JobCenter muss verauslagte Kosten für Babyschwimmen erstatten, so die Rechtsauffassung des SG Berlin, Urteil vom 12.09.2012 - S 55 AS 34011/11.
1. Die Umstellung der ursprünglich auf Erbringung von Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB 2 zielende Leistungsklage auf eine auf Kostenerstattung gerichtete Zahlungsklage ist auch ohne Vorbefassung der Behörde mit der Erstattungsforderung zulässig.
2. Der Gutschein nach § 29 SGB 2 ändert nicht den Charakter der Teilhabeleistungen nach § 28 SGB 2 als Sach- bzw Dienstleistung, sondern hat die Funktion einer drittbegünstigenden Zusicherung der Anspruchsvoraussetzungen.
3. Bei rechtswidriger Verweigerung der Teilhabeleistungen nach § 28 Abs 7 SGB 2 sind die Kosten der sodann selbstbeschafften Leistung direkt dem Anspruchsberechtigten zu erstatten. Eine solche Kostenerstattungspflicht folgt aus dem grundrechtsverwirklichenden Charakter der Leistungen ebenso wie aus § 2 Abs 2 letzter Teilsatz SGB 1 und dem Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG).
4. Der Begriff "Mitgliedsbeitrag" in § 28 Abs 7 Nr 1 SGB 2 ist weit auszulegen und nicht in dem Sinne eng zu verstehen, dass nur die Mitgliedschaft in eingetragenen Vereinen und Verbänden gefördert werden soll. Vielmehr umfasst der Begriff sämtliche Gebühren und Beiträge für institutionell organisierte Aktivitäten, welche als Teilhabeangebote im Sinne der Vorschrift anzuerkennen sind.
5. Die Einbeziehung der Eltern bei der sozialen und kulturellen Teilhabe von Kindern unter drei Jahren ist notwendig (z.B. beim Babyschwimmen) und verändert nicht den Charakter entsprechender Angebote als Teilhabeleistungen nach § 28 SGB 2, welche allerdings Familienaktivitäten (Kino, Museum, Zoo etc) nicht erfassen.
6. Eine Nachweisführung über die Teilnahme zu fordern, gestattet der Gesetzgeber den Behörden in Abweichung von dem nach §§ 20 ff SGB 10 eingeräumten Ermessen bei der Sachverhaltsaufklärung nach § 29 Abs 4 SGB 2 nur in begründeten Einzelfällen.
7. Der Bewilligungszeitraum für Teilhabeleistungen nach § 28 SGB 2 kann von demjenigen der Grundsicherungsleistungen abweichen und beispielsweise das Schuljahr umfassen.
8. Sofern Angebote mit höheren Kosten als 10,00 EUR im Nutzungsmonat über mehrere Monate genutzt werden, kommt im Rahmen von Ansparmöglichkeiten die volle Übernahme der Kosten in Betracht, wenn die Angebote nicht in allen Monaten des Bewilligungszeitraumes genutzt werden.
Anmerkung: Die Kosten für einen Babyschwimmkurs sind auch dann als Teilhabebedarf nach § 28 Abs. 7 Nr. 1 SGB II berücksichtigungsfähig, wenn insoweit keine Mitgliedsbeiträge, sondern Kursgebühren anfallen( SG Darmstadt, Urteil vom 27.03.2012 - S 1 AS 1217/11).
Sind auch Ihnen rechtswidrig Teilhabeleistungen verweigert worden, so wenden Sie sich vertrauensvoll an das Taem des Sozialrechtsexperten. Sie suchen Hilfe zu Fragen rund um Hartz IV - hier sind Sie an der richtigen Stelle.Das Taem des RA Ludwig Zimmermann ist Ihnen gerne behilflich.
Der Beitrag wurde von Detlef Brock erstellt - Taemmitglied des Sozialrechtsexperten.
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