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Unerwünschte Katzenbesuche als Mangel



Orientierungssatz zur Anmerkung
Der Vermieter muss als Teil der Gebrauchsgewährungspflicht das häufige Eindringen einer Nachbarskatze in die vermietete Wohnung jedenfalls dann unterbinden, wenn auch die Halterin der Katze seine Mieterin ist.

A.
Problemstellung
Haustiere bieten Anlass für Streitigkeiten sowohl zwischen Nachbarn als auch zwischen Mieter und Vermieter. Ein Konfliktfeld eröffnet sich gerade bei der Katzenhaltung, wenn der Halter seine Katze nicht in der Wohnung einsperrt, sondern sie frei laufen lässt. Manche Katze geht dann auf Besuch zum Nachbarn, der das nun als Belästigung empfindet. Ein solcher Fall lag dem AG Potsdam vor.
B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Beklagte hatte den beiden Klägern eine Erdgeschosswohnung mit Terrasse vermietet. Die Mieterin der Wohnung im 1. OG hielt eine Katze, die sie frei laufen ließ. Die Katze drang durch geöffnete Türen oder Fenster in die Erdgeschosswohnung ein und blieb dort jeweils auch, bis sie vertrieben wurde. Wenn sie allein war, konnte die Klägerin zu 2) das nicht einmal tun, weil sie schwer gehbehindert war. Mit der Klage verlangten die Kläger Störungsbeseitigung und Feststellung eines Minderungsrechts.
Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten antragsgemäß konkret dazu, gegen die Mieterin im 1. OG „ein Gebot des Inhalts auszusprechen und durchzusetzen“, es zu unterlassen, dass die Katze in die Wohnung der Kläger eindringe. Außerdem stellte es die Berechtigung der Kläger fest, für die Zeit ab Mängelanzeige bis zur Störungsbeseitigung die Miete um 10% zu mindern.
Seitens der Kläger stelle das Eindringen der Katze eine Beeinträchtigung ihres vertraglichen Gebrauchs dar. Dazu gehöre es nämlich, Türen und Fenster geöffnet lassen zu können, ohne dass dort ständig Katzen aus der Nachbarschaft eindringen würden. Der Beklagte sei auch zur Störungsbeseitigung in der Lage, weil er der Nachbarin, deren Vermieter er auch sei, die Störungsbeseitigung aufgeben könne. Diese Mieterin überschreite selbst dann die Grenze des vertragsgemäßen Gebrauchs, wenn die Katzenhaltung ihr grundsätzlich erlaubt sei.
C.
Kontext der Entscheidung
In der Rechtsprechung finden sich zahlreiche Entscheidungen zu Katzen, die auf fremde Grundstücke oder sogar in fremde Häuser eindringen. Es ist wohl nachbarrechtlich herrschende Auffassung, dass der Grundstückseigentümer das Eindringen jedenfalls einer oder sogar zweier Nachbarskatzen auf sein eigenes Gelände zu dulden hat (vgl. etwa LG Augsburg, Urt. v. 24.08.1984 - 4 S 2099/84 - NJW 1985, 499, dort drang die Katze sogar gelegentlich in das Schlafzimmer des Nachbarhauses ein; LG Kassel Urt. v. 27.08.1986 - 6 O 204/86 - AgrarR 1987, 58; LG Darmstadt, Urt. v. 17.03.1993 - 9 O 597/92; AG Bremen, Urt. v. 04.09.2003 - 11 C 0344/02; AG Offenbach, Urt. v. 25.07.2012 - 380 C 268/11). Anders ist es bei vier Katzen (LG Darmstadt, Urt. v. 17.03.1993 - 9 O 597/92) oder dann, wenn die Katzen das Eigentum des Nachbarn beschädigen (LG Lüneburg, Urt. v. 27.01.2000 - 1 S 198/99 - NZM 2001, 397, dort: Lackkratzer am Auto).
Mietrechtlich ist zu prüfen, ob der Vermieter dem Mieter eine Wohnung ohne Katzenbesuche als vertragsgemäßen Gebrauch schuldet. Mangel ist jede negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit, die die Gebrauchstauglichkeit der Sache unmittelbar beeinträchtigt. Das umfasst im Grundsatz auch Umfeldmängel also Störungen durch Immissionen oder Mitmieter. Die Abgrenzung dessen, was der Mieter als vertragsgemäß hinnehmen muss, erfolgt durch das Kriterium der Unmittelbarkeit (vgl. etwa BGH, Urt. v. 15.10.2008 - XII ZR 1/07 - NJW 2009, 664, 666; BGH, Urt. v. 21.09.2005 - XII ZR 66/03). Hinter dieser Prüfung steht eine Abwägung, die letztlich zu einer Risikozuweisung an den Mieter oder Vermieter führt (vgl. Börstinghaus, NZM 2004, 48, 49). Soweit es um eindringende Katzen geht, lassen sich wohl die gleichen Kriterien wie bei den Nachbarschaftsstreitigkeiten anwenden. Die Wertung des AG Potsdam erscheint richtig. Regelmäßige Besuche einer Katze, die sogar aus den Wohnräumen erst noch vertrieben werden muss, ist keine Störung, die ein Mieter noch als allgemeines Lebensrisiko hinnehmen muss. Hier ist der vertraglich geschuldete Gebrauch betroffen und beeinträchtigt. Daraus resultieren im Grundsatz das Minderungsrecht und der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands.
Nicht zuzustimmen ist dem AG Potsdam darin, dass es dem Beklagten die konkrete Art der Mängelbeseitigung vorgeschrieben hat, ihm ausdrücklich den Ausspruch und die Durchsetzung eines „Gebots“ an die Mieterin aufgegeben hat. Der Beklagte hat aus § 535 Abs. 1 BGB dafür zu sorgen, dass die Störungen aufhören. Der Vermieter, der zur Mangelbeseitigung verpflichtet ist, schuldet den Erfolg, aber kein bestimmtes Verhalten (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 27.08.2010 - 65 S 89/10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.11.2007 - 10 U 86/07 – GuT 2007, 438 Rn. 27; OLG Köln, Beschl. v. 15.01.1997 - 16 Wx 275/96 - WuM 1997, 636; für einen Anspruch aus § 1004 BGB, Börstinghaus, NZM 2004, 48, 53 unter IV. 1.; a.A. für den Sonderfall, in dem nur noch eine Maßnahme erfolgversprechend erscheint: LG Berlin, Urt. v. 11.01.1999 - 62 S 290/98 - WuM 1999, 329).
Hier hätte der Beklagte ganz verschiedene Maßnahmen ergreifen können, etwa eine Vereinbarung mit der Mieterin im 1. OG über die Abschaffung der Katze, die Abmahnung und gegebenenfalls nachfolgende Kündigung dieser Mieterin usw. Ihm ausgerechnet das häufig mühsame Vorgehen nach § 541 BGB vorzuschreiben, schränkt seine Wahlfreiheit unzulässig ein.
D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall, kann aber der weiteren Grenzziehung in dem streitigen Bereich der Katzenhaltung in der Nachbarschaft dienen.
Anmerkung zu:AG Potsdam, Urteil vom 19.06.2014 - 26 C 492/13
Autor:Dr. Beate Flatow, Vizepräsidentin AG
Erscheinungsdatum:18.11.2014
juris

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