 a SGB II die Tilgung eines Darlehens nur in Höhe von 10 % des maßgeblichen Regelsatzes erfolgen kann, der Gesetzgeber scheint deshalb davon auszugehen, dass durch die Tilgung das soziokulturelle Existenzminimum weiterhin gedeckt ist.
Bei der Bewertung der Frage, ob das soziokulturelle Existenzminimum unterschritten wird, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nur eine Regelung hinsichtlich der Höhe der Tilgungsrate, nicht aber hinsichtlich der Tilgungsdauer getroffen hat.
Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Tilgung über einen längeren Zeitraum im Auge hatte. Dafür spricht auch die Regelung des § 42 a Abs. 6 SGB II.
Denn der Gesetzgeber bringt mit dieser Regelung zum Ausdruck, dass einem Hilfebedürftigen mehrere Darlehen gewährt werden können, die nacheinander und damit über einen längeren Zeitraum getilgt werden.
Die Kammervorsitzende stimmt dem SG Berlin im Beschluss vom 30.09.2011 (Az.: S 37 AS 24431/11 ER) vertretenen Auffassung dahingehend zu, dass nach alter Rechtslage die Tilgung eines Mietkautionsdarlehens unzulässig war.
Durch die Neuregelung hat der Gesetzgeber nunmehr mit § 42 a SGB II eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen.
Ebenfalls geteilt wird die Ansicht der 37. Kammer des SG Berlins, dass das BVerfG in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 die Darlehenskonzeption des § 23 SGB II nicht beanstandet hat (BVerfG, Entscheidung vom 09.02.2010, Az.: 1 BvL 1/09, Rn. 150).
Nicht geteilt wird jedoch die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass die Leistungskürzung über mehrere Monate (im Fall des SG Berlins: 23 Monate) mit dem Ansparkonzept des SGB II nicht zu vereinbaren sei.
Denn zum einen handelt es sich bei einer Mietkaution um einen einmaligen und nicht dauerhaften Bedarf und nicht, wie vom SG Berlin vertreten, um einen dauerhaften Mehrbedarf, vergleichbar dem für kostenaufwendige Ernährung oder Hygienemehrbedarf.
Denn der Bedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung fällt jeden Monat an, während der Bedarf "Mietkaution" einmalig anfällt. In der Argumentation des SG Berlin werden die Entstehung des Bedarfes, die Bedarfsdeckung und die Tilgung vermischt. Es wird nicht hinreichend zwischen der Bedarfsdeckung einmaliger und laufender Bedarfe unterschieden.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach Tilgung des Darlehens die Mietkaution der Antragstellerin zusteht. Insofern ist dem Antragsgegner zuzustimmen, dass es gerade die Antragstellerin als Mieterin in der Hand hat, durch ihren Umgang mit der Mietsache, die Mietkaution nach Auszug zurückzuerhalten.
Die Systematik des SGB II spricht eher dafür, dass erst bei einer Unterschreitung des Regelbedarfes von 30 % von der Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums auszugehen ist. Denn für diese Fälle hat der Gesetzgeber in § 31a Abs. 3 SGB II und § 43 Abs. 2 S. 3 SGB II Sonderregelungen geschaffen.
Aus diesen Gründen teilt die Kammervorsitzende nicht die Ansicht der Antragstellerin, wonach durch die Einbehaltung der Tilgungsraten ihr soziokulturelles Existenzminimum in verfassungswidriger Weise beschnitten werde.
Anmerkung: Diese Rechtsauffassung wird von uns nicht geteilt, denn sie ist mit dem Ansparkonzept des SGB 2 nicht zuvereinbaren. Die seit 2011 geltenden Regelbedarfe sind auch nicht im Hinblick auf starre Darlehenstilgungen in Höhe von 10%(§ 42a SGB II) aufgestockt worden.Bedarfspositionen, die zu § 22 SGB II gehören, wie die Kaution, sind überhaupt nicht im Regelbedarf nach § 20 SGB II enthalten.
Hinweis: Hartz IV - Eine Leistungskürzung über 23 Monate wegen der Tilgung eines Mietkautionsdarlehens ist verfassungswidrig.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/hartz-iv-eine-leistungskurzung-uber-23.html
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Mittwoch, 14. Dezember 2011
Hartz IV - Elterngeld ist anrechenbares Einkommen
Aktuell hat das SG Landhut bekannt gegeben, dass das Elterngeldanrechenbares Einkommen im Sinne des § 11 SGB II dar stellt.
Der Rechtsstreit ist nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, da die Kammer die Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG nicht für verfassungswidrig hält.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder in Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Da § 77 SGB II (2011) keine Übergangsregelung bezüglich des Inkrafttretens der neuen §§ 11, 11a, 11b SGB II (2011) enthält, sind diese mit Wirkung für die Zeit ab 01.04.2011 zu berücksichtigen.
Danach sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (2011) als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträgen mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen.
Das gezahlte Elterngeld unterfällt keinen der in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. bzw. in § 11a SGB II n. F. genannten Ausnahmen. Das Elterngeld stellt insbesondere keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. bzw. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II n.F. (vgl. hierzu Frerichs, SRa 2011, 167) dar, da das Elterngeld nicht allein für die Unkosten der Betreuung des Kindes geleistet wird.
Vielmehr hat das Elterngeld den Zweck, die Lebensgrundlage von Eltern und Kind zu decken. In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes (BT-Drs. 16/1889, S. 1) wird zum Zweck des Elterngeldes ausgeführt: "Das Elterngeld unterstützt Eltern in der Frühphase der Elternschaft und trägt dazu bei, dass sie in diesem Zeitraum selbst für ihr Kind sorgen können. Es eröffnet einen Schonraum, damit Familien ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben hineinfinden und sich vorrangig der Betreuung ihrer Kinder widmen können.
Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, erhält einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie"
Das Elterngeld weist danach keine besondere Zweckbestimmung auf, da es abstrakt-generell Elternteilen gewährt wird, die die Leistungsvoraussetzungen nach § 1 BEEG erfüllen, ohne dass der Gesetzgeber eine bestimmte Verwendung der Leistung fordert.
Soweit die Kläger mit Teilen der Literatur (vgl. nur Lenze, info also 2011, 3 ff.) die Ansicht vertreten, dass die Neuregelung in § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG, wonach nunmehr die Anrechnung des Elterngeldes in voller Höhe als Einkommen erfolge, verfassungswidrig sei, teilt die Kammer die von den Klägern vertretene Rechtsansicht nicht (ebenfalls gegen eine Verfassungswidrigkeit SG Detmold, Beschluss vom 19.01.2011 - S 8 AS 37/11 ER; SG Marburg - S 8 AS 169/11; Frerichs SRa 2011, 167 ff).
Sozialgericht Landshut Urteil vom 07.12.2011, - S 10 AS 484/11 - die Berufung wurde zugelassen,da zur Frage der Anrechnung des Elterngeldes bisher weder eine Entscheidung eines Landessozialgerichtes noch des Bundessozialgerichtes vorliegt
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=147736&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: Die gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG sieht grundsätzlich eine vollständige Anrechnung des Elterngeldes auf Ansprüche aus dem SGB II vor.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/12/die-gesetzliche-regelung-des-10-abs-5.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles
Der Rechtsstreit ist nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, da die Kammer die Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG nicht für verfassungswidrig hält.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder in Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Da § 77 SGB II (2011) keine Übergangsregelung bezüglich des Inkrafttretens der neuen §§ 11, 11a, 11b SGB II (2011) enthält, sind diese mit Wirkung für die Zeit ab 01.04.2011 zu berücksichtigen.
Danach sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (2011) als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträgen mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen.
Das gezahlte Elterngeld unterfällt keinen der in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. bzw. in § 11a SGB II n. F. genannten Ausnahmen. Das Elterngeld stellt insbesondere keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. bzw. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II n.F. (vgl. hierzu Frerichs, SRa 2011, 167) dar, da das Elterngeld nicht allein für die Unkosten der Betreuung des Kindes geleistet wird.
Vielmehr hat das Elterngeld den Zweck, die Lebensgrundlage von Eltern und Kind zu decken. In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes (BT-Drs. 16/1889, S. 1) wird zum Zweck des Elterngeldes ausgeführt: "Das Elterngeld unterstützt Eltern in der Frühphase der Elternschaft und trägt dazu bei, dass sie in diesem Zeitraum selbst für ihr Kind sorgen können. Es eröffnet einen Schonraum, damit Familien ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben hineinfinden und sich vorrangig der Betreuung ihrer Kinder widmen können.
Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, erhält einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie"
Das Elterngeld weist danach keine besondere Zweckbestimmung auf, da es abstrakt-generell Elternteilen gewährt wird, die die Leistungsvoraussetzungen nach § 1 BEEG erfüllen, ohne dass der Gesetzgeber eine bestimmte Verwendung der Leistung fordert.
Soweit die Kläger mit Teilen der Literatur (vgl. nur Lenze, info also 2011, 3 ff.) die Ansicht vertreten, dass die Neuregelung in § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG, wonach nunmehr die Anrechnung des Elterngeldes in voller Höhe als Einkommen erfolge, verfassungswidrig sei, teilt die Kammer die von den Klägern vertretene Rechtsansicht nicht (ebenfalls gegen eine Verfassungswidrigkeit SG Detmold, Beschluss vom 19.01.2011 - S 8 AS 37/11 ER; SG Marburg - S 8 AS 169/11; Frerichs SRa 2011, 167 ff).
Sozialgericht Landshut Urteil vom 07.12.2011, - S 10 AS 484/11 - die Berufung wurde zugelassen,da zur Frage der Anrechnung des Elterngeldes bisher weder eine Entscheidung eines Landessozialgerichtes noch des Bundessozialgerichtes vorliegt
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=147736&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: Die gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG sieht grundsätzlich eine vollständige Anrechnung des Elterngeldes auf Ansprüche aus dem SGB II vor.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/12/die-gesetzliche-regelung-des-10-abs-5.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles
Hartz IV - Keine Leistungskürzung, wenn Arbeitsangebot gegen arbeitsrechtliche Grundsätze verstößt
Unterbreitet das Jobcenter einem Bezieher von Hartz IV Leistungen ein Arbeitsangebot, darf dieses Angebot nicht gegen das Arbeitsrecht verstoßen. Weigert sich der Arbeitslose ein solches Arbeitsverhältnis einzugehen, darf die Behörde ihre Leistungen nicht um 30 % kürzen.
Dies hat das Sozialgericht Gießen jetzt entschieden.
Dem 45jährigen Kläger aus dem Wetteraukreis war vom Jobcenter eine Beschäftigung als Kraftfahrer bei einer Firma für Gütertransporte angeboten worden. Er weigerte sich, den ihm vorgelegten Arbeitsvertrag zu unterschreiben, weil er mit den Arbeitsbedingungen nicht einverstanden war. Das Jobcenter kürzte daraufhin die Hartz IV Leistungen um 30 % (= 112,00 € monatlich) und begründete dies damit, der Arbeitslose habe das Zustandekommen eines Arbeitverhältnisses durch sein Verhalten vereitelt.
Das Sozialgericht Gießen war nach Überprüfung des Arbeitsvertrages anderer Auffassung.
Der Vertrag sah eine pauschale Vergütung von Überstunden vor, ohne dass erkennbar war, in welchem Umfang Überstunden überhaupt anfallen. Eine solche Regelung ist nicht klar und verständlich, ein Arbeitnehmer muss bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. auf ihn zukommt und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss, urteilte das Gericht und hielt das Arbeitsangebot schon deshalb für unzumutbar.
Hinzu kam, dass auch die Regelung über eine mögliche Haftung des Arbeitnehmers im Schadensfalle nicht klar und verständlich war, weil die eine Schadenersatzpflicht auslösenden Pflichtverletzungen nicht näher bezeichnet wurden
Auch diese Regelung hielt das Gericht für unwirksam, da sie eine unangemessene Benachteiligung des potentiellen Arbeitnehmers darstelle. Bei einem schuldhaften Verhalten eines Arbeitnehmers habe der Arbeitgeber in erster Linie die Möglichkeit der Kündigung, eine darüber hinausgehende Bestrafung des Arbeitnehmers auch für die geringste Form von Fahrlässigkeit lasse sich nur ausnahmsweise rechtfertigen.
Das Jobcenter muss jetzt den gekürzten Betrag wieder an den Kläger auszahlen.
Sozialgericht Gießen, Urteil vom 25.11.2011, Az.: S 22 AS 869/09
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/msgb/show.php?modul=msgb&id=4497&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles
Dies hat das Sozialgericht Gießen jetzt entschieden.
Dem 45jährigen Kläger aus dem Wetteraukreis war vom Jobcenter eine Beschäftigung als Kraftfahrer bei einer Firma für Gütertransporte angeboten worden. Er weigerte sich, den ihm vorgelegten Arbeitsvertrag zu unterschreiben, weil er mit den Arbeitsbedingungen nicht einverstanden war. Das Jobcenter kürzte daraufhin die Hartz IV Leistungen um 30 % (= 112,00 € monatlich) und begründete dies damit, der Arbeitslose habe das Zustandekommen eines Arbeitverhältnisses durch sein Verhalten vereitelt.
Das Sozialgericht Gießen war nach Überprüfung des Arbeitsvertrages anderer Auffassung.
Der Vertrag sah eine pauschale Vergütung von Überstunden vor, ohne dass erkennbar war, in welchem Umfang Überstunden überhaupt anfallen. Eine solche Regelung ist nicht klar und verständlich, ein Arbeitnehmer muss bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. auf ihn zukommt und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss, urteilte das Gericht und hielt das Arbeitsangebot schon deshalb für unzumutbar.
Hinzu kam, dass auch die Regelung über eine mögliche Haftung des Arbeitnehmers im Schadensfalle nicht klar und verständlich war, weil die eine Schadenersatzpflicht auslösenden Pflichtverletzungen nicht näher bezeichnet wurden
Auch diese Regelung hielt das Gericht für unwirksam, da sie eine unangemessene Benachteiligung des potentiellen Arbeitnehmers darstelle. Bei einem schuldhaften Verhalten eines Arbeitnehmers habe der Arbeitgeber in erster Linie die Möglichkeit der Kündigung, eine darüber hinausgehende Bestrafung des Arbeitnehmers auch für die geringste Form von Fahrlässigkeit lasse sich nur ausnahmsweise rechtfertigen.
Das Jobcenter muss jetzt den gekürzten Betrag wieder an den Kläger auszahlen.
Sozialgericht Gießen, Urteil vom 25.11.2011, Az.: S 22 AS 869/09
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/msgb/show.php?modul=msgb&id=4497&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles
Dienstag, 13. Dezember 2011
Bundessozialgericht veröffentlicht brand aktuelles Urteil zu Hartz IV - Hartz-IV-Empfänger dürfen Stromkostenerstattung behalten, denn es ist Vermögen.
Vor wenigen Minuten wurde das BSG, Urteil vom 23.08.2011 , - B 14 AS 185/10 R- veröffentlicht, wonach Hartz-IV-Empfänger eine Stromkostenerstattung behalten dürfen.
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1. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden.
Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen, was er vor Antragstellung bereits hatte. Es ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie: BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 RdNr 18; BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30 RdNr 15; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R; anknüpfend an die Rechtsprechung des BSG zur Arbeitslosenhilfe: Urteil vom 11.2.1976 - 7 RAr 159/74 - BSGE 41, 187 = SozR 4100 § 137 Nr 1; Urteil vom 20.6.1978 - 7 RAr 47/77 - BSGE 46, 271 = SozR 4100 § 138 Nr 3; Urteil vom 12.12.1996 - 11 RAr 57/96 - BSGE 79, 297 = SozR 3-4100 § 138 Nr 9; und die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Sozialhilfe: Urteile vom 18.2.1999 - 5 C 35/97 - BVerwGE 108, 296 = NJW 1999, 3649, juris RdNr 13 ff; 5 C 14/98 - NJW 1999, 3137; 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 ff).
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Auch wenn Einnahmen aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden (zB Auszahlung des Gehalts als Erfüllung der Gehaltsforderung) und eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt, gehört die Forderung, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht (zB noch nicht erfüllte Gehaltsforderungen für zurückliegende Monate), zu seinem Vermögen.
Das führt jedoch nicht zu einer Konkurrenz dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung als Einkommen zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-) Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen ab.
Das gilt allerdings nicht für Fälle, in denen mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen.
Denn andernfalls wertete man den Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen.
Dementsprechend bleibt ein Sparguthaben bei seiner Auszahlung Vermögen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 17 zu einer Zinsgutschrift unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 76 BSHG und dessen Urteile vom 18.2.1999 aaO; Gegenbeispiel Einkommensteuererstattung: BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 RdNr 18).
12
Bei der Rückerstattung von Vorauszahlungen auf der Grundlage von Energielieferverträgen ist von der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen nicht abzuweichen, wovon das SG und die Beteiligten zutreffend ausgehen.
Solche Rückzahlungen erfolgen nicht aus bereits erlangten Einkünften, mit denen ein gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wurde.
Im Ergebnis kommt damit nur die Berücksichtigung der Rückzahlung als Einkommen im Bedarfszeitraum, nicht dagegen als Vermögen in Betracht (ebenso zur Stromkostenerstattung im Anwendungsbereich des SGB XII: BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5 RdNr 16 und - insoweit ohne weitergehende Begründung - zur Betriebskostenerstattung: BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37).
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2. Die Stromkostenerstattung war zwar eine Einnahme der Klägerin und ihrer Tochter im Februar 2007, ist jedoch nicht als Einkommen nach § 11 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen.
Für die Definition des Begriffs "Einkommen" ist - über die obige Abgrenzung "alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält," hinaus - dem Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II lediglich zu entnehmen, dass ua "Leistungen nach diesem Buch" von vornherein von der Berücksichtigung ausgenommen sind.
14
a) Ein unmittelbarer Anwendungsbereich dieser Alternative des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ist vorliegend nicht gegeben. Unabhängig davon, ob die Vorauszahlungen für die Stromkosten von der Klägerin aus ihrer Hinterbliebenenrente oder ihren SGB II-Leistungen erbracht wurden, erfolgte die Rückzahlung jedenfalls nicht auf Grundlage der Vorschriften des SGB II durch den Träger der Grundsicherung, sondern aufgrund der Regelungen in dem Energieliefervertrag.
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b) Eine Rückzahlung von Stromkosten, die auf Vorauszahlungen in Zeiträumen beruht, in denen Hilfebedürftigkeit nach §§ 7, 9 SGB II bestand, kann aber nach Sinn und Zweck des § 11 Abs 1 und § 20 SGB II nicht als Einkommen berücksichtigt werden.
16
Dies folgt zum einen aus der Wertung, die dem Ausschluss von "Leistungen nach diesem Buch" von der Berücksichtigung als Einkommen in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu entnehmen ist (in diesem Sinne Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 273; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 33; Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die Anwendung des SGB II zu § 11 Nr 11.61). Zum anderen handelt es sich bei den Zahlungen für Haushaltsenergie um die Befriedigung eines dem § 20 SGB II zuzuordnenden Grundbedarfs.
Der Bemessung dieses Grundbedarfs nach dem Statistikmodell liegt der verfassungsrechtlich zulässige Gedanke zugrunde, dass die regelbedarfsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert sind und den Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen ermöglichen.
Der Hilfebedürftige soll über den Einsatz seiner Mittel (sei es aus der Regelleistung, sei es aus zu berücksichtigendem Einkommen) hinsichtlich des Regelbedarfs im Einzelnen selbst bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen können (dazu BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205).
Dementsprechend schließt der Regelbedarf ausdrücklich einen Ansparbetrag ein, der seine Entsprechung in dem Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs 1 Nr 4 SGB II findet (vgl BT-Drucks 15/1516 S 53). Damit ist es aber auch geboten, Einnahmen, die aus Einsparungen bei den Regelbedarfen resultieren, über den jeweiligen Bezugszeitraum hinweg von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellen.
17
Von daher ist es unerheblich, ob die Klägerin die Vorauszahlungen für die Stromkosten aus ihrer Hinterbliebenenrente oder ihren SGB II-Leistungen erbracht hat. Entscheidend ist alleine, dass sie während dieser Zeit hilfebedürftig nach dem SGB II war und sich durch die Berücksichtigung ihres Einkommens aus der Hinterbliebenenrente nichts an der Zusammensetzung ihres verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nach §§ 20 ff SGB II änderte.
18
c) Soweit der Beklagte dagegen einwendet, das SGB II enthalte kein Belohnungssystem, um Hilfebedürftige durch die Nichtberücksichtigung der Rückzahlung zu privilegieren, vielmehr sei sparsames Haushalten von einem Hilfebedürftigen zu erwarten, um den Bedarf möglichst aus eigener Kraft zu decken, führt diese Argumentation im Kern zu einer Anwendung des "Bedarfsdeckungsgrundsatzes", wie er zum Recht der Sozialhilfe nach dem BSHG entwickelt worden ist.
Diesen Bedarfsdeckungsgrundsatz des BSHG hat der Gesetzgeber in das SGB II jedoch nicht übernommen.
19
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass es konstitutiver Bestandteil des Systems des SGB II ist, eine abweichende Festsetzung der Regelbedarfe gerade nicht vorzusehen (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11 RdNr 22 zur Verköstigung während eines Krankenhausaufenthalts; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R - zur kostenlosen Verpflegung durch Familienangehörige; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 20 zu nicht bezifferbaren Unterstützungsleistungen von Verwandten oder Verschwägerten).
Im Rahmen der durch § 20 Abs 1 SGB II genannten Grundbedürfnisse ist es mit dem Sinn und Zweck der Pauschalierung nicht vereinbar, eine individuelle Bedarfsprüfung vorzunehmen.
20
Damit ist es nach dem SGB II nicht zulässig, zusätzliche Bedarfe, wie etwa erhöhte Stromkosten (so ausdrücklich: BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18 RdNr 27), im Rahmen des Regelbedarfs bedarfserhöhend geltend zu machen.
Abweichende laufende Bedarfe können lediglich im Anwendungsbereich des § 21 SGB II Berücksichtigung finden. Für die Kürzung der Regelleistung besteht aber ebenso wenig eine Rechtsgrundlage.
Hätten die Klägerin und ihre Tochter die Herabsetzung der Abschlagszahlungen gegenüber dem Stromversorger zu einem früheren Zeitpunkt erreicht, wären solche Einsparungen ihnen (und nicht dem Träger der Grundsicherung) zugute gekommen.
Ebenso wie dem Hilfebedürftigen zB zu berücksichtigendes Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit bei einer anderen steuerrechtlichen Gestaltung im Bedarfszeitraum bedarfsmindernd zur Verfügung gestanden hätte und es deshalb auch bei Zufluss erst mit der Steuererstattung zu berücksichtigendes Einkommen bleibt (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18 am Ende), kann ein anderer Mitteleinsatz für die Regelbedarfe nicht zur Gewährung einer nur verminderten Regelleistung (bzw dem Ansatz eines niedrigeren Bedarfs) führen.
21
Da § 20 SGB II - anders als § 28 SGB XII - die Berücksichtigung abweichender Bedarfe beim Regelbedarf von vornherein ausschließt, lässt sich aus dem sogenannten Nachranggrundsatz nicht der Schluss ziehen, dass die Berücksichtigung von ersparten Aufwendungen als Einkommen geboten ist (zur abweichenden Rechtslage nach dem SGB XII: BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5, RdNr 19 und nunmehr die Neuregelung in § 82 Abs 1 Satz 2 SGB XII durch das RBEG).
22
d) Diesem Ergebnis stehen schließlich die Entscheidung des Senats vom 15.4.2008 (B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37), wonach Rückzahlungen von Betriebskosten, die den Kosten der Unterkunft zuzurechnen sind, als Einkommen zu berücksichtigen sind, und die durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006 getroffene Regelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF (jetzt § 22 Abs 3 SGB II idF des RBEG) nicht entgegen.
23
Denn ebenso wie heute bestand nach der alten Rechtslage zwischen Betriebs- und Heizkosten einerseits und Stromkosten andererseits insofern ein gravierender Unterschied, als die Betriebs- und Heizkosten - vorbehaltlich ihrer Angemessenheit - in tatsächlicher Höhe zu übernehmen waren (§ 22 Abs 1 SGB II), während die Stromkosten, soweit sie nicht ausnahmsweise für die Heizung benötigt wurden, nicht gesondert übernommen wurden, sondern, wie ausgeführt, als Haushaltsenergie pauschaliert in der Regelleistung enthalten waren.
Auch die Einfügung des § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF (jetzt § 22 Abs 3 SGB II idF des RBEG) spricht für diese Differenzierung, weil er auf Rückzahlungen und Guthaben beschränkt ist, die den Kosten für Unterkunft zuzuordnen sind, und auch nach der Gesetzesbegründung für die Regelung (Bericht des Bundestagsausschusses, BT-Drucks 16/1696 S 7, 26 f) Kosten für Haushaltsenergie ausdrücklich ausgenommen sind.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=147685&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles
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1. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden.
Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen, was er vor Antragstellung bereits hatte. Es ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie: BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 RdNr 18; BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30 RdNr 15; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R; anknüpfend an die Rechtsprechung des BSG zur Arbeitslosenhilfe: Urteil vom 11.2.1976 - 7 RAr 159/74 - BSGE 41, 187 = SozR 4100 § 137 Nr 1; Urteil vom 20.6.1978 - 7 RAr 47/77 - BSGE 46, 271 = SozR 4100 § 138 Nr 3; Urteil vom 12.12.1996 - 11 RAr 57/96 - BSGE 79, 297 = SozR 3-4100 § 138 Nr 9; und die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Sozialhilfe: Urteile vom 18.2.1999 - 5 C 35/97 - BVerwGE 108, 296 = NJW 1999, 3649, juris RdNr 13 ff; 5 C 14/98 - NJW 1999, 3137; 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 ff).
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Auch wenn Einnahmen aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden (zB Auszahlung des Gehalts als Erfüllung der Gehaltsforderung) und eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt, gehört die Forderung, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht (zB noch nicht erfüllte Gehaltsforderungen für zurückliegende Monate), zu seinem Vermögen.
Das führt jedoch nicht zu einer Konkurrenz dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung als Einkommen zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-) Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen ab.
Das gilt allerdings nicht für Fälle, in denen mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen.
Denn andernfalls wertete man den Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen.
Dementsprechend bleibt ein Sparguthaben bei seiner Auszahlung Vermögen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 17 zu einer Zinsgutschrift unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 76 BSHG und dessen Urteile vom 18.2.1999 aaO; Gegenbeispiel Einkommensteuererstattung: BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 RdNr 18).
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Bei der Rückerstattung von Vorauszahlungen auf der Grundlage von Energielieferverträgen ist von der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen nicht abzuweichen, wovon das SG und die Beteiligten zutreffend ausgehen.
Solche Rückzahlungen erfolgen nicht aus bereits erlangten Einkünften, mit denen ein gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wurde.
Im Ergebnis kommt damit nur die Berücksichtigung der Rückzahlung als Einkommen im Bedarfszeitraum, nicht dagegen als Vermögen in Betracht (ebenso zur Stromkostenerstattung im Anwendungsbereich des SGB XII: BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5 RdNr 16 und - insoweit ohne weitergehende Begründung - zur Betriebskostenerstattung: BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37).
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2. Die Stromkostenerstattung war zwar eine Einnahme der Klägerin und ihrer Tochter im Februar 2007, ist jedoch nicht als Einkommen nach § 11 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen.
Für die Definition des Begriffs "Einkommen" ist - über die obige Abgrenzung "alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält," hinaus - dem Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II lediglich zu entnehmen, dass ua "Leistungen nach diesem Buch" von vornherein von der Berücksichtigung ausgenommen sind.
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a) Ein unmittelbarer Anwendungsbereich dieser Alternative des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ist vorliegend nicht gegeben. Unabhängig davon, ob die Vorauszahlungen für die Stromkosten von der Klägerin aus ihrer Hinterbliebenenrente oder ihren SGB II-Leistungen erbracht wurden, erfolgte die Rückzahlung jedenfalls nicht auf Grundlage der Vorschriften des SGB II durch den Träger der Grundsicherung, sondern aufgrund der Regelungen in dem Energieliefervertrag.
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b) Eine Rückzahlung von Stromkosten, die auf Vorauszahlungen in Zeiträumen beruht, in denen Hilfebedürftigkeit nach §§ 7, 9 SGB II bestand, kann aber nach Sinn und Zweck des § 11 Abs 1 und § 20 SGB II nicht als Einkommen berücksichtigt werden.
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Dies folgt zum einen aus der Wertung, die dem Ausschluss von "Leistungen nach diesem Buch" von der Berücksichtigung als Einkommen in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu entnehmen ist (in diesem Sinne Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 273; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 33; Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die Anwendung des SGB II zu § 11 Nr 11.61). Zum anderen handelt es sich bei den Zahlungen für Haushaltsenergie um die Befriedigung eines dem § 20 SGB II zuzuordnenden Grundbedarfs.
Der Bemessung dieses Grundbedarfs nach dem Statistikmodell liegt der verfassungsrechtlich zulässige Gedanke zugrunde, dass die regelbedarfsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert sind und den Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen ermöglichen.
Der Hilfebedürftige soll über den Einsatz seiner Mittel (sei es aus der Regelleistung, sei es aus zu berücksichtigendem Einkommen) hinsichtlich des Regelbedarfs im Einzelnen selbst bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen können (dazu BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205).
Dementsprechend schließt der Regelbedarf ausdrücklich einen Ansparbetrag ein, der seine Entsprechung in dem Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs 1 Nr 4 SGB II findet (vgl BT-Drucks 15/1516 S 53). Damit ist es aber auch geboten, Einnahmen, die aus Einsparungen bei den Regelbedarfen resultieren, über den jeweiligen Bezugszeitraum hinweg von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellen.
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Von daher ist es unerheblich, ob die Klägerin die Vorauszahlungen für die Stromkosten aus ihrer Hinterbliebenenrente oder ihren SGB II-Leistungen erbracht hat. Entscheidend ist alleine, dass sie während dieser Zeit hilfebedürftig nach dem SGB II war und sich durch die Berücksichtigung ihres Einkommens aus der Hinterbliebenenrente nichts an der Zusammensetzung ihres verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nach §§ 20 ff SGB II änderte.
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c) Soweit der Beklagte dagegen einwendet, das SGB II enthalte kein Belohnungssystem, um Hilfebedürftige durch die Nichtberücksichtigung der Rückzahlung zu privilegieren, vielmehr sei sparsames Haushalten von einem Hilfebedürftigen zu erwarten, um den Bedarf möglichst aus eigener Kraft zu decken, führt diese Argumentation im Kern zu einer Anwendung des "Bedarfsdeckungsgrundsatzes", wie er zum Recht der Sozialhilfe nach dem BSHG entwickelt worden ist.
Diesen Bedarfsdeckungsgrundsatz des BSHG hat der Gesetzgeber in das SGB II jedoch nicht übernommen.
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Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass es konstitutiver Bestandteil des Systems des SGB II ist, eine abweichende Festsetzung der Regelbedarfe gerade nicht vorzusehen (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11 RdNr 22 zur Verköstigung während eines Krankenhausaufenthalts; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R - zur kostenlosen Verpflegung durch Familienangehörige; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 20 zu nicht bezifferbaren Unterstützungsleistungen von Verwandten oder Verschwägerten).
Im Rahmen der durch § 20 Abs 1 SGB II genannten Grundbedürfnisse ist es mit dem Sinn und Zweck der Pauschalierung nicht vereinbar, eine individuelle Bedarfsprüfung vorzunehmen.
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Damit ist es nach dem SGB II nicht zulässig, zusätzliche Bedarfe, wie etwa erhöhte Stromkosten (so ausdrücklich: BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18 RdNr 27), im Rahmen des Regelbedarfs bedarfserhöhend geltend zu machen.
Abweichende laufende Bedarfe können lediglich im Anwendungsbereich des § 21 SGB II Berücksichtigung finden. Für die Kürzung der Regelleistung besteht aber ebenso wenig eine Rechtsgrundlage.
Hätten die Klägerin und ihre Tochter die Herabsetzung der Abschlagszahlungen gegenüber dem Stromversorger zu einem früheren Zeitpunkt erreicht, wären solche Einsparungen ihnen (und nicht dem Träger der Grundsicherung) zugute gekommen.
Ebenso wie dem Hilfebedürftigen zB zu berücksichtigendes Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit bei einer anderen steuerrechtlichen Gestaltung im Bedarfszeitraum bedarfsmindernd zur Verfügung gestanden hätte und es deshalb auch bei Zufluss erst mit der Steuererstattung zu berücksichtigendes Einkommen bleibt (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18 am Ende), kann ein anderer Mitteleinsatz für die Regelbedarfe nicht zur Gewährung einer nur verminderten Regelleistung (bzw dem Ansatz eines niedrigeren Bedarfs) führen.
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Da § 20 SGB II - anders als § 28 SGB XII - die Berücksichtigung abweichender Bedarfe beim Regelbedarf von vornherein ausschließt, lässt sich aus dem sogenannten Nachranggrundsatz nicht der Schluss ziehen, dass die Berücksichtigung von ersparten Aufwendungen als Einkommen geboten ist (zur abweichenden Rechtslage nach dem SGB XII: BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5, RdNr 19 und nunmehr die Neuregelung in § 82 Abs 1 Satz 2 SGB XII durch das RBEG).
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d) Diesem Ergebnis stehen schließlich die Entscheidung des Senats vom 15.4.2008 (B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37), wonach Rückzahlungen von Betriebskosten, die den Kosten der Unterkunft zuzurechnen sind, als Einkommen zu berücksichtigen sind, und die durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006 getroffene Regelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF (jetzt § 22 Abs 3 SGB II idF des RBEG) nicht entgegen.
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Denn ebenso wie heute bestand nach der alten Rechtslage zwischen Betriebs- und Heizkosten einerseits und Stromkosten andererseits insofern ein gravierender Unterschied, als die Betriebs- und Heizkosten - vorbehaltlich ihrer Angemessenheit - in tatsächlicher Höhe zu übernehmen waren (§ 22 Abs 1 SGB II), während die Stromkosten, soweit sie nicht ausnahmsweise für die Heizung benötigt wurden, nicht gesondert übernommen wurden, sondern, wie ausgeführt, als Haushaltsenergie pauschaliert in der Regelleistung enthalten waren.
Auch die Einfügung des § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF (jetzt § 22 Abs 3 SGB II idF des RBEG) spricht für diese Differenzierung, weil er auf Rückzahlungen und Guthaben beschränkt ist, die den Kosten für Unterkunft zuzuordnen sind, und auch nach der Gesetzesbegründung für die Regelung (Bericht des Bundestagsausschusses, BT-Drucks 16/1696 S 7, 26 f) Kosten für Haushaltsenergie ausdrücklich ausgenommen sind.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=147685&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles
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