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Keine Übernahme der Kosten für Schülerbeförderung, denn ein Weg von etwas mehr als 2 km ist für Schüler der Sekundarstufe I - beim Fehlen körperlicher oder geistiger Einschränkungen - problemlos zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewältigen

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,Beschluss vom 02.04.2012, - L 19 AS 178/12 B -

Keine Übernahme der Kosten für Schülerbeförderung, denn ein Weg von etwas mehr als 2 km ist für Schüler der Sekundarstufe I - beim Fehlen körperlicher oder geistiger Einschränkungen - problemlos zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewältigen (vgl. dazu auch VG München Urteil vom 14.11.2011 - M 3 K 11.670 = juris (Mindestentfernung: 3 km); OVG Lüneburg Beschluss vom 12.08.2011 - 2 LA 283/10 = juris (Mindestentfernung: 4 km); § 5 Abs. 2 SchfkVO NRW (Mindestentfernung: 3,5 km)).

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 4 SGB II liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift, in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (EGRBEG) vom 24.03.2011 (BGBl I, S. 453), werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/4095, S. 30) heißt es, die Norm:

"( ) berücksichtigt nur die notwendigen Aufwendungen für die Beförderung zur nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs (z.B. Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Gemeinschaftsschule). Auf diesen Betrag ist die Leistung auch dann beschränkt, wenn die Schülerin oder der Schüler tatsächlich eine weiter entfernte Schule besucht. Aufwendungen für die Schülerbeförderung sind Ausgaben für Verkehrsdienstleister oder Verkehrsmittel, die unmittelbar mit dem Besuch der Schule zusammenhängen. Als erforderliche Schülerbeförderungskosten sind grundsätzlich diejenigen Aufwendungen anzusehen, die auch vom Träger der Schülerbeförderung übernommen werden würden, hätte die leistungsberechtigte Person gegen diesen noch einen Leistungsanspruch ( ) Soweit in den Schulgesetzen der Länder eine vollständige oder teilweise Kostenübernahme insbesondere durch die Träger der Schülerbeförderung vorgesehen ist, ist diese ebenso anzurechnen, wie eine Kostenübernahme durch Dritte ( ). Der Leistungsanspruch ist im Übrigen davon abhängig, dass es der Schülerin oder dem Schüler nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen für die Schülerbeförderung aus dem Regelbedarf zu bestreiten ( )"

Damit stellt die Vorschrift - wie auch in Nordrhein-Westfalen die Verordnung zur Ausführung des § 97 Abs. 4 Schulgesetz (Schülerfahrkostenverordnung - SchfkVO) vom 16.04.2005 - auf das räumliche Kriterium der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungswegs ab. Darauf, ob eine andere, weiter entfernt gelegene, Schule des gewählten Bildungswegs einen besseren Ruf genießt oder andere bzw. vermeintlich bessere Kurse anbietet, kommt es damit - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an.

Der Kläger zu 3) kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, die Fahrtkosten zur nächstgelegenen Schule seien - aufgrund des gleichen ÖPNV-Tickets - auch nicht preiswerter als diejenigen zur Erreichung der F-Gesamtschule. Insoweit verkennt er, dass Kosten für die Fahrt zur Schule nach X gar nicht zu übernehmen wären. § 28 Abs. 4 SGB II gibt nur den Schülerinnen und Schülern, die auf Schülerbeförderung zur nächstgelegenen Schule angewiesen sind, einen Anspruch auf Fahrtkostenübernahme. Hiervon ist im Hinblick auf das Alter des Klägers zu 3) und die Entfernung der Gesamtschule X von seinem Wohnort nicht auszugehen.

Der Gehweg von der H-Straße 00 (Wohnadresse des Klägers zu 3) bis zur T-straße 00 (Adresse der nächstgelegenen Gesamtschule) hat eine Länge von ca. 2,1 km (vgl. maps.google.de: 2,1 km; falk.de: 2,12 km; maps.nokia.com: 2,1 km). Ein Weg von etwas mehr als 2 km ist aber für Schüler der Sekundarstufe I - beim Fehlen körperlicher oder geistiger Einschränkungen - problemlos zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewältigen (vgl. dazu auch VG München Urteil vom 14.11.2011 - M 3 K 11.670 = juris (Mindestentfernung: 3 km); OVG Lüneburg Beschluss vom 12.08.2011 - 2 LA 283/10 = juris (Mindestentfernung: 4 km); § 5 Abs. 2 SchfkVO NRW (Mindestentfernung: 3,5 km)).

Anhaltspunkte dafür, dass dieser Schulweg besonders beschwerlich oder besonders gefährlich ist, oder der Kläger zu 3) körperliche oder geistige Einschränkungen hat, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.

Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich (vgl. auch BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R = juris).


https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=150966&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Kommentare

  1. Und da wird deutlich, wieso die Leyen das "Bildungs- und Teilhabepaket" aus der Regelleistung herausgerechnet hat:

    Es soll ein "tatsächlicher" Bedarf nachgewiesen werden müssen - und bei der Definition von Zumutungen ... äh ... Zumutbarkeiten, ist der Re GIERung ein besonders weiter Spielraum eingeräumt.

    Ist hier nicht schon gem. Art. 20 Abs. 3 GG das Schwarzfahren als legitimer Widerstand zu sehen?

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  2. Tja, da muß ich allerdings sagen, dies ist ein Urteil, welches ich nicht grundfalsch finden kann. Auch mein Schulweg war - zum Gymnasium - in etwa so lang wie hier (etwas weniger als 2 Kilometer). Und ich bin, wie auch einige Mitschüler aus der Nachbarschaft, immer gelaufen, obwohl doch - ach wie bequem - dieselbe Strecke auch mit der Straßenbahn zurückzulegen gewesen wäre: Vor der Haustür einsteigen, an der Straßenecke zur Schule aussteigen.
    Ich kann es also nicht grundsätzlich schlimm finden, wenn er in so einem Fall "laufen muß".
    Etwas anderes kann sich allerdings ergeben, wenn schulische Veranstaltungen oder einzelne Unterrichtsstunden (Sport) weiter weg abgehalten werden. Oder wenn die Strecke über freies Feld geht, etc.
    Und noch etwas müßte erwogen werden: für gewöhnlich ist eine Schülerfahrkarte für die ganze Gemeinde gültig oder für die durchfahrenen Tarifgebiete, auch außerhalb er Unterrichtszeit und am Wochenende. Das gibt ein sehr gutes Argument dafür, j e d e m Schüler eine Fahrkarte zuzugestehen, denn man kann nicht ein Hartz4-Kind im Winter aufs Fahrrad verweisen oder von ihm erwarten , alle Wege auf eigene Kosten zurückzulegen. Hierbei geht es um ein hohes Gut: die Frage der Gleichbehandlung / der Chancengleichheit.
    Fazit also: die Wertung des LSG NRW ist auf den ersten Blick nicht schlimm, auf den zweiten Blick aber möglicherweise verheerend diskriminierend. - Hier haben die Richter wieder einmal versagt, weil sie nicht weit genug gedacht haben oder haben denken wollen. Von Richtern höherer Instanzen verlange ich einen deutlich weiteren Horizont.
    Mein Rat nach Essen: Für einen Richter ist es einfach, seinen Horizont zu erweitern: einfach mal vom hohen Stuhl heruntersteigen und ins Parkett zu den einfachen Leuten kommen!

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