Direkt zum Hauptbereich

Termintipp des BSG Nr. 15/11 vom 16. August 2011 - Hartz IV - Erstattungsanspruch bei Ein-Euro-Job - B 4 AS 1/10 R -

Das BSG wird am 27.08.2011 entscheiden, ob eine Hartz-IV Empfängerin, die im Rahmen eines Ein-Euro-Jobs zu einem Altenheim vermittelt wurde und dort gearbeitet hat, Anspruch auf Zahlung von Arbeitslohn hat.

Zitat: Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitsentgelt für Tätigkeiten, die sie in der Zeit vom 7. März 2005 bis 6. September 2005 im Rahmen einer von dem beigeladenen Jobcenter veranlassten Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei einem Träger der freien Wohlfahrtspflege verrichtet hat.

Die im Jahre 1964 geborene Klägerin erhielt laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 2. Februar 2005 schlug ihr der Beigeladene eine "Beschäftigungsgelegenheit für Alg II-Bezieher" mit verschiedenen Anforderungen (Einsatz in der mobilen Altenhilfe, Waschküche, Leos Cafe, Hausmeisterservice und Bautrupp, Pflege, Reinigung, Schulen, Kita, Vereine, Grünbereich, Bürobereich) bei dem Beklagten mit einer Arbeitszeit von 15-20 Stunden und einer Angabe zu "Lohn/Gehalt: 1 Euro" vor. Diesem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, in welcher der Klägerin für den Fall des Nichtantritts der Arbeits­gelegenheit eine Absenkung des Arbeitslosen­gelds II angekündigt wurde. Die Klägerin ist nicht gegen diese "Zuweisung" vorgegangen.
Nach einem Vorstellungsgespräch bei dem Beklagten nahm die Klägerin eine Tätigkeit als Reini­gungskraft bei der Gebäudereinigung eines Altenheimes mit einem Umfang von 20 Stunden pro Woche auf, die auf sechs Monate befristet war und für die eine Mehraufwandsentschädigung je ge­leisteter Beschäftigungsstunde in Höhe von 2 Euro gewährt wurde. Eine Klage der Klägerin gegen den Beklagten vor den Arbeitsgerichten auf Feststellung des Beste­hens eines Arbeitsverhältnisses hatte keinen Erfolg.

Die weitere, auf Zahlung von Arbeitslohn gerichtete Klage verwies das Arbeitsgericht an das Sozial­gericht. Dieses hat die Klage abgewiesen; die Klägerin habe keinen Rechtsanspruch gegen den Be­klagten auf Zahlung des arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsentgelts, weil sie nicht im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrags gearbeitet habe, sondern allein im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung tätig geworden sei. Das Landessozialgericht hat die Berufung zu­rückgewiesen; die Klägerin habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des arbeitsver­traglich geschuldeten Arbeitsentgelts, weil im arbeitsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig festgestellt worden sei, dass kein Arbeitsverhältnis bestehe.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die Arbeitsgelegenheit habe nicht den im SGB II nor­mierten Voraussetzungen entsprochen. Der beklagte Träger habe damit eine reguläre Arbeitsstelle eingespart. Deshalb habe sie Anspruch auf den Tariflohn bzw. hilfsweise auf den ortsüblichen Lohn. Der Beklagte ist dem entgegen getreten.

http://www.bsg.bund.de/cln_115/nn_138250/DE/03__Medien/01__Termin__Tipp/Termin__Tipp__Texte/15__11.html

Anmerkung: BSG,  Urteil vom 13.04.2011, - B 14 AS 98/10 R - (noch nicht veröffentlicht)

Nach der Rechtsprechung des 14. Senats des Bundessozialgerichts kommt unter bestimmten Voraussetzungen ein öffentlich-rechtlicher Er­stattungsanspruch der Leistungsbezieherin nach dem SGB 2 gegen das Jobcenter in Betracht . Werden Hartz-IV-Empfängern rechtswidrige Ein-Euro-Jobs zugewiesen, steht ihnen die Nachzahlung des Tariflohns zu.

Anmerkung: Dazu ein Beitrag vom Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann im Nomos- Fachforum für Existenzsicherung :

Das BSG hat am 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R entschieden, dass eine Leistungsberechtigter der nicht in einem "zusätzlichen" 1 EURO Job beschäftigt ist, einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen den Leistungsträger haben kann.

Das BVerwG hatte zwar am 16.12.2004 5 C 71.03 entschieden, dass der damals geltende § 19 Abs. 2 BSHG auch zugunsten des "zusätzlich" Beschäftigten" wirkt. Ob auch § 262 SGB III zugunsten der Leistungsempfänger gilt, war völlig offen.

Ich habe die Schutzwirkung auch hinsichtlich der Leistungsberechtigten abweichend vom LSG BW 2.11.2009 L 1 AS 746/09 bisher immer angenommen (Das Hartz IV Mandat, Baden-Baden 2010 Kap. § 3 Rn. 174).

Das BSG hatte jetzt über die Revision eines anderen Senates des LSG BW L 13 AS 419/07 zu entscheiden und ebenfalls die Schutzwirkung des § 262 SGB III wohl angenommen. Ich bin gespannt auf die Begründung des Urteils.

In einer Entscheidung vom 16.12.2008 B 4 AS 60/07 R hatte der 4. Senat noch daran gezweifelt, ob der § 262 SGB III drittschützenden Charakter hat (vgl. Rn 28 Zitat: "Zweifel daran, dass eine Prüfung dieses Merkmals auch von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die sich gegen die Absenkung ihres Leistungsanspruchs zur Wehr setzen, verlangt werden kann, sind jedenfalls unter dem Gesichtspunkt angebracht, als die Zielrichtung des Merkmals der Zusätzlichkeit eher auf den Schutz von Konkurrenten ausgerichtet sein dürfte.")

Für mich ist die Entscheidung deshalb eine kleine Sensation.

http://www.existenzsicherung.de/forum/viewtopic.php?f=5&t=79



Anmerkung: Erfolgt die Beendigung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (§ 16d S 2 SGB 2) durch den Maßnahmeträger und nicht durch das Jobcenter, muss die auf Fortführung des Einsatzes gerichtete Klage gegen den Maßnahmeträger gerichtet werden.


§ 16d S 2 SGB 2

Sozialgericht Berlin Beschluss vom 20.07.2011, - S 55 AS 41075/09 -

1. Erfolgt die Beendigung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (§ 16d S 2 SGB 2) durch den Maßnahmeträger und nicht durch das Jobcenter, muss die auf Fortführung des Einsatzes gerichtete Klage gegen den Maßnahmeträger gerichtet werden.

2. Die Kündigung in einem solchen Fall betrifft ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigtem und Maßnahmeträger, der bei Arbeitsgelegenheiten nach § 16d S 2 SGB 2 nicht lediglich "willenloses" Werkzeug der Behörde ist.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/07/erfolgt-die-beendigung-einer.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist