Mittwoch, 6. Juni 2018

Sanktionssystem beim ALG II auf dem Prüfstand



 
In einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 04.06.2018 waren die Experten der Ansicht, dass das Sanktionssystem beim Arbeitslosengeld II (ALG II) überarbeitet werden sollte.
Von diesem Minimalkonsens ausgehend, bewegten sich die Vorschläge jedoch von einer stärkeren Flexibilisierung des Systemes bis hin zu seiner kompletten Abschaffung. Die Kritik an den oft standardisierten Eingliederungsvereinbarungen zwischen Jobcenter und Arbeitslosen kam von fast allen Seiten, ebenso wie die Forderung nach einer besseren Vermittlungstätigkeit durch die Jobcenter. Gegenstand der Anhörung waren zwei Anträge der Fraktionen Die Linke (BT-Drs. 19/103 – PDF, 149 KB) und von Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 19/1711 – PDF, 142 KB). Beide Fraktionen fordern, Sanktionen im ALG-II-System und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe abzuschaffen und die Beratung der ALG-II-Beziehenden zu verbessern.
Grundsätzlich positiv bewerteten die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der Deutsche Landkreistag und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft das Sanktionssystem. So betonte Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerkes, das Prinzip des Förderns und Forderns habe noch immer Gültigkeit und Sanktionen seien unentbehrlich, um eine schnelle Integration der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Markus Mempel vom Landkreistag nannte sie ebenfalls ein "wichtiges Hilfsmittel", ohne das viele Leistungsberechtigte nicht erreicht würden. Eine vollkommene Abschaffung sei "schwierig", wenn man ein System aufrechterhalten wolle, das auf Pflichtverletzungen reagieren will, sagte Joachim Wolff vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Er verwies zugleich darauf, dass ein vereinfachtes Sanktionsrecht auch dadurch erreicht werden könne, dass man die verschärften Sonderregeln für unter 25-Jährige abschafft. Diesem Gedanken stimmte auch Markus Mempel zu. Er betonte darüber hinaus, dass die Jobcenter unbedingt mehr Kapazitäten bräuchten, um sich auf ihre Vermittlungsaufgabe zu konzentrieren. Jan Dannenbring kritisierte, dass es nicht sein könne, dass Leistungsbescheide mit bis zu 100 Seiten verschickt würden. Die Vermittler müssten dringend von bürokratischen Lasten befreit werden, forderte er.
Deutliche Kritik an den Sanktionen kam dagegen u.a. vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und vom Deutschen Caritasverband. Eine bessere Beratungspraxis würde das Sanktionssystem sogar überflüssig machen, prognostizierte deren Vertreterin Birgit Fix. Derzeit würden die Eingliederungsvereinbarungen häufig mit standardisiertem Muster verschickt. Wichtig sei aber, dass diese wirklich "gemeinsam vereinbart" werde. Doch dafür reichten die Kapazitäten der Jobcenter derzeit nicht aus, so Fix. Martin Künkler vom DGB kritisierte: "Die Eingliederungsvereinbarungen werden den Leistungsempfängern oft einseitig aufoktroyiert. Nötig ist aber eine Vereinbarung auf Augenhöhe." Rahel Schwarz betonte für den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, dass gesonderte Regeln für unter 25-Jährige gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen und nicht zu deren besseren Integration in den Arbeitsmarkt beitragen. Das Gegenteil sei der Fall, viele Jugendliche würden dadurch den Kontakt zum Jobcenter komplett verweigern. Für den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband bezeichnete Tina Hofmann die Sanktionen als "unverhältnismäßiges Regelwerk". Es gebe bessere Alternativen, um eine Kooperation zu erreichen, betonte sie ebenso wie Expertin Birgit Fix.
Quelle: hib - heute im bundestag Nr. 365 v. 04.06.2018 - juris

Montag, 4. Juni 2018

Keine Spekulationsteuer auf häusliches Arbeitszimmer bei Verkauf des selbstgenutzten Eigenheimes



 
Das FG Köln hat entschieden, dass der Gewinn aus dem Verkauf von selbstgenutztem Wohneigentum auch dann in vollem Umfang steuerfrei ist, wenn zuvor Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer abgesetzt wurden.
Die Kläger hatten innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist ihre selbst bewohnte Eigentumswohnung veräußert. In den Vorjahren hatten sie den Abzug von Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer i.H.v. 1.250 Euro erfolgreich geltend gemacht. Das Finanzamt unterwarf den auf das Arbeitszimmer entfallenden Veräußerungsgewinn von 35.575 Euro der Besteuerung, da insoweit keine steuerfreie eigene Wohnnutzung i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vorliege.
Das FG Köln hat unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer 2012 neu festgesetzt.
Nach Auffassung des Finanzgerichts führt ein häusliches Arbeitszimmer nicht zu einer anteiligen Besteuerung des Veräußerungsgewinnes. Das Arbeitszimmer sei nämlich in den privaten Wohnbereich integriert und stelle kein selbständiges Wirtschaftsgut dar. Eine Besteuerung stünde auch im Wertungswiderspruch zum generellen Abzugsverbot von Kosten für häusliche Arbeitszimmer in § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 1 EStG.
Das beklagte Finanzamt hat die zugelassene Revision beim BFH (Az. IX R 11/18) eingelegt.


Gericht/Institution:FG Köln
Erscheinungsdatum:04.06.2018
Entscheidungsdatum:20.03.2018
Aktenzeichen:8 K 1160/15
Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen v. 04.06.2018 - juris

Gehaltsumwandlung für vorzeitigen Ruhestand führt nicht zu Lohnzufluss



 
Der BFH hat entschieden, dass Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto zur Finanzierung eines vorzeitigen Ruhestandes kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn und deshalb erst in der Auszahlungsphase zu versteuern sind.
Die gelte entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch für Fremd-Geschäftsführer einer GmbH, so der BFH.
Im Streitfall war der Kläger Geschäftsführer einer GmbH, an der er nicht beteiligt war. Er schloss mit seiner Arbeitgeberin eine Wertguthabenvereinbarung. Dabei handelte es sich um eine Vereinbarung zur Finanzierung für den vorzeitigen Ruhestand des Klägers. Er verzichtete auf die Auszahlung laufender Bezüge in Höhe von monatlich 6.000 Euro, die ihm erst in der späteren Freistellungsphase ausgezahlt werden sollten. Die GmbH unterwarf die Zuführungen zu dem Wertguthaben des Klägers nicht dem Lohnsteuerabzug. Das Finanzamt war demgegenüber der Meinung, die Wertgutschriften führten zum Zufluss von Arbeitslohn beim Kläger und forderte die Lohnsteuer nach.
Das Finanzgericht hatte der Klage stattgegeben.
Der BFH hat die Vorinstanz im Ergebnis bestätigt.
Nach Auffassung des BFH unterliegt nur zugeflossener Arbeitslohn der Einkommensteuer und dem Lohnsteuerabzug. Der Kläger habe von der GmbH in Höhe der Gutschriften auf dem Wertguthabenkonto keine Auszahlungen erhalten und habe nach der mit der GmbH abgeschlossenen Wertguthabenvereinbarung über die Gutschriften im Streitjahr auch nicht verfügen können. Die Wertguthabenvereinbarung sei auch keine Vorausverfügung des Klägers über seinen Arbeitslohn, die den Zufluss im Zeitpunkt der Gutschriften bewirkt hätte. Vielmehr habe der Kläger mit der Wertguthabenvereinbarung nur auf die Auszahlung eines Teiles seines Barlohnes zugunsten einer Zahlung in der Freistellungsphase verzichtet. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung gelte dies auch für Fremd-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft wie im Streitfall. Diese seien wie alle anderen Arbeitnehmer zu behandeln. Die bloße Organstellung als Geschäftsführer sei für den Zufluss von Arbeitslohn ohne Bedeutung. Besonderheiten seien allenfalls bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft gerechtfertigt.
Gericht/Institution:BFH
Erscheinungsdatum:04.06.2018
Entscheidungsdatum:22.02.2018
Aktenzeichen:VI R 17/16


Vorinstanz
FG Köln, Urt. v. 26.04.2016 - 1 K 1191/12
Quelle: Pressemitteilung des BFH Nr. 30/2018 v. 04.06.2018 - juris

Kindergeldanspruch eines Gewerbetreibenden bei fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht



 
Der BFH hat entschieden, dass es bei Gewerbetreibenden, die ohne Wohnsitz und ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nur monatsweise tätig sind und antragsgemäß als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, der Anspruch auf Kindergeld für die Monate besteht, in denen sie ihre inländische Tätigkeit ausüben.
Bei Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit komme es für die gebotene monatsweise Betrachtung nicht auf den Zufluss von Einnahmen an, so der BFH.
Im Streitfall lebte der polnische Kläger mit seiner Familie in Polen. In Deutschland war er monatsweise selbstständig im Baugewerbe tätig. Für das Jahr 2012 beanspruchte der Kläger u.a. für den Monat Mai Kindergeld. In dieser Zeit arbeitete er auf einer Baustelle und erzielte gewerbliche Einkünfte. Das Entgelt erhielt er hierfür erst im August 2012. Aus diesem Grund war die Familienkasse der Ansicht, dass das Kindergeld nur für diesen Monat zu berücksichtigen sei. Allerdings hatte die Familienkasse das Kindergeld für den August bereits aus anderen Gründen gewährt.
Der Kläger hatte sich dagegen gewandt und vor dem Finanzgericht das Kindergeld auch für den Monat Mai erstritten.
Der BFH hat die Revision der Familienkasse zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BFH setzt der Kindergeldanspruch in Fällen dieser Art u.a. die antragsgemäße Behandlung des Ausländers als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig und den Aufenthalt der Kinder im Inland oder im EU-Ausland voraus. Auch wenn der Ausländer regelmäßig für das ganze Jahr nach § 1 Abs. 3 EStG als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werde und sich aus dem entsprechenden Einkommensteuerbescheid nicht ergebe, in welcher Zeit er inländische Einkünfte erzielt habe, sei für den Kindergeldanspruch allein das in § 66 Abs. 2 EStG verankerte Monatsprinzip entscheidend.
Der BFH hatte bisher hierzu nur entschieden, dass es bei zeitweise nichtselbstständig tätigen Steuerpflichtigen wie z.B. Saisonarbeitern für den Kindergeldanspruch auf den Zufluss des Lohnes ankommt. Demgegenüber hat der BFH in dem jetzt veröffentlichten Urteil bei einem zeitweise selbstständig Tätigen auf die inländische Tätigkeit und nicht auf den Zufluss des Entgelts abgestellt. Damit werde sichergestellt, dass der Kindergeldanspruch nicht von Zufälligkeiten oder selbst gewählten Gestaltungsformen abhänge. Ob hieraus folgt, dass an der bisherigen zuflussorientierten Beurteilung bei Saisonarbeitnehmern nicht mehr festzuhalten sei, hat der BFH ausdrücklich offen gelassen.


Gericht/Institution:BFH
Erscheinungsdatum:04.06.2018
Entscheidungsdatum:14.03.2018
Aktenzeichen:III R 5/17
Vorinstanz
FG Stuttgart, Urt. v. 18.01.2017 - 3 K 3219/16
Quelle: Pressemitteilung des BFH Nr. 29/2018 v. 04.06.2018 - juris

Gesetzliche Neuregelungen im Juni 2018



 
Die Bundesregierung hat über die gesetzlichen Neuregelungen ab Juni 2018 informiert: Während der Fußball-WM können auch bei späten Anstoßzeiten die Spiele auf Großleinwänden im Freien verfolgt werden und die neue Datenschutz-Grundverordnung schafft in der EU einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Umgang mit personenbezogenen Daten.
Ein modernes Datenschutzrecht für alle Europäer
Die Datenschutz-Grundverordnung schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen, der den freien Verkehr personenbezogener Daten in der EU gewährleistet. Zugleich wird das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten aus Art. 8 der Europäischen Grundrechtecharta gestärkt. Ergänzend tritt das neue Bundesdatenschutzgesetz in Kraft. Das neue Datenschutzrecht gilt seit dem 25.05.2018 in Deutschland und in der gesamten EU.
Zukunft deutscher Polizeiarbeit gestärkt
Das Bundeskriminalamt wird neu und zukunftssicher aufgestellt. Die Regelungen zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes sind am 25.05.2018 in Kraft getreten. Die Befugnis zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung für sog. Gefährder gilt bereits seit Juni 2017.
Mehr Sicherheit in Europa
Daten von Flugreisenden können künftig zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität verwendet werden. Dazu wird der Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten verbessert. Das Gesetz setzt eine EU-Richtlinie um und ist schon teilweise in Kraft. Weitere Teile sind am 25.05.2018 in Kraft getreten.
Fußball-Weltmeisterschaft: Public Viewing auch abends
Während der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland kann der Lärmschutz gelockert werden. So ist es möglich, auch in den Abendstunden die Fußballspiele öffentlich und im Freien zu übertragen. Über diese Ausnahmen entscheiden die Behörden vor Ort. Die Verordnung ist am 05.05.2018 in Kraft getreten.
Deutsch-philippinisches Abkommen zur sozialen Sicherheit
Das deutsch-philippinische Sozialversicherungsabkommen stellt den sozialen Schutz im Bereich der jeweiligen Rentenversicherungssysteme sicher. Das gilt insbesondere für den Fall, dass sich Versicherte im jeweils anderen Vertragsstaat aufhalten. Das Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und den Philippinen tritt am 01.06.2018 in Kraft.
Quelle: Pressemitteilung der BReg v. 31.05.2018 - juris

Steuergarantien für die UEFA



 
Die Bundesregierung unterstützt die Bewerbung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland.
Gemäß den Anforderungen der Europäischen Fußball-Union (UEFA) habe der DFB die Bundesregierung um Abgabe von Regierungsgarantien gebeten, heißt es in er Antwort der Bundesregierung (BT-Drs. 19/2323 – PDF, 94 KB) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (BT-Drs. 19/2044 – PDF, 125 KB). Dazu würden auch steuerliche Garantien gegenüber der UEFA gehören. Angaben zu den Konditionen und zum Personenkreis will die Bundesregierung wegen des Steuergeheimnisses nicht machen. Die Bundesregierung erinnert in der Antwort an die positiven wirtschaftlichen Effekte durch internationale Sport-Großveranstaltungen. So sei allein zum Auftakt der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die Zahl der Übernachtungen um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Quelle: hib – heute im bundestag Nr. 355 v. 31.05.2018 - juris

Bessere Lernförderung durch Teilhabepaket



 
Künftig soll eine Lernförderung über Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes auch möglich sein, wenn die Versetzung eines Kindes nicht unmittelbar gefährdet ist.
Das kündigt die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drs. 19/2268 – PDF, 334 KB) auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 19/1806 – PDF, 137 KB) der FDP-Fraktion an. Die Regierung verweist dabei auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD, der verbesserte Leistungen für Bildung und Teilhabe vorsieht.
Quelle: hib - heute im bundestag Nr. 348 v. 30.05.2018 - juris

Kostenübernahme von Medizinal-Cannabis nur bei "Mindestevidenz"

Das SG Nürnberg hat entschieden, dass ein Patient nicht allein deswegen einen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis ha...