Montag, 11. Juni 2012

Bei Einsetzung - wie hier - als (Mit-)Erbe wird im Zuge des Erbfalls Vermögen übertragen

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,Urteil vom 16.02.2012,- L 6 AS 20/09 -

Grundsätzlich verwertbares Vermögen sind der Erbteil selbst, der verkauft oder verpfändet werden kann, einzelne Gegenstände und auch der Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft.


Bereits mit dem Erbfall kann der Erbe über seinen Anteil am Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 S. 1 BGB), ohne dass es auf die Durchsetzung von Ansprüchen etwa gegen die Miterben ankommt (BSG Urt v 27. 1. 2009, B 14 AS 42/07 R; s auch Urt v 16.12.2007, B 4 AS 70/07 R; vgl. auch Löns in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 11 Rn. 6, 7).



Ein vom Kläger behaupteter Hilfebedarf kann nur dann positiv festgestellt werden, wenn er diesen plausibel darlegt und diese Darlegung im Gesamtzusammenhang bereits die Überzeugung des Gerichts begründet, dass der vorgetragene Sachverhalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zutrifft, oder sich diese Überzeugung durch die Beweiserhebung des Gerichts ergibt (s auch Beschl des Senats v 25.10.2010, L 6 AS 171/10, juris Rn.17; s dazu auch Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 9 Rn. 102, 103, mwN).

Sonntag, 10. Juni 2012

RA Helge Hildebrandt, Sozialberatung Kiel: Tilgungsraten bei Eigentumswohnung vom Jobcenter zu übernehmen

Mit Urteil vom 21.02.2012 hat das Sozialgericht Kiel erneut entschieden, dass bei selbst genutztem Wohneigentum auch die Tilgungsraten bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer vergleichbaren Mietwohnung vom Jobcenter nach § 22 Abs. 1 SGB II übernommen werden müssen. Zur Begründung hat die 40. Kammer zutreffend – wenngleich auch sehr knapp – ausgeführt:


Tilgungsraten bei Eigentumswohnung vom Jobcenter zu übernehmen « Sozialberatung Kiel

Nach der Definition des § 8 Abs. 2 SGB 2 besteht Erwerbsfähigkeit bei Ausländern erst dann, wenn sie einer Beschäftigung im Sinne § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB 4 nachgehen können

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2012,- L 9 AS 47/12 B ER -

1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB 2 greift bei EU-Bürgern dann ein, wenn diese noch keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt haben.


2. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB 2 verstößt weder gegen europäisches Primärrecht (Art. 18, 21 AEUV, Art. 45 AEUV) noch gegen europäisches Sekundärrecht (Art. 4 EGV 883/2004). Diese Rechtsauffassung hat hinsichtlich des europäischen Sekundärrechts auch vor dem Hintergrund der zum 1. Mai 2010 in Kraft getretenen EGV 883/2004 weiterhin Gültigkeit - Fortführung der bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschluss des Senats vom 2. August 2007 - L 9 AS 447/07 ER -).


3. Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ungeeignet, eine Klärung europarechtlicher Fragen durch Aussetzung und Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes herbeizuführen.

Samstag, 9. Juni 2012

Anmerkung von RA Prof. Dr. Hermann Plagemann zu LSG NRW, Beschl. v. 26.04.2012 - L 7 AS 552/12 B ER - rechtskräftig

LSG NRW, Beschl. v. 26.04.2012 - L 7 AS 552/12 B ER - rechtskräftig

SGB II §§ 31, 31a, 34
Auch wenn Zahlungen aus einem Zivilprozess grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sind, ändert dies nichts an der Hilfebedürftigkeit, sofern der Antragsteller vor der Antragstellung diese Zahlungen zur Schuldentilgung verbraucht hat.

LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2012 - L 7 AS 552/12 B ER, BeckRS 2012, 69350

Anmerkung von Hermann Plagemann

Sachverhalt

Der Antragsteller hat im Februar 2012 Leistungen nach dem SGB II beantragt und glaubhaft gemacht, dass er aktuell nicht über ausreichendes Einkommen verfügt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zahlungen aus einem Zivilprozess, die im November 2011, Dezember 2011 und Januar 2012 erfolgt sind, hatte er zuvor zur Schuldentilgung verwandt.
Der Grundsicherungsträger (und das SG) weisen den Antrag ab mit der Begründung, der vorzeitige Verbrauch von einmaligen Einnahmen wegen Schuldentilgung sei unbeachtlich. Die Zahlungen aus dem Zivilprozess seien fiktiv anzurechnen.

Entscheidung

Das LSG verpflichtet den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, allerdings nur in Höhe von 70 % der Regelleistung, längstens bis einen Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides.

Durch den vorzeitigen Verbrauch der aus dem Zivilprozess erlangten Einnahmen zur Schuldentilgung war der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung hilfebedürftig. Soweit in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, ein vorzeitiger Verbrauch von einmaligen Einnahmen, z.B. wegen Schuldentilgung, sei unbeachtlich (z.B. LSG Bayern, BeckRS 2009, 65222), wird diese Auffassung vom erkennenden Senat nicht geteilt.

Eine fiktive Anrechnung ist im Hinblick auf die Regelungen der §§ 31 Abs. 2, 31a, 34 SGB II nicht gerechtfertigt. Die Sanktionsregelung des § 31a SGB II besagt, dass auch dem Verschwender gekürztes Alg II zu gewähren ist, belastet mit der Ersatzforderung nach § 34 SGB II. Mögliche Ersatzansprüche gegen den Hilfebedürftigen stehen der Annahme der Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Es bleibt dem Leistungsträger im Übrigen unbenommen zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der §§ 31 Abs. 2, 31a, 34 SGB II gegeben sind.

Der Senat begrenzt den Anspruch aber auf 70 % der Regelleistungen, und zwar im Hinblick auf die Möglichkeit einer Absenkung gemäß § 31a Abs. 1 SGB II.

Hinsichtlich der Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kosten der Unterkunft und Heizung fehlt es am erforderlichen Anordnungsgrund. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im einstweiligen Rechtsschutzfahren ist es erforderlich, dass Wohnungs- und Obdachlosigkeit droht.

Praxishinweis

Ob sich die vom LSG Nordrhein-Westfalen vertretene Rechtsauffassung wirklich durchsetzt, bleibt abzuwarten: Wer als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II Einnahmen zur Schuldentilgung verwendet, muss sich wohl auch künftig fiktiv dies als Einnahme anrechnen lassen. Empfänger von Leistungen nach dem SGB II haben umfassenden Pfändungsschutz gemäß den §§ 850 ff. ZPO. Etwas anderes gilt, wenn die Schuldentilgung zu Zeiten erfolgt, in denen der Antragsteller (noch) nicht hilfebedürftig, vielleicht auch mit einer Hilfebedürftigkeit nicht zu rechnen war.

Nicht zu entscheiden hatte das LSG die Frage, ob der Antragsteller die Schuldentilgung mit dem Ziel vorgenommen hat, danach Leistungen nach dem SGB II in Anspruch zu nehmen. Ob danach zu differenzieren ist, ob das Darlehen, welches zurückgezahlt wurde, tatsächlich fällig war oder erst in Zukunft fällig sein wird, darüber hatte das LSG ebenfalls nicht zu befinden.


Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte, Frankfurt am Main
(aus: Fachdienst Sozialversicherungsrecht Ausgabe 10/2012 vom 8. Juni 2012)

Quelle: LSG NRW: Vorzeitiger Verbrauch einmaliger Einnahmen hindert Antrag auf Grundsicherung - Erwerbslosen Forum Deutschland (Forum)


Freitag, 8. Juni 2012

Ein Umzug ist erforderlich, wenn er der Reduzierung der Kosten der Unterkunft dient.

Sächsisches Landessozialgericht,Beschluss vom 05.04.2012,- L 7 AS 425/11 B ER -

Zur Erteilung der Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist der kommunale Träger nach Satz 2 der Vorschrift lediglich verpflichtet, wenn die Kosten der neuen Unterkunft ihrerseits angemessen sind und der Umzug erforderlich ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass auch nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung der Zusicherung besteht. Ein Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde (SächsLSG, Beschluss vom 12.03.2012, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.2009 - L 2 AS 4587/09, zitiert nach Juris, RdNr. 43; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2009 - L 29 AS 1196/09 B ER, zitiert nach Juris, RdNr. 29).


Hierfür sprechen auch die in der amtlichen Begründung zur Neuregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (BT-Drucks. 16/1410 S. 23) genannten Beispiele eines erforderlichen Umzugs: Umzug zur Eingliederung in Arbeit, aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 12.03.2012, a.a.O.; SG Dortmund, Urteil vom 04.10.2010 - S 31 AS 317/08, zitiert nach Juris, RdNr. 18).



 Von der Rechtsprechung sind u. a. eine ungünstige Wohnflächenaufteilung bei bevorstehender Geburt eines Kindes, die bevorstehende Geburt eines weiteren Kindes bei Unzumutbarkeit der Wohnungssuche kurz nach der Geburt, eine Summierung unterwertiger Wohnverhältnisse (schlechte sanitäre Verhältnisse und Ofenheizung bei älterem, gesundheitlich angeschlagenen Leistungsbezieher; Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses in einer Wohngemeinschaft) und der Rückbau der bisherigen Wohnung als Gründe für die Erforderlichkeit eines Umzugs angesehen worden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.09.2009 - L 34 AS 1724/08, zitiert nach Juris; SG Dresden, Urteil vom 08.01.2010 - S 23 AS 1952/09, zitiert nach Juris, RdNr. 24).


Mehr oder minder nachvollziehbare Gründe unterhalb der Erforderlichkeitsschwelle rechtfertigen jedoch auch geringfügige Mehrkosten nicht (Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 RdNr. 49; z. B. Umzug in eine Wohnung mit Aufzug mit Kleinkind, das noch nicht laufen kann, bei bestehenden Rückenschmerzen der Mutter: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.2009 - L 2 AS 4587/09, zitiert nach Juris, RdNrn. 44 ff).

Unter Beachtung dieser Maßgaben haben die Antragsteller vorliegend einen Anordnungsanspruch für den Umzug in die neue Wohnung glaubhaft gemacht.
Der Umzug ist vorliegend erforderlich, er dient nämlich der Reduzierung der Kosten der Unterkunft. Für die bisherige Wohnung fielen die Grundmiete 620,00 EUR/Monat sowie Vorauszahlungen auf Nebenkosten und Heizkosten in Höhe von 140,00 EUR/Monat, mithin insgesamt Kosten in Höhe von 760,00 EUR/Monat, an. Für die neue Wohnung sind eine Grundmiete in Höhe von 460,00 EUR/Monat, Nebenkosten in Höhe von 124,00 EUR/Monat und Heizkosten in Höhe von 100,00 EUR/Monat, mithin Gesamtkosten in Höhe von 684,00 EUR/Monat, zu zahlen. Von dem Grund des Umzugs, die monatlichen Wohnungskosten - trotz Zuwachses der Bedarfsgemeinschaft durch die Geburt des Antragstellers zu 4) - um 76,00 EUR zu reduzieren, würde sich auch eine Nichtleistungsempfänger leiten lassen.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Berliner Piraten entern WAV (Wohnungsaufwendungsverordnung) für mehr Kosten der Unterkunft von Hartz IV Empfängern

Gestern veranstalteten die Berliner Piratenfraktion unter Leitung ihres sozialpolitischen Sprechers,  Alexander Spies, eine öffentliche Anhörung zur Wohnungsaufwendungsverordnung (WAV). Experten nahmen Stellung zur Wohnungsaufwendungsverordnung (WAV) die seit dem 1. Mai 2012 die Höhe der Kosten für die Unterkunft von Hartz IV- und Grundsicherungsempfängern beschränkt.
In einem waren sich die Experten einig: Der Preis für einen qm Wohnraum von 4,91 € ist angesichts massiv steigernder Mieten in Berlin völlig unzureichend.

Was es mit der WAV auf sich hat: Erstmals werden Höchstmieten für Hartz IV Empfänger in einer Verordnung festgelegt.  Anders als die internen Ausführungsvorschriften (ZB AV Wohnen) der Jobcenter handelt es sich um geltendes von den Gerichten zu beachtendes Recht. Die Gericht müssen allerdings prüfen, ob die Verordnung dem übergeordneten Gesetz, d.h. dem SGB II nicht widerspricht. Eine Verwerfungskompetenz hat das Sozialgericht allerdings nicht. Gegen die WAV kann man vor dem Landessozialgericht ein Normenkontrollverfahren einleiten. Das Normenkontrollverfahren kann jeder Hartz IV Empfänger und Empfänger von  Leistungen der Grundsicherung, der in Berlin Leistungen erhält betreiben.

§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II findet keine Anwendung,wenn der Einkommensbezieher nicht zugleich der Unterhaltsverpflichtete ist.

Sozialgericht Magdeburg,Urteil vom 16.03.2012,- S 11 AS 7433/10 -,
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.

Insoweit teilt die Kammer nicht die vom Landessozialgericht ... im Beschluss vom 27. Januar 2009 (L 32 AS 3/09 B ER vertretene abweichende Auffassung, wonach es sich bei einem titulierten Unterhaltsanspruch um einen erhöhten Bedarf handele, der zur eigenen Existenzsicherung hinzutrete.


Die in einer solchen Konstellation vorliegende titulierte Unterhaltsverpflichtung gehört nicht zum Bedarf des Hilfebedürftigen bzw. der Bedarfsgemeinschaft, den es nach § 19 ff. SGB II durch Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, Mehrbedarfe und Kosten der Unterkunft und Heizung zu decken gilt (vgl. auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. Dezember 2006 – L 13 AS 2/06 ER).


 

Kostenübernahme von Medizinal-Cannabis nur bei "Mindestevidenz"

Das SG Nürnberg hat entschieden, dass ein Patient nicht allein deswegen einen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis ha...