Das SG Heilbronn hat entschieden, dass die Mietobergrenzen in Heilbronn nicht auf einem rechtmäßigen "schlüssigen Konzept" beruhen, da dieses Konzept zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze ungeeignet ist.
Geklagt hatten die im Hartz IV-Bezug stehenden M und T. Die 1973 geborene M ist die Mutter der 1995 geborenen T. 2017 lebten sie in einer 67 m² großen Zweizimmerwohnung in Heilbronn. Für ihre Miete bezahlten sie im streitigen Zeitraum Juli und August 2017 monatlich 587 Euro (530 Euro Kaltmiete, 50 Euro Nutzungsentgelt für eine Einbauküche sowie 7 Euro für kalte Nebenkosten). Das Jobcenter Stadt Heilbronn übernahm die Unterkunftskosten unter Berufung auf ein von der Firma A entwickeltes "schlüssiges Konzept" jedoch nur teilweise in Höhe von 470 Euro. Hiernach betrage die abstrakt angemessene Nettokaltmiete 463 Euro zuzüglich kalter Betriebskosten i.H.v. 7 Euro.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem SG Heilbronn Erfolg.
Nach Auffassung des Sozialgerichts ist das "schlüssige Konzept" der Stadt Heilbronn unwirksam. Die Datenerhebung sei in wesentlichen Teilen nicht valide. So habe die von der Stadt Heilbronn beauftragte Firma die zu Grunde gelegten Wohnungsanzeigen nicht im Original (z.B. als Screenshot) archiviert, sondern Wohnungsdaten lediglich mit einem Computerprogramm automatisch in eine Datenbank übertragen. Ob bei dieser maschinellen Übertragung relevante Vermietungshindernisse für Leistungsbezieher vorgelegen hätten, könne retrospektiv nicht mehr festgestellt werden. Denn in der verwendeten Suchmaske hätten die relevanten Daten gar nicht aufgenommen werden können – wie z.B., dass manche Vermieter nur bereit sind, an eine einzelne Person oder gegen Zahlung einer Ablösesumme für eine Einbauküche zu vermieten. Im Erhebungszeitraum November 2015 bis April 2016 seien auch lediglich 65 Angebotsmieten für entsprechende Zweipersonenhaushalte zugrunde gelegt worden, wobei die von der Stadt Heilbronn beauftragte Firma selbst davon ausgehe, dass nur rund 15% dieser 65 Angebote (also knapp 10) auf Bedarfsgemeinschaften entfallen können. Diesen zehn potentiellen Wohnungsangeboten seien mehr als 300 wohnungssuchende Zweipersonenhaushalte gegenüber zu stellen, die im Leistungsbezug des SGB II bzw. SGB XII (Hartz IV/Sozialhilfe) stehen und denen nach den Angaben des Beklagten nicht die vollen Kosten der Unterkunft bewilligt würden, da die Unterkunftskosten über den Mietobergrenzen des schlüssigen Konzeptes lägen. All diese würden nun um den Wohnraum von 45 bis 60 m² zu einer Bruttokaltmiete von knapp 470 Euro konkurrieren. Hinzu kämen übrige Bevölkerungsgruppen, die in diesem Bereich auf Wohnungssuche seien (wie beispielsweise Auszubildende, Studenten, Wohngeldbezieher oder Wochenendpendler). Es liege auf der Hand, dass bei pro Halbjahr nur knapp zehn in Betracht kommenden freien Wohnungsangeboten die Möglichkeit, angemessenen Wohnraum zu finden, nahezu ausgeschlossen sei. Aufgrund der Unwirksamkeit des schlüssigen Konzeptes sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung daher auf die Werte der Wohngeldtabelle zurückzugreifen. Auch wenn dem Urteil nur ein Zweipersonenhaushalt zugrunde liege, dürften die maßgeblichen Erwägungen auf sämtliche vom schlüssigen Konzept erfassten Haushalte übertragbar sein.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Hinweis des Gerichts: Derzeit sind zahlreiche, mit Blick auf das "Musterverfahren" ruhend gestellte Klagen beim Sozialgericht anhängig, in denen ebenfalls streitig ist, bis zu welcher Höhe die Mietkosten von Hartz IV- sowie Sozialhilfeempfängern in Heilbronn zu übernehmen sind. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der angemessene Quadratmeterpreis einer Wohnung sowohl für die Miete selbst als auch für die Mietnebenkosten mittels eines schlüssigen Konzepts für einen Vergleichsraum zu ermitteln. Ein solches Konzept muss eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt. Das vorliegende "Muster-Urteil" (sofern es rechtskräftig wird) dürfte viele Hartz IV- sowie Sozialhilfeempfänger in Heilbronn betreffen und erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Stadt Heilbronn haben.
Quelle: juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des SG Heilbronn v. 08.03.2019
Geklagt hatten die im Hartz IV-Bezug stehenden M und T. Die 1973 geborene M ist die Mutter der 1995 geborenen T. 2017 lebten sie in einer 67 m² großen Zweizimmerwohnung in Heilbronn. Für ihre Miete bezahlten sie im streitigen Zeitraum Juli und August 2017 monatlich 587 Euro (530 Euro Kaltmiete, 50 Euro Nutzungsentgelt für eine Einbauküche sowie 7 Euro für kalte Nebenkosten). Das Jobcenter Stadt Heilbronn übernahm die Unterkunftskosten unter Berufung auf ein von der Firma A entwickeltes "schlüssiges Konzept" jedoch nur teilweise in Höhe von 470 Euro. Hiernach betrage die abstrakt angemessene Nettokaltmiete 463 Euro zuzüglich kalter Betriebskosten i.H.v. 7 Euro.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem SG Heilbronn Erfolg.
Nach Auffassung des Sozialgerichts ist das "schlüssige Konzept" der Stadt Heilbronn unwirksam. Die Datenerhebung sei in wesentlichen Teilen nicht valide. So habe die von der Stadt Heilbronn beauftragte Firma die zu Grunde gelegten Wohnungsanzeigen nicht im Original (z.B. als Screenshot) archiviert, sondern Wohnungsdaten lediglich mit einem Computerprogramm automatisch in eine Datenbank übertragen. Ob bei dieser maschinellen Übertragung relevante Vermietungshindernisse für Leistungsbezieher vorgelegen hätten, könne retrospektiv nicht mehr festgestellt werden. Denn in der verwendeten Suchmaske hätten die relevanten Daten gar nicht aufgenommen werden können – wie z.B., dass manche Vermieter nur bereit sind, an eine einzelne Person oder gegen Zahlung einer Ablösesumme für eine Einbauküche zu vermieten. Im Erhebungszeitraum November 2015 bis April 2016 seien auch lediglich 65 Angebotsmieten für entsprechende Zweipersonenhaushalte zugrunde gelegt worden, wobei die von der Stadt Heilbronn beauftragte Firma selbst davon ausgehe, dass nur rund 15% dieser 65 Angebote (also knapp 10) auf Bedarfsgemeinschaften entfallen können. Diesen zehn potentiellen Wohnungsangeboten seien mehr als 300 wohnungssuchende Zweipersonenhaushalte gegenüber zu stellen, die im Leistungsbezug des SGB II bzw. SGB XII (Hartz IV/Sozialhilfe) stehen und denen nach den Angaben des Beklagten nicht die vollen Kosten der Unterkunft bewilligt würden, da die Unterkunftskosten über den Mietobergrenzen des schlüssigen Konzeptes lägen. All diese würden nun um den Wohnraum von 45 bis 60 m² zu einer Bruttokaltmiete von knapp 470 Euro konkurrieren. Hinzu kämen übrige Bevölkerungsgruppen, die in diesem Bereich auf Wohnungssuche seien (wie beispielsweise Auszubildende, Studenten, Wohngeldbezieher oder Wochenendpendler). Es liege auf der Hand, dass bei pro Halbjahr nur knapp zehn in Betracht kommenden freien Wohnungsangeboten die Möglichkeit, angemessenen Wohnraum zu finden, nahezu ausgeschlossen sei. Aufgrund der Unwirksamkeit des schlüssigen Konzeptes sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung daher auf die Werte der Wohngeldtabelle zurückzugreifen. Auch wenn dem Urteil nur ein Zweipersonenhaushalt zugrunde liege, dürften die maßgeblichen Erwägungen auf sämtliche vom schlüssigen Konzept erfassten Haushalte übertragbar sein.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Hinweis des Gerichts: Derzeit sind zahlreiche, mit Blick auf das "Musterverfahren" ruhend gestellte Klagen beim Sozialgericht anhängig, in denen ebenfalls streitig ist, bis zu welcher Höhe die Mietkosten von Hartz IV- sowie Sozialhilfeempfängern in Heilbronn zu übernehmen sind. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der angemessene Quadratmeterpreis einer Wohnung sowohl für die Miete selbst als auch für die Mietnebenkosten mittels eines schlüssigen Konzepts für einen Vergleichsraum zu ermitteln. Ein solches Konzept muss eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt. Das vorliegende "Muster-Urteil" (sofern es rechtskräftig wird) dürfte viele Hartz IV- sowie Sozialhilfeempfänger in Heilbronn betreffen und erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Stadt Heilbronn haben.
Gericht/Institution: | SG Heilbronn |
Erscheinungsdatum: | 08.03.2019 |
Entscheidungsdatum: | 13.02.2019 |
Aktenzeichen: | S 7 AS 1912/17 |
Quelle: Pressemitteilung des SG Heilbronn v. 08.03.2019
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