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Apotheker haftet bei grob fehlerhafter Medikamentenabgabe wie Arzt


Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln, der die Spezialzuständigkeit für Arzthaftungsverfahren hat, hat mit Urteil vom 7. August 2013 eine bislang ungeklärte Haftungsfrage entschieden: Gibt ein Apotheker in grob fehlerhafter Weise ein falsches Medikament an einen Patienten aus und bleibt unaufklärbar, ob ein gesundheitlicher Schaden des Patienten auf diesen Fehler zurückzuführen ist, muss der Apotheker beweisen, dass der Schaden nicht auf der Fehlmedikation beruht.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger wurde im Juni 2006 mit einem Down-Syndrom (freie Trisomie 21) und einem Herzfehler geboren. Für September 2006 war eine Herzoperation geplant. Zur zwischenzeitlichen Behandlung sollte der Kläger ein digitalishaltiges, herzstärkendes Medikament erhalten. Aufgrund eines Versehens stellte der Arzt das Rezept in einer 8-fach überhöhten Dosierung aus. Der Apotheker, der nach Ansicht des Gerichts angesichts des Alters des Patienten die Überdosierung hätte erkennen müssen, verkaufte dennoch das Medikament entsprechend der verschriebenen Rezeptur. Nach wenigen Tagen der Einnahme des Medikamentes erlitt der Kläger einen Herzstillstand und musste über 50 Minuten hinweg reanimiert werden. Zudem war der Darm des Klägers  beschädigt. Der Kläger (vertreten durch seine Eltern) nimmt nun sowohl den Arzt wie den Apotheker auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 200.000,00 Euro in Anspruch.
Nachdem das Landgericht der Klage weit überwiegend stattgegeben hatte, hat das Oberlandesgericht auf Berufung der Beklagten die Verurteilung dem Grunde nach bestätigt und lediglich die Höhe des Schmerzensgeldes noch offen gelassen. Der Senat stellte fest, der Kläger habe 5 Jahre nach der Falschbehandlung eine Hirnschädigung in Form eines erheblichen Entwicklungsrückstands aufgewiesen: im Alter von fünf Jahren sei der Kläger noch nicht in der Lage gewesen, zu sprechen, zu laufen oder selbständig zu essen. Zwar sei unklar geblieben, ob der Entwicklungsrückstand auf die Falschmedikation und den Sauerstoffmangel nach dem Herzstillstand oder den angeborenen genetischen Defekt zurückzuführen sei. Dies gehe hier jedoch nicht zu Lasten des Klägers. Vielmehr müssten der Arzt und der Apotheker beweisen, dass der Schaden nicht aufgrund der Überdosierung entstanden sei. Dies sei ihnen nicht gelungen.
Für den Bereich der Haftung von Ärzten für Behandlungsfehler ist seit langem folgende Verteilung der Beweislast anerkannt: liegt nur ein sog. einfacher Behandlungsfehler vor, muss der Patient beweisen, dass ein Schaden auf der fehlerhaften Behandlung beruht. Bei einem groben Behandlungsfehler dagegen wird vermutet, dass der Schaden kausal auf den Fehler zurückgeht. Dies ist nun auch in dem seit 26.2.2013 geltenden Patientenrechtegesetz ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 630h Abs. 5 BGB).
Diese Grundsätze hat der Senat nun auch auf die Haftung von Apothekern übertragen und damit eine bisher in der Rechtsprechung ungeklärte Frage erstmals entschieden. Ein solcher Fehler wie der vorliegende dürfe einem Apotheker schlechterdings nicht unterlaufen, so der Senat. Angesichts des hochgefährlichen Medikamentes habe der Apotheker in ganz besonderer Weise Sorgfalt walten lassen und den Fehler im Rezept erkennen müssen. Es handele sich somit um einen groben Fehler. Die Anwendung der Grundsätze des groben Behandlungsfehlers auf vergleichbar schwerwiegende Fehler von Apothekern sei geboten, weil die Sach- und Interessenlage gleichgelagert sei. Gerade bei der fehlerhaften Verabreichung von Medikamenten wie im vorliegenden Fall könne das Zusammenwirken von Arzt, Apotheker und Medikament nicht sinnvoll getrennt werden.
Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Insbesondere die Frage, ob die Grundsätze zum „groben Behandlungsfehler“ auf Apotheker entsprechend anzuwenden seien, habe grundsätzliche Bedeutung.
Quelle: Justiz online OLG Köln

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