Donnerstag, 22. August 2019

Kostenübernahme von Medizinal-Cannabis nur bei "Mindestevidenz"


Das SG Nürnberg hat entschieden, dass ein Patient nicht allein deswegen einen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis hat, weil ihm aus seiner Sicht nur Cannabis Linderung verschafft.
Seit 10.03.2017 ist es Patienten in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich, Cannabisarzneimittel zu Lasten der Krankenkassen zu erhalten. Während bei Patienten mit Krebs im Endstadium eine Cannabisversorgung meist unstreitig erfolgt, sind oft die Fälle umstritten, bei welchen die Grunderkrankung der Patienten in der Regel nicht tödlich ist, aber nach Ansicht der Kläger schwerwiegende Beeinträchtigungen im Alltag nach sich zieht. Die Bandbreite der Erkrankungen, in welchen die Versorgung mit Cannabis vor Gericht eingeklagt wird, geht derzeit beispielhaft aufgezählt von ADHS über Morbus Crohn, Multipler Sklerose bis hin zu rein psychiatrischen Erkrankungen.
Neben den übrigen Anspruchsvoraussetzungen hat das Sozialgericht in jedem Einzelfall zu prüfen, ob durch die Versorgung mit Cannabis eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen. Erforderlich sei hierfür eine "Mindestevidenz", das bedeute, es müssen erste wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die die Schlussfolgerung zulassen, dass bei dem konkreten Krankheitsbild durch den Einsatz von Cannabinoiden ein therapeutischer Erfolg zu erwarten sei. Alleine das subjektive Empfinden des Patienten, auch wenn es durch eine Einschätzung seines behandelnden Arztes unterstützt werde, reiche hierfür nicht aus.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
SG Nürnberg, Urt. v. 05.06.2019 - S 18 KR 496/18
SG Nürnberg, Urt. v. 07.06.2019 - S 21 KR 152/18
Quelle: juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des SG Nürnberg Nr. 7/2019 v. 22.08.2019

Leistungen der häuslichen Krankenpflege für Bewohner von Demenz-WGs


Das LSG München hat entschieden, dass Bewohner von Senioren- und Demenzwohngruppen grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege gegenüber ihrer Krankenkasse haben.
Eine große bayerische Krankenkasse verweigert Senioren, die in Demenz-Wohngemeinschaften oder Senioren-Wohngemeinschaften leben, seit kurzem die Leistungen zur häuslichen Krankenpflege wie An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, Medikamentengabe, Blutzuckermessungen, obwohl eine ärztliche Verordnung vorliegt. Zur Begründung wird angeführt, dass es sich dabei um Maßnahmen handle, die keine medizinische oder pflegerische Fachkunde erfordern und daher von anderen Personen, die in der WG sich um die Betreuung der Bewohner kümmern, durchzuführen seien.
Das SG Landshut hatte in drei Musterverfahren den Klagen der Versicherten stattgegeben. Hiergegen richten sich die Berufungen der Krankenkasse
Das LSG München hat die Berufungen der Krankenkasse zurückgewiesen und entschieden, dass Bewohner von Senioren- und Demenzwohngruppen grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege gegenüber ihrer Krankenkasse haben.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts gilt dies auch für Maßnahmen der sog. einfachsten medizinischen Behandlungspflege, die grundsätzlich auch von medizinischen Laien geleistet werden könnte. Hierunter falle zum Beispiel das Messen von Blutzucker, das Verabreichen von Medikamenten, das Anziehen von Kompressionsstrümpfen. Ein solcher Anspruch könnte dann entfallen, wenn aufgrund eines Vertrages, z.B. des Betreuungsvertrages der Wohngruppe, diese Leistungen ausdrücklich im Rahmen der Betreuung zu erbringen sind. In allen anderen Fällen bleibe es allerdings bei der Leistungspflicht der Krankenkasse.
Das LSG München hat in allen drei Fällen die Revision zum BSG zugelassen.
Gericht/Institution:Bayerisches Landessozialgericht
Erscheinungsdatum:20.08.2019
Entscheidungsdatum:20.08.2019
Aktenzeichen:L 5 KR 402/19, L 5 KR 403/19, L 5 KR 404/19
Quelle:juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des LSG München Nr. 7/2019 v. 20.08.2019

Unfallversicherungsschutz auch an einem "Probetag"


Das BSG hat entschieden, dass ein Arbeitsuchender, der in einem Unternehmen einen "Probearbeitstag" verrichtet und sich dabei verletzt, gesetzlich unfallversichert ist.
Der Kläger, der sich auf eine Stelle als Lkw-Fahrer bei einem Entsorger von Lebensmittelabfällen beworben hatte, vereinbarte im Vorstellungsgespräch mit dem Unternehmer, einen "Probearbeitstag" zu absolvieren. Der Kläger sollte mit dem Lkw mitfahren und Abfälle einsammeln; eine Vergütung sollte er dafür nicht erhalten. Der Kläger stürzte an dem Probearbeitstag vom Lkw und zog sich unter anderem Verletzungen am Kopf zu. Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der Kläger nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen sei.
Sozialgericht und Landessozialgericht hatten hingegen das Vorliegen eines versicherten Arbeitsunfalls festgestellt. Auch ohne Bestehen eines Arbeitsverhältnisses könne eine Beschäftigung vorliegen, wenn der Verletzte – wie im vorliegenden Fall durch das Mitfahren und Einsammeln von Abfällen – für ein fremdes Unternehmen tätig sei. Der Unternehmer habe ein Eigeninteresse an dem Probetag gehabt, weil zahlreiche Bewerber nach kurzer Mitarbeit wieder abgesprungen seien. Die Tätigkeit gehe auch über die in der Regel unversicherte bloße Arbeitsplatzsuche oder die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch hinaus.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
Das BSG hat entschieden, dass ein Arbeitsuchender, der in einem Unternehmen einen "Probearbeitstag" verrichtet und sich dabei verletzt, gesetzlich unfallversichert ist.
Nach Auffassung des BSG hat der Kläger zwar nicht als Beschäftigter unter Versicherungsschutz gestanden, als er an dem "Probearbeitstag" Mülltonnen transportierte und dabei vom Lkw stürzte. Ein Beschäftigungsverhältnis habe nicht vorgelegen, weil der Kläger noch nicht auf Dauer in den Betrieb des Entsorgungsunternehmers eingegliedert gewesen sei.
Da der Kläger aber eine dem Entsorgungsunternehmer dienende, dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht habe, die einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich sei, sei der Kläger als "Wie-Beschäftigter" gesetzlich unfallversichert gewesen. Insbesondere habe die Tätigkeit nicht nur im Eigeninteresse des Klägers gelegen, eine dauerhafte Beschäftigung zu erlangen. Denn der Probearbeitstag habe gerade auch dem Unternehmer die Auswahl eines geeigneten Bewerbers ermöglichen sollen und habe damit für ihn einen objektiv wirtschaftlichen Wert.
Gericht/Institution:BSG
Erscheinungsdatum:20.08.2019
Entscheidungsdatum:20.08.2019
Aktenzeichen:B 2 U 1/18 R
Quelle: juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilungen des BSG Nr. 34/2019 v. 15.08.2019 und Nr. 35/2019 v. 20.08.2019

Parkinson als Berufskrankheit


Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" (ÄSVB) untersucht zurzeit die Frage, ob der berufliche Umgang mit Pestiziden Morbus Parkinson auslösen kann.
Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drs. 19/12242 – PDF, 297 KB) auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 19/11875 – PDF, 138 KB) der Fraktion Die Linke. In seiner letzten Sitzung am 06.06.2019 habe der ÄSVB einen Beschluss über die generelle Eignung bestimmter Stoffe aus dem Bereich der Pestizide zur Verursachung des Morbus Parkinson getroffen. In einem nächsten Schritt werde unter Beteiligung neurologischer Fachmediziner die medizinisch-wissenschaftliche Beschreibung des Krankheitsbildes erarbeitet.
Mit dem Beschluss vom 06.06.2019 sei nur der erste Prüfungskomplex für eine neue Berufskrankheit, die sog. "generelle Geeignetheit", abgeschlossen worden. Es handele sich um einen Zwischenschritt einer umfangreichen Gesamtprüfung, so die Bundesregierung.
Die Beratungen im ÄSVB seien daher noch nicht abgeschlossen, sondern werden mit der Prüfung der gruppentypischen Risikoerhöhung fortgesetzt werden. Aufgrund der hohen wissenschaftlichen Anforderungen sei noch von einem mehrjährigen Beratungszeitraum auszugehen, heißt es in der Antwort weiter.
Quelle: juris-Redaktion
Quelle: hib - heute im bundestag Nr. 896 v. 15.08.2019

Mittwoch, 13. März 2019

Keine Berufskrankheit: Verursachung einer Atemwegserkrankung durch Tonerstaub nicht nachzuweisen



 
Das LSG Darmstadt hat entschieden, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand nicht davon auszugehen ist, dass Tonerpartikel oder Laserdruckeremissionen generell geeignet sind, beim Menschen Gesundheitsschäden zu verursachen, wobei im Einzelfall eine Verursachung durch einen arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest nachgewiesen werden kann.
Ein jetzt 63jähriger Mann war knapp vier Jahre als Vervielfältiger in einem Kopierraum tätig. Infolge zunehmender Atemwegsbeschwerden beantragte er die Anerkennung einer Berufskrankheit. Er verwies darauf, täglich Kopier und Druckaufträge im Umfang von 5.000 bis 10.000 Blatt in einem nur 30 m² großen Raum ausgeführt zu haben. Nach einer Arbeitsplatzanalyse und der Einholung von medizinischen Gutachten lehnte der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Anerkennung einer Berufskrankheit ab. Der Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Atemwegserkrankung könne nicht belegt werden.
Das LSG Darmstadt hat nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens die Anerkennung als Berufskrankheit abgelehnt.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts liegen bei dem Versicherten, der bereits vor der Tätigkeit im Druckerraum an Heuschnupfen und Asthma bronchiale gelitten hat, zwar eine obstruktive Atemwegserkrankung sowie eine Rhinopathie vor. Auch sei da von auszugehen, dass Tonerstaub allergisierende Stoffe enthalte. Es sei aber nicht nachgewiesen, in welchem Umfang der Versicherte diesen Stoffen ausgesetzt gewesen sei. Dies lasse sich auch nicht mehr ermitteln, da sein ehemaliger Arbeitsplatz mittlerweile umgestaltet worden sei.
Nach dem aktuellen medizinischwissenschaftlichen sowie epidemiologischen Erkenntnisstand könne nicht davon ausgegangen werden, dass Tonerpartikel oder Laserdruckeremissionen generell geeignet seien, beim Menschen Gesundheitsschäden zu verursachen. Im Einzelfall könne dies zwar nachgewiesen werden. Dies setze allerdings, wie die Sachverständigengutachten gezeigt hätten, einen entsprechenden arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest mit dem Nachweis einer allergischen Reaktion voraus. Hierzu sei der Versicherte jedoch im konkreten Fall nicht bereit gewesen.
Der Auffassung des Sozialgerichts, dass die im Rahmen einer Begutachtung durchgeführte positive nasale Provokationstestung den kausalen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der bei dem Versicherten festgestellten Rhinopathie belege, sei nicht zu folgen.
Das LSG Darmstadt hat die Revision nicht zugelassen.


Gericht/Institution:Hessisches Landessozialgericht
Erscheinungsdatum:06.03.2019
Entscheidungsdatum:21.01.2019
Aktenzeichen:L 9 U 159/15
Quelle: juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des LSG Darmstadt Nr. 4/2019 v. 06.03.2019

Private Pkw-Nutzung im Taxigewerbe: Definition des Listenpreises bei Anwendung der 1%-Regelung



 
Der BFH hat zur Anwendung der 1%-Regelung entschieden, dass die Besteuerung der Privatnutzung von Taxen auf der Grundlage des allgemeinen Listenpreises erfolgt, nicht aber nach besonderen Herstellerpreislisten für Taxen und Mietwagen.
Listenpreis sei dabei nur der Preis, zu dem ein Steuerpflichtiger das Fahrzeug als Privatkunde erwerben könnte, so der BFH.
Der Kläger nutzte sein Taxi nicht nur für sein Taxiunternehmen, sondern auch privat. Einkommensteuerrechtlich entschied er sich für die sog. 1%-Regelung, d.h. er versteuerte für die Privatnutzung monatlich 1% des Listenpreises gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Maßgeblich ist dabei der inländische Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer. Im Streitfall legte der Kläger den Bruttolistenpreis aus einer vom Hersteller herausgegebenen Preisliste für Taxen und Mietwagen zugrunde. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass der höhere, mit Hilfe der Fahrzeug-Identifikationsnummer abgefragte Listenpreis heranzuziehen sei.
Im finanzgerichtlichen Verfahren hatte der Kläger zunächst Erfolg.
Der BFH hat das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben.
Nach Auffassung des BFH ist der für die 1%-Regelung maßgebliche Listenpreis derjenige, zu dem ein Steuerpflichtiger das Fahrzeug als Privatkunde erwerben könnte. Denn der im Gesetz erwähnte Listenpreis soll nicht die Neuanschaffungskosten und auch nicht den gegenwärtigen Wert des Fahrzeugs abbilden, vielmehr handele es sich um eine generalisierende Bemessungsgrundlage für die Bewertung der Privatnutzung eines Betriebs-Pkw.
Das Urteil betrifft einen Taxiunternehmer. Es hat darüber hinaus auch Bedeutung für alle Sonderpreislisten mit Sonderrabatten, die ein Fahrzeughersteller bestimmten Berufsgruppen gewährt.
VorinstanzFG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2015 - 14 K 2436/14 E,G,U
Gericht/Institution:BFH
Erscheinungsdatum:06.03.2019
Entscheidungsdatum:08.11.2018
Aktenzeichen:III R 13/16


Quelle: juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des BFH Nr. 10/2019 v. 06.03.2019

Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrags beim Verlustabzug



 
Das FG Köln hat entschieden, dass der Altersentlastungsbetrag im Rahmen der Verlustfeststellung auch dann zu berücksichtigen ist, wenn sich hierdurch ein nicht ausgeglichener Verlust weiter erhöht.
Die Kläger wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich beim Kläger auf -27.597 Euro und bei der Klägerin auf -1.095 Euro. Für den Kläger wurde ein Altersentlastungsbetrag von 1.216 Euro und für die Klägerin von 1.095 Euro abgezogen. Das Finanzamt ließ die Altersentlastungsbeträge bei der Feststellung des zum 31.12. verbleibenden Verlustabzugs unberücksichtigt und stellte den verbleibenden Verlust für den Kläger auf 26.381 Euro fest. Für die Klägerin unterblieb eine Feststellung.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage hatten die Kläger vor dem FG Köln Erfolg.
Nach Auffassung des Finanzgerichts ist ein im Einkommensteuerbescheid angesetzter Altersentlastungsbetrag bei der Verlustfeststellung zum 31.12. auch dann zu berücksichtigen, wenn sich hierdurch ein nicht ausgeglichener Verlust weiter erhöht. Im Rahmen des Verlustausgleichs sei der Altersentlastungbetrag mit positiven Einkünften zu verrechnen und könne darüber hinaus die Wirkung entfalten, dass sich ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte erhöhe. Diesem Umstand sei bei der Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG Rechnung zu tragen.
Die vom FG Köln zugelassene Revision wird beim BFH unter dem Aktenzeichen IX R 3/19 geführt.
Gericht/Institution:FG Köln
Erscheinungsdatum:08.03.2019
Entscheidungsdatum:12.12.2018
Aktenzeichen:10 K 1730/17


Quelle: juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des FG Köln v. 08.03.2019

Kostenübernahme von Medizinal-Cannabis nur bei "Mindestevidenz"

Das SG Nürnberg hat entschieden, dass ein Patient nicht allein deswegen einen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis ha...