Anmerkung
zur Entscheidung LSG NRW, 24.9.2012 – L 11 U 416/12 B -
Der
11.Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vertritt in ständiger
Rechtsprechung die Auffassung, dass eine Beschwerde gegen die Ablehnung eines
Befangenheitsgesuchs möglich ist. (z.B. NZS 2012,716)
Die
anderen Landessozialgerichte sind dagegen anderer Meinung wegen des eindeutigen
Wortlauts des § 172 Abs.2 SGG, wonach Beschlüsse über die Ablehnung von
Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können, in Verbindung
mit der Gesetzesbegründung in der es heißt: § 172 Abs 2 SGG geht als
speziellere Norm dem § 46 Abs.2 ZPO vor, so dass weiterhin Beschlüsse über die
Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit
der Beschwerde angefochten werden können.
Ich
habe in einer Anmerkung zu der Entscheidung des LSG NRW vom 7.5.2012 dessen
Argumentation , dass es wenig überzeugend sei, wenn der auslegungstechnisch
nicht tragfähigen Meinung des „Gesetzgebers“ beigetreten wird, zugegebenermaßen stark kritisiert. (NZS 2012,
719/720)
In
einer Entscheidung vom 24.9.2012 (Az.: L 11 U 416/12 B) hat das LSG NRW auf
meine Anmerkung mit noch härteren Formulierungen wie z.B. :
Der
Beitrag von Wedel ist nun gänzlich ungeeignet zu einer anderen Auffassung zu
kommen sowie: Die Bezeichnung als contra-legem-Entscheidung ist vollends
abwegig, geantwortet.
Dazu
kann ich nur sagen: Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen
Wenn
neben mir auch noch etliche andere Landessozialgerichte der ständigen
Rechtsprechung des LSG NRW nicht zu folgen vermögen, sollte man seine
Argumentation schon etwas mehr hinterfragen und zumindest seine Wortwahl im Rahmen halten. (anderer
Meinung als das LSG NRW sind auch: LSG Berlin (28.11.2012, L 1 SV 1/12 B), das
sogar ausdrücklich meine Bezeichnung als „contra legem-Entscheidung“
argumentativ verwendet; LSG Bayern (2.7.2012, L 9 SF 147/12 AB; LSG
Baden-Württemberg (2.7.2012, L 13 AS 2584/12 B) und LSG Sachsen-Anhalt
(28.6.2012, L 5 AS 136/12 B))
Das
LSG hat zunächst am Anfang seiner Entscheidungsbegründung dargelegt, dass die
Meinungsäußerung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten
Verfassungsorgane bzw. von Mitgliedern
dieser Organe zwar zur Kenntnis zu nehmen sei, diese jedoch für die Auslegung
von nachrangiger Bedeutung sei. Es komme auf den objektivierten Willen des
Gesetzgebers an, in dessen Bestimmung die Motive des Gesetzgebers allenfalls
sekundär einfließen können.
Im
Schlussteil der Entscheidungsbegründung führt das LSG dann aus, dass meine Behauptung fehlgehe, dass das LSG die
neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gewürdigt habe. Dem
Senat sei nicht unbekannt geblieben, dass das Bundesverfassungsgericht den
Regelungsabsichten des Gesetzgebers im Gegensatz zu früheren
Entscheidungen nunmehr stärkere
Bedeutung beimisst.
Wie
dies mit den Aussagen am Anfang der Entscheidungsbegründung zusammenpassen soll
ist mir ein Rätsel.
Dem
LSG ist weiterhin auch noch entgegenzuhalten, dass die Gesetzesmaterialien die
in der Entscheidung gestellte Frage eindeutig beantworten und damit die Entscheidung auch „bestimmen“
können.
Durch
den eindeutigen Wortlaut des § 172 Abs.2 SGG in Verbindung mit der klaren
Aussage in der Gesetzesbegründung, wonach dieser dem § 46 Abs. 2 ZPO als speziellere Norm vorgeht, ist auch die
Bezeichnung als
„contra-legem-Entscheidung“
gerechtfertigt.
Auch
der Gesetzgeber sieht sich jetzt wegen der abweichenden Meinung des LSG zu
einer Klarstellung genötigt. In den Gesetzesmaterialien des BUK-NOG (Ausschussdrucksache
17(11)1145, S.31 heißt es diesbezüglich in der Stellungnahme des Bundes
Deutscher Sozialrichter:
„Da
vereinzelt (LSG NRW,…, NZS 2012,716 m. krit. Anmerkung Wedel) auch die
gegenteilige Ansicht vertreten wird, bedarf es einer Klarstellung durch den
Gesetzgeber.“.
Rechtsanwalt
Dr. Thomas Wedel, Oberasbach