Mittwoch, 10. Juni 2015

Einkommensteuerentrichtungspflicht bei Zwangsverwaltung


Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung geändert und entschieden, dass neben dem Schuldner auch der Zwangsverwalter die aus der Zwangsverwaltung eines (vermieteten) Grundstücks resultierende Einkommensteuer an das Finanzamt entrichten muss.
Er habe insoweit als Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners als eigene zu erfüllen (§ 34 Abs. 3 i.V.m. § 33 AO). Daran ändere sich nichts, wenn während fortbestehender Zwangsverwaltung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird, so der BFH.
Geklagt hatte ein Insolvenzverwalter, der vom Finanzamt auf Zahlung (Entrichtung) der Einkommensteuer des Schuldners in Anspruch genommen worden war. Er wehrte sich dagegen, soweit sich die Einkommensteuer aus einer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordneten Zwangsverwaltung (Vermietung) von Grundstücken des Schuldners ergab. Er habe über das Grundstück nicht verfügen können. Deshalb müsse er die daraus resultierende Einkommensteuer nicht entrichten.
Dem ist der BFH nun gefolgt und hat damit seine bisherige Rechtsprechung geändert.
Nach Auffassung des BFH wird bei der Zwangsverwaltung als Form der Einzelzwangsvollstreckung das Grundstück zugunsten des Gläubigers in der Weise "beschlagnahmt", dass die Nutzungsbefugnis auf den Zwangsverwalter übergeht. Dieser setze in der Regel die bestehenden Mietverträge fort und vereinnahme fortan die Mieten für die Gläubiger. Daneben habe er die öffentlichen Lasten aus dem Grundstück zu entrichten. Bisher habe man angenommen, dass die persönlichen Steuern wie die Einkommensteuer nicht darunter fielen. Diese sei (nur) vom Schuldner persönlich zu entrichten gewesen.
Diese Annahme hat der BFH nun korrigiert. Neben dem Schuldner habe danach auch der Zwangsverwalter insoweit als Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners als eigene zu erfüllen (§ 34 Abs. 3 i.V.m. § 33 AO) und die aus der Vermietung des zwangsverwalteten Grundstücks resultierende anteilige Einkommensteuer aus den von ihm vereinnahmten laufenden Erträgen (vorab) an das Finanzamt zu entrichten. Der an die Gläubiger auszuschüttende Betrag verringere sich dadurch. An der Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters ändere nichts, wenn später das Insolvenzverfahren eröffnet werde. Zwar müsse auch der Insolvenzverwalter anteilig die Einkommensteuer des Schuldners entrichten, z.B. wenn er den Betrieb des Schuldners fortführe. Eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnete Zwangsverwaltung bleibe jedoch von Gesetzes wegen zunächst bestehen. Der Insolvenzverwalter könne deshalb nicht unmittelbar auf die Fortsetzung oder Beendigung der Mietverhältnisse einwirken. Aus diesem Grund verbleibe es im Grundsatz bei der an das jeweilige Verwaltungsvermögen anknüpfenden Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters.
Die Entscheidung bedeute für Zwangsverwalter eine erhebliche Änderung ihrer Aufgaben und Pflichten. Insolvenzverwalter, wie der Kläger, würden hingegen entlastet.
Quelle: Pressemitteilung des BFH Nr. 41/2015 v. 10.06.2015

Gericht/Institution:BFH
Erscheinungsdatum:10.06.2015
Entscheidungsdatum:10.02.2015
Aktenzeichen:IX R 23/14
Quelle: juris 

Mittwoch, 3. Juni 2015

Bettina Wulff unterliegt im Rechtsstreit mit Bauer-Verlag


Das OLG Celle hat entschieden, dass nach Abwägung der beiderseitigen Interessen das Persönlichkeitsrecht von Frau Wulff nicht dadurch verletzt wurde, dass der Bauer-Verlag in einer Abmahn-Angelegenheit die Klägerin persönlich statt deren Rechtsanwalt angeschrieben hat.
Die Klägerin Bettina Wulff mahnte den beklagten Presseverlag Heinrich Bauer Verlag KG wegen einer vermeintlich unzulässigen Bildberichterstattung durch Anwaltsschreiben ab. Dieses Abmahnschreiben schloss mit dem Hinweis: "Unsere Mandantin ist für eine Antwort in Bezug auf dieses Schreiben nicht empfangsbereit. Sie wünscht nicht direkt diesbezüglich angeschrieben zu werden, sondern dass die Rechtsangelegenheit ausschließlich mit der Kanzlei […] abgewickelt wird." Die Beklagte schrieb die Klägerin dennoch persönlich an, legte in diesem Schreiben dar, dass die Berichterstattung nach ihrer Auffassung zulässig gewesen sei und lud die Klägerin abschließend zu einem persönlichen Gespräch ein, um "für die Zukunft eine […] Gesprächsgrundlage" zu schaffen. Gleichzeitig informierte sie die Rechtsanwälte der Klägerin über dieses Schreiben. Die Klägerin begehrte in dem vorliegenden Verfahren der Beklagten zu untersagen, sie in vergleichbaren Fällen direkt anzuschreiben.
Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Mit der Berufung verfolgte die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Das OLG Celle hat die Klage in zweiter Instanz abgewiesen.
Nach Auffassung des Oberlandegerichts ist durch den fraglichen Brief das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Frau Wulff nicht verletzt worden. Zwar könne in der bloßen, als solchen nicht ehrverletzenden, Kontaktaufnahme eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolge und bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen das Recht der Klägerin auf Schutz ihrer Persönlichkeit und Achtung ihrer Privatsphäre das Interesse des Beklagten, mit ihr unmittelbar in Kontakt zu treten, überwiege. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor. Die Interessenabwägung ergebe, dass der Aufwand das Schreiben entweder ungelesen oder nach Lektüre der Anfangszeilen an den eigenen Anwalt weiterzuleiten, nicht nennenswert sei. Auch stehe das Schreiben nicht in einem Zusammenhang mit sonst durch den beklagten Verlag als Herausgeber der Zeitschrift "Closer" durchgeführten Observierungen und Bespitzelungen. Das Schreiben übe keinen Zwang auf die Klägerin aus, mit der Beklagten zu debattieren, und enthalte keine suggestiven Mittel. Es sei objektiv nicht geeignet gewesen, die Klägerin zu verunsichern, weil es sachlich gefasst sei und keine ehrverletzenden Äußerungen enthalte.
Demgegenüber sei zu berücksichtigen, dass in einer rechtlichen Auseinandersetzung einer Partei grundsätzlich die Möglichkeit gegeben sein müsse, Kontakt zu ihrem Gegner aufzunehmen, um eine argumentative Klärung dieser Auseinandersetzung herbeizuführen. Ein solches Interesse sei schon aufgrund der allgemeinen Meinungsfreiheit geschützt. In diesem speziellen Fall komme hinzu, der Verlag ein persönliches Gespräch angeboten hatte, um eine grundsätzliche Klärung herbeizuführen. Dies habe die höchstpersönliche Bereitschaft von Frau Wulff vorausgesetzt. Um die größtmögliche Chance zu haben, eine solche Bereitschaft zu erzielen, sei es nicht sachfremd gewesen, sie unmittelbar anzuschreiben. Ob das Interesse der Klägerin bei – hier nicht in Frage stehenden – wiederholten unmittelbaren Kontaktaufnahmen anders zu bewerten sei, habe das Gericht nicht beurteilen müssen.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Celle v. 29.05.2015


Gericht/Institution:OLG Celle
Erscheinungsdatum:29.05.2015
Entscheidungsdatum:28.05.2015
Aktenzeichen:13 U 104/14
Quelle: juris

Leistungsbonus in Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen


Das ArbG Düsseldorf hatte zu entscheiden, auf welche Gehaltsbestandteile der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) anwendbar ist.
Die Klägerin wurde bei der beklagten Arbeitgeberin zunächst mit einer Grundvergütung von 8,10 Euro pro Stunde vergütet. Daneben zahlte die Arbeitgeberin einen "freiwilligen Brutto/Leistungsbonus von max. 1,00 Euro, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung" richtete. Anlässlich der Einführung des MiLoG teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, die Grundvergütung betrage weiter 8,10 Euro brutto pro Stunde, der Brutto/Leistungsbonus max. 1,00 Euro pro Stunde. Vom Bonus würden allerdings 0,40 Euro pro Stunde fix gezahlt. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Leistungsbonus dürfe in die Berechnung des Mindestlohns nicht einfließen. Er sei zusätzlich zu einer Grundvergütung i.H.v. 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen.
Das ArbG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts ist es Zweck des MiLoG, dem oder der Vollzeitbeschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen. Es komme – unabhängig von der Bezeichnung einzelner Leistungen – allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Mindestlohnwirksam seien daher alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt würden. Da ein Leistungsbonus, anders als beispielsweise vermögenswirksame Leistungen, einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweise, handele es sich um "Lohn im eigentlichen Sinn", der in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des ArbG Düsseldorf v. 02.06.2015


Gericht/Institution:ArbG Düsseldorf
Erscheinungsdatum:02.06.2015
Entscheidungsdatum:20.04.2015
Aktenzeichen:5 Ca 1675/15
Quelle: juris

Ablehnung eines Beratungshilfeantrags erfordert förmliche Entscheidung


Das BVerfG hat entschieden, dass über einen Antrag auf anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz, dem nicht in vollem Umfang entsprochen wird, grundsätzlich förmlich entschieden werden muss.
Dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG genüge es nicht, wenn das Amtsgericht den Beratungshilfeantrag nach Erteilung mündlicher Hinweise durch den Rechtspfleger als erledigt erachtet, obwohl ausdrücklich eine anwaltliche Beratung gewünscht war. Zudem überdehne die Verweisung auf die Beratungsstelle der Behörde, gegen die Widerspruch eingelegt werden soll, den Begriff der "Zumutbarkeit" vorrangiger anderer Hilfsmöglichkeiten, so das BVerfG.
Die Beschwerdeführerin beantragte beim Amtsgericht einen Berechtigungsschein für eine anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz. Ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung war abgelehnt worden; hiergegen wollte sie – mit anwaltlicher Hilfe – Widerspruch einlegen. Der Rechtspfleger beim Amtsgericht wies die Beschwerdeführerin mündlich darauf hin, dass sie Widerspruch bei der Rentenversicherung einlegen oder sich an die Auskunfts- und Beratungsstelle der Rentenversicherung wenden könne. Er stellte weder einen Berechtigungsschein aus noch beschied er den Antrag förmlich. Die Beschwerdeführerin legte hiergegen "Erinnerung, hilfsweise Beschwerde" beim Amtsgericht ein, mit der sie konkret darlegte, aus welchen Gründen sie Widerspruch erheben wolle und aufgrund welcher Erkrankungen sie nicht in der Lage sei, das Widerspruchsverfahren ohne anwaltlichen Beistand zu betreiben. Die Richterin beim Amtsgericht wies die Erinnerung mit Beschluss vom 10.06.2011 zurück. Die Beratungshilfe sei nicht abgelehnt, sondern durch die Hinweise des Rechtspflegers gewährt worden. Die Sache sei damit erledigt; die Bescheidung einer Ablehnung komme daher nicht in Betracht.
Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Nach Auffassung des BVerfG verstößt der Beschluss des Amtsgerichts vom 10.06.2011 gegen das Gebot der Rechtsschutzgleichheit.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde:
1. Die Auslegung und Anwendung des Beratungshilfegesetzes obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Das BVerfG kann hier nur dann eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffenen Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtswahrnehmungsgleichheit beruhen. Die Fachgerichte überschreiten ihren Entscheidungsspielraum erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Dabei müssen Unbemittelte nur solchen Bemittelten gleichgestellt werden, die bei ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigen und vernünftig abwägen und insbesondere prüfen, inwieweit sie fremde Hilfe zur effektiven Ausübung ihrer Verfahrensrechte brauchen oder diese selbst geltend machen können.
2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts nicht. Das Amtsgericht hätte den beantragten Berechtigungsschein erteilen müssen.
a) Das Amtsgericht durfte nicht davon ausgehen, dass sich das Beratungshilfebegehren aufgrund der Hinweise des Rechtspflegers erledigt hat, da die Beschwerdeführerin ausdrücklich einen Beratungshilfeschein für die Konsultation eines Rechtsanwalts beantragt hatte.
b) Zudem wird der Verweis auf Selbsthilfe dem Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rechtsschutzgleichheit nicht gerecht. Aufgrund des mit der Erinnerung von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sachverhalts war hinreichend deutlich, dass das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren tatsächliche und rechtliche Fragen aufwirft, für deren Klärung auch ein kostenbewusster solventer Rechtsuchender einen Rechtsanwalt in Anspruch nähme anstatt selbst Widerspruch zu erheben.
c) Auch soweit das Amtsgericht es für zumutbar erachtet hat, die Beratungsstelle des Rentenversicherungsträgers in Anspruch zu nehmen, wird die Rechtsschutzgleichheit der Beschwerdeführerin verletzt. Wie das BVerfG bereits entschieden hat, wird der Begriff der Zumutbarkeit von den Fachgerichten überdehnt, wenn ein Rechtsuchender für das Widerspruchsverfahren zur Beratung an dieselbe Behörde verwiesen wird, gegen die er sich mit dem Widerspruch richtet.
d) Da sich der Beratungshilfeantrag nicht durch die Erteilung der Hinweise erledigt hat, hätte der Rechtspfleger über ihn entscheiden müssen. Die hiervon abweichende Vorgehensweise des Rechtspflegers erschwert ohne erkennbaren Sachgrund den Zugang der Beschwerdeführerin zu Rechtsberatung für das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren. Sie erschwert auch generell die Durchsetzung des Anspruchs auf Beratungshilfe, weil ein vor Bewilligung von Beratungshilfe in der Regel noch nicht anwaltlich vertretener Antragsteller mangels eines mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Beschlusses nicht ohne weiteres weiß, dass und wie er gegen die Versagung der Beratungshilfe vorgehen kann.
Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 38/2015 v. 03.06.2015


Gericht/Institution:BVerfG
Erscheinungsdatum:03.06.2015
Entscheidungsdatum:29.04.2015
Aktenzeichen:1 BvR 1849/11
Quelle : Juris

Abzug von Kinderbetreuungskosten für geringfügig beschäftigte Betreuungsperson nur bei Zahlung auf Empfängerkonto


Der BFH hat entschieden, dass die Kosten für die Betreuung eines zum Haushalt der Eltern gehörenden Kindes nur dann steuerlich berücksichtigt werden können, wenn die Zahlungen nicht in bar, sondern auf ein Konto der Betreuungsperson erbracht wurden.
Dies gelte auch dann, wenn die Betreuungsperson im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses angestellt ist, so der BFH.
Die verheirateten Kläger waren in den Streitjahren 2009 und 2010 beide berufstätig. Zur Betreuung ihres dreijährigen Sohnes beschäftigten sie für ein monatliches Gehalt von 300 Euro eine Teilzeitkraft. Das Gehalt wurde jeweils in bar ausbezahlt. In ihren Einkommensteuererklärungen für 2009 und 2010 beantragten die Kläger den Abzug von jeweils 2/3 der Aufwendungen (3.600 Euro), mithin eines Betrages von 2.400 Euro für jedes Streitjahr. Das Finanzamt lehnte die Anerkennung dieser Aufwendungen mit der Begründung ab, dass der in den Streitjahren geltende § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG eine Zahlung auf das Konto des Empfängers voraussetze.
Anders als zuvor das Finanzgericht folgte der BFH der Auffassung des Finanzamts.
Der BFH hatte sich hierbei noch mit der bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2011 geltenden Norm des § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG auseinanderzusetzen. Danach sei Voraussetzung für den Abzug von Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erbracht worden ist. Diese Vorschrift beschränke die Nachweisanforderungen nicht auf bestimmte Arten von Dienstleistungen, etwa Dienstleistungen von Unternehmern, die Rechnungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts ausstellen. Anders als bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse (z.B. Kochen, Raum- und Wäschepflege) unterscheide das Gesetz für den Nachweis von Kinderbetreuungskosten auch nicht danach, ob diese im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses oder auf einer anderen Basis erbracht werden. Der BFH betont darüber hinaus, dass die Nachweiserfordernisse (Rechnung und Zahlung über das Konto der Betreuungsperson) Missbrauch und Schwarzarbeit vorbeugen sollen. Dies rechtfertige es, den Zahlungsfluss nur durch Kontobelege und nicht z.B. auch durch Barzahlungsquittungen oder Zeugenaussagen nachzuweisen.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2012 richte sich der Abzug von Kinderbetreuungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Diese Vorschrift setze für den Abzug der Aufwendungen ebenfalls voraus, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.

Quelle: Pressemitteilung des BFH Nr. 38/2015 v. 03.06.2015


Gericht/Institution:BFH
Erscheinungsdatum:03.06.2015
Entscheidungsdatum:18.12.2014
Aktenzeichen:III R 63/13
Quelle juris

Montag, 1. Juni 2015

ALG I: Keine Umschulung zum Automobilkaufmann für verurteilten Internetbetrüger


Das SG Dortmund hat entschieden, dass eine Umschulung zum Automobilkaufmann für einen vorbestraften Arbeitslosen mit der Begründung abgelehnt werden kann, dass er in dem Umschulungsberuf wegen der Verurteilung voraussichtlich nicht dauerhaft eingegliedert werden kann.
Der Antragsteller, ein gelernter Kraftfahrzeugmechaniker aus Bergkamen, ist wegen gewerbsmäßigen Betruges (Angebot nicht vorhandener Waren auf eBay) im August 2014 zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Die Agentur für Arbeit Hamm lehnte eine ebenfalls im August 2014 beantragte Umschulung zum Automobilkaufmann im Berufsförderungswerk Dortmund ab, weil es an einer Eignung des Antragstellers für die Umschulung im kaufmännischen Bereich fehle.
Das SG Dortmund hat den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abgelehnt.
Nach Auffassung des Sozialgerichts setzt die erforderliche Eignung des Rehabilitanden für die konkrete Maßnahme voraus, dass er durch sie auf Dauer beruflich eingegliedert werden könne. Daran fehle es im Falle des Antragstellers, da er die Vorstrafe potentiellen Arbeitgebern jedenfalls auf Nachfrage angeben müsse. Denn seine Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betruges lasse negative Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit als Automobilkaufmann zu. Zudem sei die aktuelle Verurteilung wie bereits frühere Verurteilungen des Antragstellers in sein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen.
Quelle: Pressemitteilung des SG Dortmund v. 27.05.2015


Gericht/Institution:SG Dortmund
Erscheinungsdatum:27.05.2015
Entscheidungsdatum:18.05.2015
Aktenzeichen:S 35 AL 256/15 ER
Quelle: juris

BFH: Erziehungsgeld für Pflegeeltern ist steuerfrei


Der BFH hat entschieden, dass Leistungen, die von einer privatrechtlichen Institution für die Aufnahme von Pflegepersonen in einen Haushalt über Tag und Nacht gewährt werden, als Beihilfe zur Erziehung nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei sind.
Voraussetzung sei, dass die Zahlungen zumindest mittelbar aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe für die unmittelbare Förderung der Erziehung der Pflegepersonen geleistet werden, so der BFH.
Im Streitfall hatte die als Erzieherin tätige Klägerin in ihren Haushalt bis zu zwei fremde Pflegekinder aufgenommen und dafür ein Tageshonorar zuzüglich einer Sachkostenpauschale aufgrund einer Honorarvereinbarung mit einer Firma erhalten, die im Bereich der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe für die zuständige Stadtverwaltung die Unterbringung von Jugendlichen in Heimen, Einrichtungen sowie in Familienhaushalten organisiert und für jeden zu betreuenden Jugendlichen bestimmte Beträge aus öffentlichen Haushaltsmitteln erhält. Das Finanzamt berücksichtigte die Honorarzahlungen als steuerbare Einnahmen und rechnete sie der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin als Erzieherin zu. Die Klägerin war dagegen der Auffassung, die Einnahmen seien als Beihilfe zur Erziehung nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.
Die Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos.
Der BFH ist der Auffassung der Klägerin gefolgt und hat die Steuerfreiheit der bezogenen Leistungen für die Aufnahme der Pflegekinder bejaht.
Nach Auffassung des BFH sind die Zahlungen als Beihilfen i.S.d. § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG, die zur unmittelbaren Förderung der Erziehung (von Jugendlichen) bewilligt wurden, anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BFH seien an Pflegeeltern geleistete Erziehungsgelder – in Abgrenzung zur (erwerbsmäßigen) Betreuung sog. Kostkinder – regelmäßig dazu bestimmt, zu Gunsten der in den Haushalt der Pflegeeltern dauerhaft aufgenommenen und wie leibliche Kinder betreuten Kinder und Jugendlichen "die Erziehung unmittelbar zu fördern". Die im Streitfall gewährten Leistungen seien auch i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG uneigennützig gewesen, denn mit der Zahlung der Pflegegelder sei keine vollständige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt gewesen. Die Zahlungen ähnelten damit Zahlungen, die leiblichen Eltern für die Erziehung ihrer Kinder ebenfalls steuerfrei erhalten.
Auch wenn die Leistungen im Streitfall über Dritte gezahlt würden, handele es sich um öffentliche Mittel, d.h. aus einem öffentlichen Haushalt stammende und danach verausgabte Mittel, da über die Mittel nur nach Maßgabe haushaltsrechtlicher Vorschriften verfügt werden könne und ihre Verwendung im Einzelnen einer gesetzlich geregelten Kontrolle unterliege.
Quelle: Pressemitteilung des BFH Nr. 37/2015 v. 27.05.2015

Gericht/Institution:BFH
Erscheinungsdatum:27.05.2015
Entscheidungsdatum:05.11.2014
Aktenzeichen:VIII R 29/11
Quelle: juris

Kostenübernahme von Medizinal-Cannabis nur bei "Mindestevidenz"

Das SG Nürnberg hat entschieden, dass ein Patient nicht allein deswegen einen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis ha...