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Urteil des Bundesverfassungsgerichts fordert Neuberechnung des Regelbedarfs für Hartz IV - Empfänger -Betrag für Kinder muss überprüft werden

Dr. Josef König  Pressestelle, Ruhr-Universität Bochum

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat zwei RUB-Professoren damit betraut, bis Februar 2013 die Berechnungsgrundlagen für die Hartz IV-Sätze neu zu ermitteln - mit verbesserten Berechnungsmethoden und neueren Daten.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. Februar 2010 geurteilt, dass die Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht genügen. Die Richter entschieden, dass die Bundesregierung die verfassungswidrigen Regelsätze für Hartz IV-Empfänger wegen methodischer Mängel neu berechnen lassen muss.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat nun zwei RUB-Professoren damit betraut, bis Februar 2013 die Berechnungsgrundlagen für die Hartz IV-Sätze neu zu ermitteln - mit verbesserten Berechnungsmethoden und neueren Daten.

Prof. Dr. Notburga Ott und Prof. Dr. Martin Werding aus der Sektion für Sozialpolitik und Sozialökonomie der sozialwissenschaftlichen Fakultät konnten mit ihrem Forschungskonzept den Auftrag der Bundesregierung für die RUB gewinnen.

Betrag für Kinder muss überprüft werden

Ein Hauptpunkt des Urteils vor knapp zwei Jahren war, dass der Mindestbedarf von Kindern nicht methodisch belegbar berechnet, sondern willkürlich geschätzt worden ist.

Ebenso wurden die Sätze für weitere Erwachsene im Haushalt als nicht nachvollziehbar kritisiert. Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung zwar für Kinder neue Regelsätze berechnet, die momentan zur Anwendung kommen. Das entsprechende Gesetz sieht jedoch eine gründliche Überprüfung aller Regelsätze bis zum Jahr 2013 vor.

Neue Methoden, neue Daten

Die bisherige Methode zur Berechnung der Hartz IV-Sätze richtet sich nach der Ausgabenstruktur der unteren Einkommensschicht, wobei mit statistischen Methoden die Konsumanteile verschiedener Haushaltsmitglieder an allen Gütergruppen ermittelt werden.

„Die bisher genutzten Verteilungsschlüssel der Ausgaben für Kinder wurden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 und 2003 entwickelt und geschätzt. Die Zielsetzung des Forschungsauftrags ist es, diese Schlüssel auf der Grundlage neuer Daten und weiter entwickelter statistischer Methoden zu überprüfen“, so Ott und Werding. Daraus soll dann ein neues, transparentes Berechnungssystem entstehen.

http://idw-online.de/pages/de/news443926

Anmerkung: Bayerisches Landessozialgericht lehnt - erneut - die Verfassungswidrigkeit der neuen Regelleistungen nach dem SGB 2 ab.


Anmerkung vom Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann und dem Sozialberater Willi 2:

Es lohnt sich nach wie vor, Widerspruch einzulegen und ggf. Klage zu erheben,von Kollegen wurde uns berichtet, dass in anderen Fällen Prozesskostenhilfe zu der Frage bewilligt wurde, ob die Antragsteller Anspruch auf einen höheren Regelbedarf nach dem SGB II haben.

Die Begründung des LSG Bayern gut lesen und versuchen Nachweise zu erbringen, warum die neuen Regelleistungen nicht den Vorgaben des Gesetzgebers entsprechen, pauschale Anmerkungen oder Studien zum SGB II müssen nicht immer vorteilhaft sein, immer den persönlichen Einzelfall im Auge behalten.

Mit Beschluss vom 10.08.2011 hat das Bayerisches Landessozialgericht
entschieden, dass der Kläger im Zeitraum von Januar bis April 2011 keinen Anspruch auf einen höheren Regelbedarf nach dem SGB II hat, als gesetzlich vorgesehen.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger hatte zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf verwiesen, dass
" der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe im Gesetz vom 24.03.2011 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend beachtet habe. Hierzu gebe es einen Musterschriftsatz des Deutschen Anwaltvereins, dessen Inhalt er wie folgt wiedergibt:

- Die Festlegung der Referenzgruppe sei in qualitativer und quantitativer Hinsicht fehlerhaft, insbesondere, soweit bei den Einzelpersonen auf die unteren 15 % und bei den Familienhaushalten auf die unteren 20 % abgestellt werde.

- Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2008 sei im Gegensatz zu derjenigen von 2003 als Datengrundlage nicht ausreichend, da keine eigenen statistischen Erhebungen der Bundesregierung zu den Bedarfen vorgenommen worden seien.

- Die Problematik von Abschlägen infolge der Vermischung des Warenkorb- mit dem Statistik-Modell führe zu einer Größenordnung der Reduzierung des Regelsatzes, die es ausschließe, einen überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen Position auszugleichen. Hinzu komme, dass die Abschläge immer auch Personen träfen, die diese Ausgaben nicht hätten.

- Tabak und Alkohol hätten nicht aus dem Regelbedarf gestrichen werden dürfen, weil der Konsum von Bier und Wein vielfach Bestandteil einer regionalen Kultur sei. Es gebe nur sehr wenige Veranstaltungen im privaten und öffentlichen Bereich, in denen die Zugehörigkeit im gesellschaftlichen Leben nicht auch dadurch geprägt sei, dass man in der Lage sei, die Kosten für ein Getränk, das auch Alkohol enthalte, aufzubringen, wie das Bier beim Schauen einer Sport- oder Musikveranstaltung. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen, bei denen der Konsum von Bier oder Wein üblich sei, dürfe auch Empfängern von Leistungen nach dem SGB II nicht grundsätzlich vorenthalten bleiben.

- Bei der Berechnung des Bedarfs für Verkehr hätten Personen, die ein Auto fahren, nicht herausgerechnet werden dürfen. Dies bewirke einen deutlichen statistischen Fehler, der zu einer Verfälschung nach unten führe."

Die Rechtssache hat im vorliegenden Fall keine grundsätzliche Bedeutung.

weiter hier lesen : http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/bayerisches-landessozialgericht-lehnt.html

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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