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LSG NRW: Brille stellt Sonderbedarf nach SGB II dar- Zuschussgewährung

Kosten für die Beschaffung einer Brille sind als unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 6 SGB II vom Grundsicherungsträger zu übernehmen.


Nach Auffassung des LSG NRW, rechtskräftiger Beschluss v. 12.06.2013 Az. L 7 AS 138/13 B handelt es sich bei der Anschaffung einer zum Ausgleich einer Sehschwäche erforderlichen Brille regelmäßig um einen einmaligen Bedarf , so dass grundsätzlich nur eine darlehensweise Kostenübernahme möglich ist.

 Etwas anders kann jedoch dann gelten, wenn aufgrund der besonderen Sachlage, beispielsweise aufgrund der bestehenden Erkrankungen, nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei der Anschaffung der Brille um einen regelmäßig wiederkehrenden Sonderbedarf handelt.


Der Hilfeempfäger von Leistungen nach dem SGB II verweist im vorliegenden Fall auf eine chronische Augenerkrankung (chronische Bindehautentzündung, Hornhautdistrophie, Linseneintrübung und Hornhauterosion im linken Auge), und trägt vor, dass diese zu einer kontinuierlichen Verschlechterung des Sehvermögens führen würden, so dass die Anpassung der Sehschärfe immer wiederkehrend erforderlich sei.


In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II wird hinsichtlich des laufenden Bedarfs ausgeführt, dass es sich um einen "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen" Bedarf handeln müsse.

Da § 21 Abs. 6 SGB II und die Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB II in ihrer Gesamtschau sicherstellen müssen, dass kein atypischer oder besonderer Bedarf ungedeckt bleibt, dient das Tatbestandsmerkmal des "laufenden Bedarfs" der Abgrenzung zum einmaligen Bedarf und ist weit auszulegen.

Ein laufender Bedarf liegt jedenfalls dann vor, wenn der besondere Bedarf im angenommenen Bewilligungsabschnitt nicht nur einmalig, sondern bei prognostischer Betrachtung voraussichtlich mehrfach auftritt.

Unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenart des Bedarfs kann ein laufender Bedarf aber auch angenommen werden, wenn er zwar häufiger auftritt, nicht jedoch zwingend in jedem Bewilligungsabschnitt gegeben ist und wegen der Höhe der damit verbundenen Aufwendungen nicht über die Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB II erfasst werden kann (Behrend in: Juris PK § 21 SGB II Rn 81 ff).


Leitsätze des Verfassers:

Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn Kosten für die Anschaffung der Brille sind wohl möglich als Zuschuss nach § 21 Abs. 6 SGB II vom Jobcenter zu übernehmen.

Dies soll dann gelten, wenn aufgrund der besonderen Sachlage, beispielsweise aufgrund der bestehenden Erkrankungen, nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei der Anschaffung der Brille um einen regelmäßig wiederkehrenden Sonderbedarf handelt.


Rechtstipp: SG Detmold, Urteil vom 11.01.2011 - S 21 AS 926/10


Kosten für die Beschaffung einer Gleitsichtbrille sind als unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Mehrbedarf vom Grundsicherungsträger zu übernehmen.


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Kommentare

  1. ? dann sollte/muss dieses nach dieser "begründung" auch für zb: die bekleidung von kleinen kindern und für schulsachen gelten!

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  2. Das ist alles schön und gut, aber es gibt genügend Umstände, wo man dringend etwas machen muss. Habe diesen Fall!!! Bin Alg 2 Empfängerin, Alleinerziehend mit 2 Kindern. Ständig ist etwas. Letzten Monat hat die Bombe eingeschlagen. Wohne auf einem Dorf und habe selber einen Knieschaden. Bin auf Kfz angewiesen. Erhalte keine Versicherungspauschale, wie im SGB 2 festgelegt wurde, Kfz-Versicherung wird nicht übernommen und auch sonst nichts. An einem Wochenende hatte am Samstag meine kleine Tochter einen Unfall, der dringend behandelt werden musste. Nächste Gelegenheit ca. einfache Entfernung von 15 km. Also schon mal 30 km am Samstag. Sonntag meine große Tochter Unfall gehabt. Nochmals 30 km Fahrt. Dann kamen sehr viele notwendige Arztbesuche. Jeweils pro Tag weitere 30 km. Insgesamt mit dem privaten eigenen PKW für 150 Euro tanken müssen und das von der ganz normalen Regelleistung!!??? Kleine musste operiert werden. Dadurch natürlich weiter anfallende Fahrtkosten für die Nachbehandlung. Nun kam es zur Einweisung ins ca. 70 km einfach entfernte Krankenhaus. Könnte alles Aufführen und Nachweisen, aber mir wurde gesagt, dass man erst einen Antrag für Sonderbedarfe stellen muss. Diese Umstände kann man aber nicht vorne weg sehen und sind aber Notfälle, was vom ALG 2 nicht gedeckt wird. Nun steht eine OP 70 km entfernt in Aussicht, aber Anträge im Nachhinein, oder/und für einmalige Bedarfe gibt es laut Sachbearbeiterin nicht. Klasse. Soll mein Kind nun ehlendlich verrecken, oder wie?

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  3. Ich denke da immer etwas um die Ecke...

    So wie ich das sehe, ist das "unterlassene Hilfeleistung" gegenüber "notbedürftigen Schutzbefohlenen"
    Ich würde Eilantrag beim Sozialgericht auf Übernahme der Kosten stellen.

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  4. Es gibt Entscheidungen, die man niemals nachvollziehen kann. In meinen Augen (Achtung Wortspiel) gehört jedem die passende Sehhilfe, alleine schon um an der Öffentlichkeit teilnehmen zu können. Passende Sehilfe heisst nicht teure Kontaktlinsen, Gestelle von Porsche oder selbsttönende Gläser. Sonderwünsche müssen vom Wünschenden übernommen werden

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