Freitag, 30. August 2013

Apotheker haftet bei grob fehlerhafter Medikamentenabgabe wie Arzt


Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln, der die Spezialzuständigkeit für Arzthaftungsverfahren hat, hat mit Urteil vom 7. August 2013 eine bislang ungeklärte Haftungsfrage entschieden: Gibt ein Apotheker in grob fehlerhafter Weise ein falsches Medikament an einen Patienten aus und bleibt unaufklärbar, ob ein gesundheitlicher Schaden des Patienten auf diesen Fehler zurückzuführen ist, muss der Apotheker beweisen, dass der Schaden nicht auf der Fehlmedikation beruht.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger wurde im Juni 2006 mit einem Down-Syndrom (freie Trisomie 21) und einem Herzfehler geboren. Für September 2006 war eine Herzoperation geplant. Zur zwischenzeitlichen Behandlung sollte der Kläger ein digitalishaltiges, herzstärkendes Medikament erhalten. Aufgrund eines Versehens stellte der Arzt das Rezept in einer 8-fach überhöhten Dosierung aus. Der Apotheker, der nach Ansicht des Gerichts angesichts des Alters des Patienten die Überdosierung hätte erkennen müssen, verkaufte dennoch das Medikament entsprechend der verschriebenen Rezeptur. Nach wenigen Tagen der Einnahme des Medikamentes erlitt der Kläger einen Herzstillstand und musste über 50 Minuten hinweg reanimiert werden. Zudem war der Darm des Klägers  beschädigt. Der Kläger (vertreten durch seine Eltern) nimmt nun sowohl den Arzt wie den Apotheker auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 200.000,00 Euro in Anspruch.
Nachdem das Landgericht der Klage weit überwiegend stattgegeben hatte, hat das Oberlandesgericht auf Berufung der Beklagten die Verurteilung dem Grunde nach bestätigt und lediglich die Höhe des Schmerzensgeldes noch offen gelassen. Der Senat stellte fest, der Kläger habe 5 Jahre nach der Falschbehandlung eine Hirnschädigung in Form eines erheblichen Entwicklungsrückstands aufgewiesen: im Alter von fünf Jahren sei der Kläger noch nicht in der Lage gewesen, zu sprechen, zu laufen oder selbständig zu essen. Zwar sei unklar geblieben, ob der Entwicklungsrückstand auf die Falschmedikation und den Sauerstoffmangel nach dem Herzstillstand oder den angeborenen genetischen Defekt zurückzuführen sei. Dies gehe hier jedoch nicht zu Lasten des Klägers. Vielmehr müssten der Arzt und der Apotheker beweisen, dass der Schaden nicht aufgrund der Überdosierung entstanden sei. Dies sei ihnen nicht gelungen.
Für den Bereich der Haftung von Ärzten für Behandlungsfehler ist seit langem folgende Verteilung der Beweislast anerkannt: liegt nur ein sog. einfacher Behandlungsfehler vor, muss der Patient beweisen, dass ein Schaden auf der fehlerhaften Behandlung beruht. Bei einem groben Behandlungsfehler dagegen wird vermutet, dass der Schaden kausal auf den Fehler zurückgeht. Dies ist nun auch in dem seit 26.2.2013 geltenden Patientenrechtegesetz ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 630h Abs. 5 BGB).
Diese Grundsätze hat der Senat nun auch auf die Haftung von Apothekern übertragen und damit eine bisher in der Rechtsprechung ungeklärte Frage erstmals entschieden. Ein solcher Fehler wie der vorliegende dürfe einem Apotheker schlechterdings nicht unterlaufen, so der Senat. Angesichts des hochgefährlichen Medikamentes habe der Apotheker in ganz besonderer Weise Sorgfalt walten lassen und den Fehler im Rezept erkennen müssen. Es handele sich somit um einen groben Fehler. Die Anwendung der Grundsätze des groben Behandlungsfehlers auf vergleichbar schwerwiegende Fehler von Apothekern sei geboten, weil die Sach- und Interessenlage gleichgelagert sei. Gerade bei der fehlerhaften Verabreichung von Medikamenten wie im vorliegenden Fall könne das Zusammenwirken von Arzt, Apotheker und Medikament nicht sinnvoll getrennt werden.
Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Insbesondere die Frage, ob die Grundsätze zum „groben Behandlungsfehler“ auf Apotheker entsprechend anzuwenden seien, habe grundsätzliche Bedeutung.
Quelle: Justiz online OLG Köln

Beleidigung durch Aushang diffamierenden Schreibens an Wohnungstür

Das AG München hat entschieden, dass auch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen keine Schreiben mit beleidigendem Inhalt öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen.
Zwischen zwei Eigentümern einer Wohnungseigentumsgemeinschaft in München kam es schon länger zu Streitigkeiten. Eine Eigentümerin beschwerte sich darüber, dass von einer anderen Partei im Hause ständig Lärmbelästigungen ausgingen. Ende November 2011 eskalierte der Streit. Die Eigentümerin, die sich belästigt fühlte, befestigte an der Außenseite der Wohnungseingangstüre der anderen mit Tesafilm ein handgeschriebenes Schriftstück, das mit den Worten begann: "ihr unverschämtes, egoistisches Herumschlagen in den frühen Morgenstunden [...]". Jeder, der vorbeikam, konnte das Schreiben lesen. Die so Beschimpfte verlangte von der anderen Wohnungseigentümerin, dass diese zusichere, kein Schreiben mehr hinzuhängen oder sonst irgendwo in dem Anwesen öffentlich bekannt zu machen. Das Schreiben sei sehr verletzend und beleidigend. Sie habe nur die Wahrheit gesagt, so die andere, beleidigend sei dies nicht. Es kam zur Klage vor dem AG München.
Das AG München hat der Klage stattgegeben und die Gegenseite zur Unterlassung verurteilt. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro, ersatzweise sechs Monate Ordnungshaft angedroht.
Nach Auffassung des Amtsgerichts hat die Beklagte keinen Anspruch darauf, Schreiben mit beleidigendem Inhalt gegen die Klägerin öffentlich zugänglich zu machen. Sie könne sich auch dann nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, wenn die zugrunde liegenden Vorwürfe zutreffen sollten. Es könne daher dahinstehen, ob die Vorwürfe berechtigt seien. Die Beklagte können zur Durchsetzung ihrer Rechte andere Wege beschreiten, zum Beispiel den einer Klage gegen die Lärmbelästigungen. Sie hätte auch ein verschlossenes Schreiben schicken können oder ihr Anliegen im Rahmen einer Eigentümerversammlung vortragen können. Das Schreiben sei beleidigend und habe einen verletzenden Inhalt. Zunächst sei von "unverschämten egoistischem Herumschlagen" der Gegenseite die Rede, ebenso auch davon, dass die Klägerin den Hausfrieden "durch ihre sechsmonatige Renovierungsarbeiten sowie auch noch danach durch viele Vorfälle bis aufs äußerste beeinträchtigt" habe. Diese Äußerungen seien wertend und geeignet, die Klägerin zu diffamieren. Das Anheften eines für jeden Passanten sicht- und lesbaren Zettels diene allein dem Zweck, die Gegenseite in Misskredit zu bringen. Eine Rechtfertigung sei hierfür nicht ersichtlich.
Das Urteil ist rechtskräftig.

Gericht/Institution:AG München
Erscheinungsdatum:26.08.2013
Entscheidungsdatum:15.05.2012
Aktenzeichen:481 C 2412/12 WEG
Quelle: juris

Donnerstag, 29. August 2013

Was ist ein Winkeladvokat? Ist der etwa mit allen Wassern gewaschen und beherrscht alle Winkelzüge?

Die Rechtsprechung weiss es: "Unter einem Winkeladvokaten sei derjenige zu verstehen, der eine Sache entsprechend seinem Berufsstand nicht verantwortungsbewusst zu vertreten befähigt sei." Oberlandesgericht Köln, 18.07.2012 - 16 U 184/11.

Da hatte doch glatt ein Rechtsanwalt in einem Prozess einen Kollegen als Winkeladvokaten  bezeichnet. Der Beleidigte hatte den Collegen nicht zum Duell gefordert, sondern gegen den Collegen geklagt, sich also des modernen Duells mit ungewissen Ausgangs bedient. Anders als bei den Duellen des 18. und 19. Jahrhunderts kam es nicht darauf an ob der erste, sondern der letzte Schuss trifft.

Und der traf:
So ging der Streit bis vor Bundesverfassungsgericht BVerfG, 02.07.2013 - 1 BvR 1751/12 das entschied, die Bezeichnung eines anderen als Winkeladvokat sei dann nicht unzulässig, wenn sie in einem Prozess und nicht in  der Öffentlichkeit getätigt sei. Die bisher ergangenen Urteile zugunsten des geharnischten Collegen wurden aufgehoben.



Warnung vor gefälschten Gerichtskostenrechnungen

Das baden-württembergische Justizministerium warnt vor gefälschten Kostenrechnungen im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren.

In den bisher bekannt gewordenen Fällen wurde in gefälschten Rechnungen auf tatsächliche Gerichtsverfahren (Restschuldbefreiungsverfahren und Vereinsregisterverfahren) Bezug genommen. Die angegebene internationale Kontonummer IBAN des Zahlungsempfängers lässt auf eine bulgarische Bankverbindung schließen. Auch in Hessen und Bayern sind kürzlich gefälschte Kostenrechnungen aufgetaucht.
Im Verdachtsfall sollte die auf den Kostenrechnungen angegebene IBAN-Nummer kontrolliert werden. Beginnt sie nicht mit DE als Kennzeichnung für eine inländische Bankverbindung, kann das ein Hinweis auf eine Fälschung sein. Das Justizministerium rät zudem, im Zweifel bei der auf der Rechnung angegebenen, ausstellenden Behörde nachzufragen.

Gericht/Institution:Landesportal BW
Erscheinungsdatum:27.08.2013
Quelle: juris

Mittwoch, 28. August 2013

Jugendamt kann bei Schulverweigerung eingreifen

Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Jugendamt eingreifen darf, wenn ein elfjähriger Junge nicht zur Schule geht und die Eltern die Schulunlust ihres Kindes akzeptieren.
Die Eltern könnzen zur Unterstützung eines Schulbesuchs ihres Kindes verpflichtet werden, so das Oberlandesgericht.
Der heute elfjährige Junge wohnt bei seinen 49 und 51 Jahre alten Eltern im Kreis Warendorf. Er ist das jüngste Kind der Familie. Im Alter von sieben Jahren eingeschult, fehlte der Junge bereits im ersten Schuljahr an über 40 Tagen in der örtlichen Grundschule, von der ihn die Eltern im Jahre 2010 abmeldeten. In den nächsten Jahren besuchte er zwei weitere Grundschulen, an denen er nur wenige Tage blieb. Ein im Jahre 2012 unternommener Versuch, das Kind durch Lehrkräfte zu Hause zu beschulen, um eine Wiedereingliederung in eine Schule vorzubereiten, scheiterte. Der Junge wird zurzeit durch seine Mutter, von Beruf Informatikerin, unterrichtet und verfügt über einen altersgerechten Wissenstand. In der Vergangenheit lehnten es die Eltern ab, den Jungen gegen seinen Willen auf eine öffentliche Schule zu schicken.
Das OLG Hamm hat den Eltern das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten entzogen und dieses dem zuständigen Jugendamt übertragen. Dabei hat er davon abgesehen, das Kind aus dem elterlichen Haushalt herauszunehmen und die Eltern verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Junge der Schulpflicht nachkommt und ihn zum Schulbesuch zu motivieren.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das geistige und seelische Wohl des Kindes trotz des altersgerechten Wissensstandes gefährdet. Im Hinblick auf die Weigerung des Kindes, zur Schule zu gehen, hätten die Eltern in der Erziehung versagt. Das bestätige das Gutachten des im Verfahren gehörten Sachverständigen. Zurzeit setzten die Eltern dem Kind keine Grenzen und Regeln, Pflichten seien diesem unbekannt. Da die Eltern die Schulpflicht des Kindes nicht akzeptierten und es in seiner Schulunlust förderten, würden dem Jungen die Bildungsinhalte einer weiterführenden Schule vorenthalten. Die Mutter werde trotz ihrer Ausbildung nicht in der Lage sein, sämtliche Lerninhalte einer weiterführenden Schule adäquat zu vermitteln. Ein Schulbesuch solle Kindern auch die Gelegenheit verschaffen, in das Gemeinschaftsleben hineinzuwachsen. Soziale Kompetenzen könnten effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft nicht nur gelegentlich stattfänden, sondern Teil einer mit einem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung seien. Der in der Familie gut integrierte Junge könne zumindest vorerst im familiären Umfeld bleiben, deswegen sei den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr Kind zu belassen. Zu entziehen sei ihnen aber das Recht zur Regelung seiner schulischen Angelegenheiten, weil sie nicht Willens und in der Lage seien, die Schulpflicht durchzusetzen. Mit den erteilten Auflagen würden die Eltern angehalten, künftige Versuche, die Schulverweigerungshaltung des Jungen aufzulösen, zu unterstützen.
Der Beschluss ist rechtskräftig.

Quelle:  juris
Gericht/Institution:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:26.08.2013
Entscheidungsdatum:12.06.2013
Aktenzeichen:8 UF 75/12

Dienstag, 27. August 2013

Keine Grundsicherung für Arbeitssuchende bei Verschweigen von Einkünften

Das LSG Essen hat entschieden, dass erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit bestehen, wenn ein Hartz-IV-Empfänger bereits einmal Einnahmen verschwiegen hat.
Bereits in einem früheren Klageverfahren hatte das LSG Essen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des 34-jährigen "Hartz-IV-Empfängers", der seit Jahren im Leistungsbezug bei dem Jobcenter Bad-Oeynhausen steht, abgelehnt. Dieser hatte Kontoauszüge vorgelegt, aus denen u.a. Abbuchungen für Bezahlfernsehen, Handy- und Internetkosten in Höhe von monatlich 100 bis 140 Euro, Versicherungen etc. hervorgingen. Barabhebungen oder Lastschriften bzgl. Ausgaben des täglichen Bedarfs fehlten über zwei Jahre vollständig. Das Landessozialgericht hatte daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass der Antragsteller über verschwiegene Einnahmen verfügen müsse. Daran anknüpfend lehnte das Jobcenter die Bewilligung von Leistungen für den neuen Bewilligungsabschnitt erneut ab.
Das LSG Essen gab dem Jobcenter in einem nachfolgenden Eilverfahren Recht.
Solange der "Hartz-IV-Empfänger" nicht bereit sei darzulegen, warum offensichtlich zuvor vorhandene Einnahmequellen, die er dem Grunde nach selbst einräume, versiegt sein sollten, bestünden erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit – eine von mehreren Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch. Allein das Auflaufenlassen von Miet- und Stromschulden führe nicht dazu, dass nunmehr von dem behaupteten Wegfall von zuvor verschwiegenen Einnahmen auszugehen sei. Vielmehr lasse der Umstand, dass der Antragsteller seinen gesamten Lebensstil (zu große und um ca. 100 Euro zu teure Wohnung, HTC-Handy und Internetanschluss über sehr kostenintensive Verträge, Bezahlfernsehen, Unfallversicherung) nicht von sich aus geändert und dem behaupteten Wegfall der Einnahmen angepasst habe, weiterhin nur den Schluss zu, dass keine Bedürftigkeit gegeben sei.
Dem Landessozialgericht erschien es auch nicht nachvollziehbar, dass Familie und Freunde den Antragsteller zwar mit – lediglich – einer Mahlzeit pro Tag und kleineren Geldbeträgen versorgt haben wollten, sich aber nicht abgesprochen hatten, wie eine lückenlose Nahrungsaufnahme trotz der Zahlungseinstellung durch das Jobcenter gewährleistet werden könnte.
Der Beschluss ist rechtskräftig.


Gericht/Institution:Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Erscheinungsdatum:20.08.2013
Entscheidungsdatum:05.08.2013
Aktenzeichen:L 2 AS 546/13 B ER
 
Quelle: juris

Montag, 26. August 2013

Entschädigung für Demonstranten nach Biss durch Polizeihund

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass einem Demonstrationsteilnehmer, der während einer Demonstration von einem Polizeihund gebissen wurde, gegen das Land Hessen eine Entschädigung in Höhe von 300 Euro zusteht.
Der Kläger hatte am 02.10.2011 in Gießen mit etwa 500 weiteren Personen an einem Demonstrationszug teilgenommen, der sich gegen eine Festveranstaltung des Konsulats von Eritrea richtete. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wurden vor Ort etwa 50 Polizisten eingesetzt. Am Tor des Veranstaltungsgeländes stockte der Demonstrationszug, weil es zu aggressiven Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern der Festveranstaltung und Demonstranten kam. Um die beiden Gruppen auseinanderzuhalten, setzte die Polizei unter anderem Diensthunde ein, die jeweils angeleint und mit einem Maulkorb versehen waren. Die Hunde waren so trainiert, dass sie auf Kommando gezielt die Oberkörper einzelner Störer ansprangen und diese anbellten. Auch der Kläger wurde in dieser Weise von einem Hund mit der Schnauze angestoßen. Daraufhin zog er sich zurück und bemühte sich, andere, aufgebrachte Demonstrationsteilnehmer von einem erneuten Vordringen abzuhalten. Er stellte sich mit erhobenen Armen vor sie und forderte sie auf, den Anordnungen der hinter ihm stehenden Polizisten zu folgen. In diesem Moment biss ihn einer der Polizeihunde von hinten in den Arm. Dieser Hund war zuvor von einem Demonstrationsteilnehmer derart getreten worden, dass sein Maulkorb verrutschte. Durch den Biss erlitt der Kläger eine sechs Zentimeter lange Fleischwunde, die ärztlich behandelt werden musste. Der Kläger wirft dem Polizeibeamten, der den Hund geführt hat, grobes Verschulden vor und fordert von dem Land Hessen als Dienstherrn des Beamten ein Schmerzensgeld nicht unter 3.000 Euro.
Das LG Gießen hatte die Klage abgewiesen, da es keine Amtspflichtverletzung des den Hund führenden Polizeibeamten habe feststellen können.
Das OLG Frankfurt hat auf die Berufung des Klägers hin die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und sprach ihm eine Entschädigung von 300 Euro zugesprochen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der mit dem Hundebiss verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Klägers dem beklagten Land zuzurechnen. Zwar handele es sich bei der Verletzung um eine ungewollte Folge des Polizeihundeeinsatzes, zu der es nur durch das Fehlverhalten eines unbesonnenen Demonstrationsteilnehmers und eine unglückliche Verkettung von Umständen gekommen sei. Jedoch habe sich durch die Bissverletzung eine mit dem Einsatz von Polizeihunden verbundene besondere Gefahr verwirklicht. Die Verletzung lege dem Kläger ein Sonderopfer auf. Zwar habe dieser keinen ausreichenden Sicherheitsabstand zu dem Hund eingehalten, aber auch nicht damit rechnen müssen, dass er wegen des Fehlverhaltens eines anderen Demonstrationsteilnehmers von dem Hund gebissen würde. Zur Kompensation des erlittenen immateriellen Schadens sei eine Entschädigung von 300 Euro angemessen, wobei nicht unberücksichtigt bleiben könne, dass der Kläger bei seinem geschilderten Verhalten wenn auch aus achtenswerten Gründen das Gebot der Eigensicherung unzureichend beachtet habe.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Gericht/Institution:OLG Frankfurt
Erscheinungsdatum:23.08.2013
Entscheidungsdatum:20.08.2013
Aktenzeichen:1 U 69/13
Quelle: juris

Kostenübernahme von Medizinal-Cannabis nur bei "Mindestevidenz"

Das SG Nürnberg hat entschieden, dass ein Patient nicht allein deswegen einen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis ha...