Direkt zum Hauptbereich

BSG : Lohnverzicht bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers führt zu höherem ALG I


Im Streit steht die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) vom 01. bis 03.07.2011.
Der Kläger war bei der S-GmbH beschäftigt. Die AG als Konzernmutter und Ver.di schlossen – auch für die S-GmbH – zur Abwendung einer existenzbedrohenden Situation einen Konzerntarifvertrag (KTV), in dem die Beschäftigten auf Teile von Einmalzahlungen und Lohnerhöhungen verzichteten. Die S-GmbH zahlte dem tarifgebundenen Kläger nur das entsprechend gekürzte Entgelt aus. Der Verzicht stand unter der Bedingung, dass die vollen tariflichen Entgeltansprüche für den Fall wieder auflebten, dass die AG Insolvenz anmelde.
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Die Beklagte hat den Leistungsbetrag des Arbeitslosengeldes (Alg) zutreffend berechnet; insbesondere ist nicht von einem höheren Bemessungsentgelt auszugehen.
Eine Berücksichtigung der Entgeltansprüche in Höhe von 2.843,82 Euro, auf die der Kläger tariflich zur Sanierung des Konzerns verzichtet hatte, sind nicht beim Bemessungsentgelt zu berücksichtigen. Sie sind dem Kläger weder zugeflossen (Alt. 1) noch sind sie ihm "nur" wegen der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin nicht zugeflossen (Alt. 2). Alt. 2 ist nur erfüllt, wenn der unterbliebene Zufluss des Entgelts allein auf die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zurückzuführen ist (Monokausalität). Das ist hier nicht der Fall, weil ein Entgeltverzicht tarifvertraglich mit Wirkung für den tarifgebundenen Kläger vereinbart und die Vereinbarung so praktiziert wurde. Dies war der Grund dafür, dass die fraglichen Teile des Entgelts dem Kläger vom 01.07. bis 31.12.2010 nicht gezahlt worden sind. Nach Eintritt der vereinbarten Bedingung (Insolvenzanmeldung) sind diese Ansprüche zwar wieder so aufgelebt, wie sie ohne den Verzicht bestanden hätten. Der Anspruch ist vom Arbeitgeber danach zwar nicht erfüllt worden, weil er mittlerweile zahlungsunfähig geworden war. Dies war gleichwohl nicht der einzige Grund im rechtlichen Sinn, weil die Arbeitnehmer in der Zeit, in der die Ansprüche eigentlich zu erfüllen gewesen wären und in der der Arbeitgeber noch zahlungsfähig war, verzichtet hatten.
Aus der Berücksichtigung solcher Sanierungsbeiträge beim Insolvenzgeld ergibt sich nichts anderes. Dort wird – für einen begrenzten Zeitraum – nicht gezahltes Arbeitsentgelt ersetzt. Spezifische Regelungen über das zu berücksichtigende Arbeitsentgelt finden sich dort aber – anders als beim Alg – nicht.
Quelle: Pressemitteilung des BSG v. 11.06.2015

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist