Hartz IV - Strafbares Verhalten führt nur zu Ersatzpflicht, wenn es auf die Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit oder den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder -möglichkeit gerichtet ist
Nicht jedes ‑ hier in hohem Maße gegebene ‑ verwerfliche Verhalten, das zu einer Leistungserbringung nach dem SGB II führt, hat eine Ersatzpflicht zur Folge.
Erfasst wird nur ein "sozialwidriges Verhalten" mit spezifischem Bezug zur Leistungserbringung.
Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Kostenersatzpflicht in ihrer Neufassung bei Einführung des Bundessozialhilfegesetzes sowie dem jetzigen systematischen Kontext des § 34 SGB II mit weiteren SGB II-Regelungen.
Die einschränkende Auslegung gilt auch für die Anwendung des § 34 Abs 1 SGB II, weil es sich um existenzsichernde und nur bedarfsabhängige Leistungen handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht und die grundsätzlich unabhängig von ihrer Ursache und einem etwaigen vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten sind.
Dieser Grundsatz darf nicht durch eine weitreichende Ersatzpflicht unterlaufen werden.
Zudem sind die zT vom Sozialhilferecht abweichenden Wertungen des SGB II bei der Einstufung eines Verhaltens als sozialwidrig im Sinne des § 34 SGB II einzubeziehen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Verhalten des Klägers nicht als sozialwidrig im Sinne des § 34 SGB II einzustufen, obwohl es ‑ wie dessen strafrechtliche Bewertung zeigt ‑ in hohem Maße verwerflich ist.
Anders als möglicherweise bei Vermögensdelikten besteht bei den hier im Mittelpunkt stehenden Straftaten keine spezifische Beziehung bzw kein innerer Zusammenhang zur Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II.
Das mit der Straftat im Jahre 2003 im Zusammenhang stehende, konkret zur Inhaftierung im Januar 2005 führende Verhalten des Klägers war in seiner Handlungstendenz nicht auf die Herbeiführung von Bedürftigkeit bzw den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder -möglichkeit gerichtet.
BSG, Urteil vom 02.11.2012, - B 4 AS 39/12 R
Medieninformation Nr. 22/12 des Bundessozialgerichts vom 02.111.2012
Anmerkung vom Sozialberater D. Brock:
Die Sozialwidrigkeit des Verhaltens desjenigen, der ersatzpflichtig sein soll, ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für den Ersatzanspruch.
Das im Sozialhilferecht entwickelte Erfordernis der Sozialwidrigkeit gilt auch für den Ersatzanspruch gemäß § 34 SGB II (h.M., vgl.Conradis in LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 34 Rn. 6 f.; Hänlein in Gagel, Loseblattkommentar zum SGB II/ SGB III, Stand Juli 2009, § 34 SGB II Rn. 12 ff.; Bieback in Grube/ Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 3. Auflage 2010, § 103 Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2007, L 5 B 410/07 AS).
Wie im Sozialhilferecht setzt der Ersatzanspruch gemäß § 34 SGB II nach richtiger Auffassung voraus, dass das fragliche Verhalten des Ersatzpflichtigen objektiv sozialwidrig sein muss. Allein die Ursächlichkeit eines (schuldhaften) Verhaltens reicht nicht aus, um einen Ersatzanspruch zu begründen.
Sozialwidrig ist ein Verhalten, wenn das Tun oder Unterlassen desjenigen, der zum Ersatz verpflichtet werden soll, objektiv zu missbilligen ist, wobei stets die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen.
Erst wenn geklärt ist, dass das fragliche Verhalten als sozialwidrig zu bewerten ist, sind die Verschuldensfrage und sodann die Frage des wichtigen Grundes zu prüfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1976, V C 41.74, Rn. 14; Urteil vom 14.01.1982, 5 C 70/80, Rn. 9, 11; vgl. außerdem LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2007, L 5 B 410/07 AS).
Erfasst wird nur ein "sozialwidriges Verhalten" mit spezifischem Bezug zur Leistungserbringung.
Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Kostenersatzpflicht in ihrer Neufassung bei Einführung des Bundessozialhilfegesetzes sowie dem jetzigen systematischen Kontext des § 34 SGB II mit weiteren SGB II-Regelungen.
Die einschränkende Auslegung gilt auch für die Anwendung des § 34 Abs 1 SGB II, weil es sich um existenzsichernde und nur bedarfsabhängige Leistungen handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht und die grundsätzlich unabhängig von ihrer Ursache und einem etwaigen vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten sind.
Dieser Grundsatz darf nicht durch eine weitreichende Ersatzpflicht unterlaufen werden.
Zudem sind die zT vom Sozialhilferecht abweichenden Wertungen des SGB II bei der Einstufung eines Verhaltens als sozialwidrig im Sinne des § 34 SGB II einzubeziehen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Verhalten des Klägers nicht als sozialwidrig im Sinne des § 34 SGB II einzustufen, obwohl es ‑ wie dessen strafrechtliche Bewertung zeigt ‑ in hohem Maße verwerflich ist.
Anders als möglicherweise bei Vermögensdelikten besteht bei den hier im Mittelpunkt stehenden Straftaten keine spezifische Beziehung bzw kein innerer Zusammenhang zur Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II.
Das mit der Straftat im Jahre 2003 im Zusammenhang stehende, konkret zur Inhaftierung im Januar 2005 führende Verhalten des Klägers war in seiner Handlungstendenz nicht auf die Herbeiführung von Bedürftigkeit bzw den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder -möglichkeit gerichtet.
BSG, Urteil vom 02.11.2012, - B 4 AS 39/12 R
Medieninformation Nr. 22/12 des Bundessozialgerichts vom 02.111.2012
Anmerkung vom Sozialberater D. Brock:
Die Sozialwidrigkeit des Verhaltens desjenigen, der ersatzpflichtig sein soll, ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für den Ersatzanspruch.
Das im Sozialhilferecht entwickelte Erfordernis der Sozialwidrigkeit gilt auch für den Ersatzanspruch gemäß § 34 SGB II (h.M., vgl.Conradis in LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 34 Rn. 6 f.; Hänlein in Gagel, Loseblattkommentar zum SGB II/ SGB III, Stand Juli 2009, § 34 SGB II Rn. 12 ff.; Bieback in Grube/ Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 3. Auflage 2010, § 103 Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2007, L 5 B 410/07 AS).
Wie im Sozialhilferecht setzt der Ersatzanspruch gemäß § 34 SGB II nach richtiger Auffassung voraus, dass das fragliche Verhalten des Ersatzpflichtigen objektiv sozialwidrig sein muss. Allein die Ursächlichkeit eines (schuldhaften) Verhaltens reicht nicht aus, um einen Ersatzanspruch zu begründen.
Sozialwidrig ist ein Verhalten, wenn das Tun oder Unterlassen desjenigen, der zum Ersatz verpflichtet werden soll, objektiv zu missbilligen ist, wobei stets die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen.
Erst wenn geklärt ist, dass das fragliche Verhalten als sozialwidrig zu bewerten ist, sind die Verschuldensfrage und sodann die Frage des wichtigen Grundes zu prüfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1976, V C 41.74, Rn. 14; Urteil vom 14.01.1982, 5 C 70/80, Rn. 9, 11; vgl. außerdem LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2007, L 5 B 410/07 AS).
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