Direkt zum Hauptbereich

Stadt Heilbronn muss nach verlorenem "Musterprozess" höhere Miete von Sozialhilfeempfängerin zahlen


Das SG Heilbronn hat entschieden, dass die dem städtischen Konzept zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze, das auf dem Mietspiegel 2012 für die Stadt Heilbronn beruht, zugrundeliegende Datenerhebung nicht ausreicht.
Die 67-jährige L. wohnt allein in einer 58 qm großen Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus in Heilbronn-Böckingen. Für ihre Miete bezahlt sie monatlich rund 440 Euro Bruttokaltmiete (bestehend aus 370 Euro Grundmiete – sog. Nettokaltmiete – zzgl. "kalte Nebenkosten" für Müllabfuhr, Wasser, Abwasser etc.). Neben ihrer Altersrente von rund 340 Euro ist sie auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. Ihre Unterkunftskosten übernimmt die Stadt Heilbronn seit April 2013 nur teilweise. Sie beruft sich auf ein von ihr entwickeltes, auf dem "Mietspiegel 2012 für die Stadt Heilbronn" beruhendes "schlüssiges Konzept". Hiernach sei für Einpersonenhaushalte in Heilbronn nur eine Grundmiete von maximal 297 Euro angemessen.
Das SG Heilbronn hat der hiergegen gerichteten Klage teilweise stattgegeben.
Nach Auffassung des Sozialgerichts reicht die dem Mietspiegel und damit auch dem schlüssigen Konzept zu Grunde liegende Datenerhebung bezüglich der hier relevanten Einpersonenhaushalte nicht aus. So seien in den Mietspiegel und damit auch in das schlüssige Konzept keine repräsentativen Daten von nach 1978 gebauten Wohnungen für Einpersonenhaushalte bis 45 qm eingeflossen. Hier weise der Mietspiegel (was die Stadt Heilbronn selbst eingeräumt habe) lediglich "Werte zur groben Orientierung" auf. Dass die Beklagte seinerzeit nur 15 verwertbare Fragebögen von Vermietern nach 1978 gebauter Wohnungen bei der Stichprobe für den Mietspiegel zurückerhalten habe, könne nicht zu Lasten der L. gehen und liege womöglich daran, dass nur rund ein Fünftel der Wohnungen in die Stichprobe einbezogen wurden. Bei rund 58.000 Heilbronner Wohnungen sei auch davon auszugehen, dass hinreichend nach 1978 gebaute Mietwohnungen bis 45m² existierten. Da die Beklagte es unter Berufung auf fehlendes Personal abgelehnt habe, ihr schlüssiges Konzept nachzubessern, sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auf die Werte der Wohngeldtabelle zurückzugreifen. Hieraus ergebe sich eine maximal zu übernehmende Bruttokaltmiete i.H.v. 393,80 Euro.
Anmerkung: Derzeit sind zahlreiche, mit Blick auf das "Musterverfahren" ruhend gestellte Klagen beim Sozialgericht anhängig, in denen ebenfalls streitig ist, bis zu welcher Höhe die Mietkosten von Hartz IV- sowie Sozialhilfeempfängern in Heilbronn zu übernehmen sind.


Gericht/Institution:SG Heilbronn
Erscheinungsdatum:19.02.2015
Entscheidungsdatum:12.02.2015
Aktenzeichen:S 11 SO 1505/13 L
juris

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist