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BGH: Kündigung eines Sozialhilfeempfängers rechtmäßig, wenn Sozialamt nicht rechtzeitig Miete zahlt


Der BGH hat entschieden, dass die außerordentliche Kündigung der Mietwohnung eines Sozialhilfeempfängers wegen Nichtzahlung der Miete auch dann berechtigt ist, wenn der Mieter seine Mietschulden deswegen nicht bezahlen konnte, weil die zur Mietzahlung erforderlichen Unterkunftskosten nicht rechtzeitig vom Sozialamt bewilligt worden waren.
Der Beklagte ist seit dem 01.12.2010 Mieter einer 140 m² großen Wohnung des Klägers. Die monatliche Nettomiete beträgt 1.100 Euro, zuzüglich Betriebskosten in Höhe von 180 Euro und der Miete für die dazugehörige Garage in Höhe von 50 Euro. Ab Oktober 2011 bezog der Beklagte vom zuständigen Jobcenter Leistungen nach dem SGB II. Seit Januar 2013 leitete er die für seine Wohnung erhaltenen Zahlungen des Jobcenters nicht mehr an den Kläger weiter. Der Kläger erklärte daraufhin wegen der hierdurch entstandenen Mietrückstände am 17.04.2013 die fristlose Kündigung und erhob im Juni 2013 Räumungsklage. Das Jobcenter Mettmann gab in der Folge aufgrund einer einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts eine Verpflichtungserklärung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf Übernahme der aufgelaufenen Mietschulden ab. Nachdem seit Juli 2013 das Sozialamt seines Wohnorts für den Beklagten zuständig geworden worden war, beantragte er bei diesem Sozialhilfe einschließlich der Übernahme der Wohnungskosten. Gegen die Ablehnung der Wohnungskostenübernahme erhob er Widerspruch und beantragte einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht. Dieses verpflichtete den Sozialhilfeträger schließlich im Wege einstweiliger Anordnung vom 30.04.2014 zur Zahlung der Mieten von September 2013 bis Juni 2014. In der Zwischenzeit hatte der Kläger, gestützt auf die rückständigen Mieten für die Monate Oktober 2013 bis März 2014, am 12.03.2014 erneut die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt.
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, die Berufung des Beklagten ist zurückgewiesen worden. 
Die vom Landgericht zugelassene Revision hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Nach Auffassung des BGH ist das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12.03.2014 wirksam beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit der Mietzahlung für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug. Der für die fristlose Kündigung erforderliche wichtige Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB lag daher vor.
Dem Verzugseintritt stehe nicht entgegen, dass der Beklagte, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen angewiesen war und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte. Zwar komme der Schuldner nur in Verzug, wenn er das Ausbleiben der Leistung i.S.v. § 276 BGB zu vertreten habe. Bei Geldschulden befreiten jedoch wirtschaftliche Schwierigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen verspäteter Zahlung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruhen. Vielmehr habe jedermann nach dem Prinzip der einer Geldschuld zugrunde liegenden unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben") ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen. Dieses Prinzip gelte auch für Mietschulden.
Bei einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGB müssten darüber hinaus nicht die in § 543 Abs. 1 BGB genannten zusätzlichen Abwägungskriterien beachtet werden. Vielmehr handele es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB aufgeführten Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, sei danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben. Der Schutz des (nicht rechtzeitig zahlenden) Mieters vor dem Verlust der Wohnung werde vielmehr ausschließlich durch die einmalig innerhalb von zwei Jahren gewährte Schonfrist (§ 569 Abs. 3 BGB) sichergestellt.



Gericht/Institution:BGH
Erscheinungsdatum:04.02.2015
Entscheidungsdatum:04.02.2015
Aktenzeichen:VIII ZR 175/14
 juris

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