Beispiel 1:
Verrechnung eines Betriebskostenguthabens mit alten Mietschulden:
Die Revision des Beklagten war im Sinne der
Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung der Sache an
dieses Gericht begründet. Die materielle Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Bescheide beurteilt sich nach § 40 SGB II iVm § 48 Abs 1
SGB X. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Änderung sind
grundsätzlich neben der hier streitigen Berücksichtigung des
Betriebskostenguthabens als Einkommen auch die weiteren, den Grund und
die Höhe beeinflussenden Berechnungsfaktoren einzubeziehen. Soweit
Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit dargetan oder ersichtlich sind,
hat eine Korrektur unter Berücksichtigung des § 44 SGB X zu erfolgen.
Insofern ist zu beachten, dass der Grundsicherungsträger nach den
Feststellungen des SG im Aufhebungsmonat Dezember 2009 nicht die
tatsächlichen, sondern nur die von ihm als angemessen angesehenen Kosten
der Unterkunft übernommen und seine Praxis nach eigenen Angaben
geändert hat.
Das in der Betriebskostenabrechnung ausgewiesene Guthaben ist hier
grundsätzlich als Einkommen iS der Sonderregelung des § 22 Abs 1 Satz 4
SGB II zu berücksichtigen. Die Vorschrift ist auch nicht einschränkend
dahin auszulegen, dass ein Guthaben nur dann (im Folgemonat) anzurechnen
ist, wenn es im Monat der Gutschrift oder im Folgemonat nach
tatsächlichem Handeln der Mietparteien die Unterkunftskosten verringert
hat. Auch wenn das Betriebskostenguthaben nach den Feststellungen des
von dem Vermieter "wegen aufgelaufener, noch ausstehender Mietrückstände
verrechnet" worden ist, handelt es sich um zugeflossenes Einkommen,
weil hiermit eine Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger
Verbindlichkeiten, dh ein wertmäßiger Zuwachs des Vermögensstandes,
verbunden ist.
Entgegen der Ansicht des SG kann dieses Einkommen auch nicht allein
deshalb außer Betracht bleiben, weil das Guthaben nach dessen
Feststellungen zu keinem Zeitpunkt in der "tatsächlichen
Verfügungsgewalt" der Kläger gestanden hat. Zu prüfen ist vielmehr, ob
der Leistungsberechtigte dieses Einkommen auch aus Rechtsgründen
überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres hätte realisieren können (vgl
auch Urteil des Senats vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R). Nur dann stehen
bereite Mittel nicht zur Verfügung und rechtfertigt - trotz denkbarer
Mietschuldentilgung - der Bedarfsdeckungsgrundsatz die
Nichtberücksichtigung des Guthabens bei dem Leistungsanspruch. Ob die
Aufrechnungserklärung des Vermieters hier dazu geführt hat, dass die
Forderung der Kläger aus dem Betriebskostenguthaben erloschen ist ( §
389 BGB), kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des SG
nicht beurteilen. Besteht kein zivilrechtlicher Anspruch der Kläger
gegen den früheren Vermieter auf Auszahlung des Guthabens oder ist
dieser nicht ohne Weiteres zu realisieren, kann der Bewilligungsbescheid
nicht aus diesem Grund aufgehoben werden.
SG Altenburg - S 27 AS 838/10 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 132/11 R -
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